Streit um Zustand des Waldes: Buchen gesundgebetet
Die Bundesregierung veröffentlicht den "Waldzustandsbericht" 2007 - und muss sich vom BUND "Tendenz zur Verharmlosung" vorwerfen lassen.
BERLIN taz Mehr als zwei Drittel des deutschen Waldes sind krank. Das behauptet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der am Mittwoch vehement dem Waldschadensbericht der Bundesregierung widersprach.
Das Bundesagrarministerium veröffentlichte im Internet den "Waldzustandsbericht" des Jahres 2007. In diesem werden etwa ein Viertel aller Bäume als "deutlich geschädigt" ausgewiesen - ihnen fehlt mehr als ein Viertel der normalen Blatt- oder Nadelmasse. Die Wälder hätten sich 2007 allerdings deutschlandweit weiter erholt, die niederschlagsreiche Witterung während der Vegetationsperiode habe dies begünstigt, so der Ministeriumsbericht.
Das sieht der BUND ganz anders: "Für den Waldzustandsbericht werden Bäume auf den Zustand ihrer Baumkronen hin untersucht", so Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Viele nicht sichtbare Schäden würden aber in den Bericht nicht einfließen. "Bedrohlich sind vor allem die hohen Emissionen giftiger Stickoxide und von Ammoniak." In der Untersuchung geschädigter Bäume tauchten diejenigen nicht mehr auf, die bereits durch neue Bäume ersetzt worden sind: "Die Waldbesucher sehen davon meist nur, dass die Wälder immer jünger werden. Die Bäume erreichen ihr natürliches Alter nicht mehr", erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Verkehr und Landwirtschaft sind die beiden Hauptverursacher hoher Stickstoffeinträge.
Weiger forderte von der Bundesregierung, eine waldverträgliche Agrar-, Verkehrs- und Energiepolitik zu entwickeln. Helmut Klein, Waldexperte des BUND, verglich die Auswirkungen des Stickstoffeintrages durch die Landwirtschaft mit einer permanenten Überdüngung: "Bäume stehen in einem überdüngten Boden weniger stabil, weil sie dort weniger Wurzelwerk ausbilden. Bei Stürmen hat das fatale Folgen." Besonders groß seien die Schäden bei Eichen, Buchen und Fichten. "85 Prozent der Buchen und 86 Prozent der Eichen sind weiterhin sichtbar krank", sagt Klein. "Und sie sind das Grundgerüst unserer Wälder."
Der BUND kritisiert zudem die Absicht der Bundesregierung, künftig nur noch alle vier Jahre einen Waldschadensbericht veröffentlichen zu wollen. "Wir sehen mit größter Sorge, dass der Zustand des Waldes außerhalb der Forstwirtschaft kaum jemanden mehr interessiert", so BUND-Chef Weiger, der dem Bundeslandwirtschaftsministerium eine "Tendenz zur Verharmlosung" vorwarf.
Ein Sprecher des Agrarministeriums wies gegenüber der taz die Vorwürfe zurück: Künftig sollen zusätzlich zu den vierjährigen Zustandsberichten zeitnahe Informationen über Veränderungen veröffentlicht werden. Hinzu komme, dass Forstwirten durch die Behörden der Bundesländer inzwischen nahegelegt werde, auf die sensiblen Monokulturen zu verzichten: "Wir sind auf dem richtigen Weg zu stabilen Mischwäldern." Seit 1984 untersucht die Bundesregierung den Waldzustand regelmäßig.
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