Streit um US-Blog: TechCrunch gegen AOL
Michael Arrington, Gründer des populären Weblogs TechCrunch, hat seine Firma 2010 an das Online-Portal AOL verkauft. Nun würde er den Deal gerne rückgängig machen.
Wer im Silicon Valley als Start-up-Unternehmer etwas werden wollte, musste in den letzten Jahren mindestens einmal im Blog TechCrunch vorgekommen sein: Die vom Internet-Unternehmer und Anwalt Michael Arrington gegründete Technologie-Seite galt seit ihren Anfängen im Jahr 2005 schnell als Muss der Internet-Szene, erst in den USA, dann auch im Rest der Welt.
Stets am Puls des WWW und mit einer Nase für Scoops ausgestattet, erreichte der in der Netzcommunity des Öfteren auch kontrovers diskutierte Arrington schnell ein Millionenpublikum. Das Unternehmen wuchs, generierte gute Werbeeinahmen, sicherte Journalisten und Marketingleuten den Lebensunterhalt.
Im September 2010 ließ der Blogger dann die Bombe platzen: AOL übernahm die Firma, für geschätzte 30 Millionen Dollar. Das Online-Portal suchte nach Inhalten, wollte weg vom reinen Provider-Geschäft. Arrington beruhigte seine Leser: Man habe ihm zugesichert, dass er so weitermachen könne wie bisher - und er wolle auch bleiben.
Damit scheint nun Schluss zu sein: Seit Ende letzter Woche tobt ein Kampf um die Zukunft von TechCrunch. Alles begann mit Arringtons Vorstellung einer neuen Gesellschaft für Internet-Investitionen. Der sogenannte CrunchFund sollte zusammen mit anderen renommierten Risikokapitalexperten in neue Web- und Technikfirmen investieren - Unternehmen, über die TechCrunch auch berichtet. Insgesamt 20 Millionen Dollar kamen dabei zusammen, auch von AOL.
Komische Grenzübertretung
AOL und Chef Tim Armstrong waren darüber informiert, was Arrington vorhatte. Die Neuigkeit schlug schnell hohe Wellen im Internet und in den Medien. David Carr, Kolumnist der New York Times, schrieb am Sonntag //www.nytimes.com/2011/09/05/business/media/michael-arringtons-audacious-venture.html:einen kritischen Artikel mit der klaren Überschrift: "Ein Tech-Blogger überschreitet Grenzen."
Sein Vorwurf: Jemand wie Arrington, der neben der Arbeit beim CrunchFund auch weiterhin TechCrunch als stellvertretender Chefredakteur leiten wolle, könne nicht neutral bleiben. "Die Idee, dass eine Nachrichtenseite, die über alle Aspekte junger Tech-Firmen berichtet, Markennamen und Gründer mit einer Risikokapitalfirma teilt, die in die gleichen Firmen investieren will, ist eine schon fast komische Grenzübertretung."
Statt dagegen vorzugehen und Arrington zu feuern oder zum Rücktritt zu zwingen, habe AOL selbst 10 Millionen Dollar in den CrunchFund investiert. AOL reagierte prompt auf Carrs Recherche. Ariana Huffington, AOL-Inhaltechefin und Gründerin des erfolgreichen Blognetzwerks Huffington Post, das sich AOL im Februar für 315 Millionen Dollar einverleibt hatte, schritt zur Tat.
Unbezahlter Blogger
Der New York Times sagte sie, dass "Michael zurückgetreten" und nicht länger Redakteur sei. Er werde vermutlich weiterschreiben, aber nur als unbezahlter Blogger. Carrs Artikel und die Intervention Huffingtons, von der bislang nicht bekannt ist, ob sie in die CrunchFund-Pläne eingeweiht war, sorgte wiederum auf TechCrunch für scharfe Reaktionen. Die Redaktion stellte sich geschlossen hinter Arrington.
Redakteur MG Siegler, der hinter diversen TechCrunch-Scoops steckte, versuchte in seinem persönlichen Blog zu erklären, wie die populäre Seite funktioniert. TechCrunch habe anders als die New York Times keine "Chefredaktion", die die Richtung festlege, Autoren schrieben hier eigenverantwortlich: "Wir werden ins Feuer geschickt."
Aus diesem Grund sei es nicht möglich, dass Arrington die Berichterstattung über im CrunchFund gelistete Firmen beeinflussen könne. "Wir würden ihn dafür auslachen, wenn er das probierte." Arrington suche die besten Autoren und gebe ihnen die Freiheit zu schreiben, was sie wollten. "Traditionelle Journalisten" verstünden das wohl nicht.
Unabhänigkeit
TechCrunch hat durchaus kritisch über AOL berichtet - auch nach der Übernahme. Arringtons CrunchFund-Aktivitäten sind wiederum nichts Besonderes. Schon früher hatte er ab und an in Start-ups investiert, es zur AOL-Übernahme beziehungsweise wegen Kritik dann aber wieder gelassen. Zudem rühmt sich TechCrunch, solche potenziellen Konflikte stets zu kennzeichnen - "full disclosure" gehöre in jeden Blogeintrag, so die Redaktion.
Zwischenfazit der Affäre: Arrington selbst weiß derzeit nicht, ob er nun noch bei TechCrunch arbeitet oder nicht - wie er auf TechCrunch schrieb. Sein Ultimatum: Entweder lässt AOL TechCrunch weiterhin seine Freiheit oder er möchte die Seite gerne zurückkaufen. AOL hat auf dieses Angebot bislang nicht reagiert.
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