Streit um Volkszählung im Sudan: Der Friedensprozess ist blockiert
Weil die SPLA-Rebellen im Südsudan die Ergebnisse einer neuen Volkszählung ablehnen, stehen die für 2010 geplanten Wahlen auf der Kippe. Ein neuer Krieg mit dem Norden droht.
BERLIN tazIn Sudan droht ein neuer Bürgerkrieg. Die Wahlkommission des Landes stellte diese Woche eine erneute Verschiebung der ursprünglich für Juli vorgesehenen freien Wahlen in Aussicht. Die Wahlen, wesentlicher Teil der Friedensregelung von 2005 zwischen Sudans Regierung und Südsudans Rebellen der SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee), wurden schon einmal auf Februar 2010 verschoben. Nun sollen sie wohl erst nach der Regenzeit stattfinden, in der zweiten Jahreshälfte.
Damit gerät der gesamte Zeitplan für Sudans Zukunft ins Rutschen. Der mehrheitlich von nichtmuslimischen Schwarzafrikanern besiedelte Süden des Landes, der sich von der muslimisch-arabischen Elite im Norden unterdrückt fühlt, errang 2005 unter Führung der SPLA Autonomie und darf Anfang 2011 über seine Unabhängigkeit abstimmen. Aber nun vermutet die SPLA, dass die Zentralregierung des Sudan unter Präsident Omar Hassan al-Bashir alles versucht, um das zu verhindern.
Stein des Anstoßes ist die neue Volkszählung, die erste seit 1993. Eigentlich schon 2007 vorgesehen, fand sie erst im April 2008 statt, und die Ergebnisse wurden erst vor wenigen Wochen veröffentlicht. Demnach hat Sudan insgesamt 39,154 Millionen Einwohner. Davon leben 30,894 Millionen im Nordteil und nur 8,26 Millionen, also knapp über ein Fünftel, im Süden. Das Friedensabkommen von 2005 wurde aber unter der Annahme geschlossen, dass Südsudan ein Drittel der Landesbevölkerung stellt. Auf dieser Grundlage wurden damals Regierungs- und Parlamentsposten aufgeteilt.
SPLA-Führer Salva Kiir, Präsident der Autonomieregierung im Süden, hat die Zensusergebnisse denn auch abgelehnt. Denn wenn die Wählerlisten auf Grundlage der neuen Volkszählung erstellt werden und der Süden nur ein Fünftel der Wähler stellt statt ein Drittel, kann die SPLA nach den Wahlen nicht mehr verhindern, dass ihre Gegner im Norden per Dreiviertelmehrheit im Parlament die Verfassung ändern und das Unabhängigkeitsreferendum im Süden aushebeln.
Es ist kein Geheimnis, dass Salva Kiir gerne Präsident eines unabhängigen Südsudans wäre. Andere SPLA-Größen hoffen demgegenüber, irgendwann die Macht im ganzen Land übernehmen zu können. Sie sagen, Salva Kiir müsse besser mit Bashir zusammenarbeiten. Die Anhänger des SPLA-Chefs wiederum werfen den Kritikern vor, von Bashir manipuliert zu sein.
Die Nummer zwei der SPLA, Riek Machar, tritt zunehmend als Rivale Salva Kiirs auf. Und am 6. Juni erklärte Lam Akol, 2005 bis 2007 Außenminister in Khartum, die Gründung einer SPLA-Abspaltung unter dem Namen Demokratischer Wandel. Die drei Politiker gehören zu unterschiedlichen Ethnien, und in den letzten Monaten haben ethnische Landkonflikte im Südsudan mindestens 1.000 Tote gefordert. Die SPLA vermutet, dass Khartum dies anheizt.
Schwindende Einnahmen aus dem Erdöl, wichtigster Devisenbringer des Sudans, belasten die Lage weiter. 75 Prozent der Ölförderung Sudans kommen aus dem Süden, aber von 6,5 Milliarden Dollar Öleinnahmen im Jahr 2008 verblieben weniger als 2,9 Milliarden im Südsudan. Nun fallen die Öleinnahmen dank sinkender Ölpreise: von 608 Millionen Dollar im Oktober 2008 auf nur 47 Millionen im Februar 2009, mit einer Erholung auf 159 Millionen im April. Bei der Gründung seiner Abspaltung warf Lam Akol der SPLA vor, sie habe seit 2005 über sechs Milliarden Dollar am Öl verdient, aber nichts getan für die bettelarme Bevölkerung. Es ist demgegenüber ein offenes Geheimnis, dass viele einstige Rebellenführer ihr Geld in Kenia und Uganda investieren.
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