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Streit um Notarzt-HelikopterKommt ein Doktor geflogen

Der Krankentransport-Verein KBA fordert einen Notarzt-Hubschrauber für Schleswig-Holstein. Krankenkassen und Landkreise sehen dafür keinen Bedarf.

Bringt den Notarzt schneller zum Unfallort: Hubschrauber, hier auf der Autobahn bei Rostock. Bild: dpa

NORDERSTEDT taz | Gerettet zu werden ist in Schleswig-Holstein im schlimmsten Fall eine Sache von einer Dreiviertelstunde - so lange kann es dauern, bis ein Notarzt am Einsatzort ist.

"Vor allem auf dem Land ist die mangelnde notärztliche Versorgung ein großes Problem", sagt Michael Vollmer, Vorsitzender des Vereins für Krankentransporte, Behinderten- und Altenhilfe (KBA) in Norderstedt. Die Anfahrtswege seien lang und die Bevölkerung alt, also anfällig für Schlaganfälle oder Herzinfarkte.

Mit dem Notarzt-Einsatz-Hubschrauber "Kuno", will die paritätische Mitgliedsorganisation dieses Problem lösen. Denn Kuno bringt den Notfallmediziner schnell zu den Kranken. Müssen sie danach noch ins Krankenhaus, übernimmt das ein Krankenwagen, der mit Rettungsassistenten besetzt ist.

Damit kostet ein Einsatz mit Kuno nur halb so viel wie ein Rettungsflug mit einem der drei Hubschrauber in Schleswig-Holstein, die als fliegende Krankentransporter ausgestattet sind. Eine dreimonatige Testphase im Kreis Segeberg habe gezeigt, dass Kuno gebraucht werde, sagt Vollmer. Der Hubschrauber sei 64 Mal alarmiert worden und habe vier Menschenleben gerettet.

Stephan Bandlow-Hoyer von der Rettungsleitstelle Pinneberg hält Kuno dagegen für überflüssig. "Wir wissen gar nicht, wer uns den Einsatz bezahlt hätte", sagt er. Die Kostenübernahme sei genauso unklar wie die Rechtsgrundlage. Gerufen hat die Leitstelle Pinneberg Kuno nie, es sei kein Bedarf da gewesen. Bandlow-Hoyer glaubt, dass mit Kuno schlicht "Geld verdient" werden solle.

Auch die Krankenkassen sind skeptisch. Dietmar Katzer, Leiter der Ersatzkassenverbände in Schleswig-Holstein, sagt, Kuno könne höchstens eine Ergänzung zur vorhandenen Versorgung sein. Dem KBA wirft er vor, "künstlich einen Bedarf schaffen zu wollen".

Die Krankenkassen setzen auf das sogenannte "Rendezvous-Verfahren". Dabei fährt ein Krankenwagen mit Rettungsassistenten zum Einsatzort, gleichzeitig bricht der Notarzt in einem eigenen Fahrzeug auf. Der Arzt kann so zum nächsten Kranken fahren, ohne ins Krankenhaus zurückkehren zu müssen.

"Rettungswagen mit Assistenten gibt es genug im Land - aber nicht genug Notärzte!", kontert der KBA-Vorsitzende Vollmer. Er vermutet, dass es letztlich die Landkreise sind, die sich querstellen. Sie seien für die Rettungsstruktur zuständig. Würden die Kreise einen Engpass zugeben, könnten sie von Patienten verklagt werden, und es kämen hohe Kosten auf sie zu.

Aus denselben Gründen hätten auch die Rettungsleitstellen kein Interesse an einer besseren notärztlichen Versorgung, sagt der KBA-Vorsitzende. Und die Krankenkassen zögen sich aus der Verantwortung, indem sie auf die Kreise zeigten. "Am Ende sind die Bürger die Leidtragenden", sagt Vollmer.

Volker Dörges vom Universitätsklinikum Kiel bestreitet das. Für mehr Notärzte gebe es keinen Bedarf, meint er. In 70 Prozent der Fälle rücke ein Notarzt aus, ohne dass einer benötigt würde. In 30 Prozent der Fälle sein schon bei der Alarmierung klar, dass der Notarzt medizinisch nicht notwendig sei.

Der Gesetzgeber hält sich aus der Diskussion, ob Schleswig-Holstein einen besseren Rettungsdienst braucht, heraus. Festgelegt ist nur, dass ein Rettungsdienst innerhalb von zwölf Minuten am Unfallort sein muss. Von einem Notarzt ist nicht die Rede.

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20 Kommentare

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  • C
    Christo

    @ Tobias:

    Theoretisch richtig aber Praktisch noch lange nicht so! (Es braucht noch die Notärzte)

     

    Das die Auslegung der Notkompetenz in Deutschland etwas schwammig ist, war mir beim Schreiben meines Kommentars durchaus bewusst. Sie als Blödsinn zu bezeichnen halte ich aber ebenfalls für falsch. Hier ist die Differenz zwischen Theorie und Praxis riesig.

     

    Solange Ärztliche Leiter und Leitende Notärzte sich an die Empfehlungen der Bundesärztekammer halten, werden wir in Deutschland mit der Begrifflichkeit einer Notkompetenz zu tun haben. KEIN Rettungsassistent wird, unter Umständen lebensrettende Maßnahmen wie: eine Narkose, eine Lyse oder eine Analgesie mit BTM ohne Notarzt durchführen und durchführen können. Schon durch die Ausstattung eines Rettungswagens sind dem Retter da Grenzen gesetzt (Materialien für „ärztliche“ Tätigkeiten befinden sich auf dem Notarzteinsatzfahrzeug(NEF)).

     

    Um eine adäquate und umfassende Versorgung zu erhalten benötigt ein Patient in Deutschland in vielen Fällen noch einen Notarzt der schnell und umgehend verfügbar sein muss. Es gibt viele Wege die Verfügbarkeit des Notarztes sicherzustellen, darunter zählen zusätzliche NEF oder auch der hier diskutierte Hubschrauber.

     

    Da der KBA in den Verhandlungen mit dem Kostenträgern ausschließlich mit der NEF-Pauschale argumentierte, sollten wir hier von der Tatsache ausgehen, das den Kostenträgern der Einsatz gleiche Kosten wie ein Einsatz eines NEF bereitet hätte.

    Die Einsatzzahlen machen derzeit keine Aussage über den Bedarf, da der NEH trotz enormer Reichweite nur von einer Leitstelle alarmiert werden durfte. Der NEH stellte jederzeit ein zusätzliches Angebot dar, ist kein Auto verfügbar wurde er alarmiert.

     

    Wollen wir einen Notarzt der schnell verfügbar ist, sollten wir uns alternativen Systemen nicht verschließen und sie weiterhin kritisch diskutieren. Langfristig müssen die gesetzlichen Regelungen im Rettungsdienst vereinheitlicht und eindeutiger werden auch die Kompetenzen der Rettungsassistenten müssen eindeutig geregelt werden. Bis dahin sollten wir den Patienten so gut wie möglich behandeln lassen, sei es mit einem Notarzt aus der Luft.

  • T
    Tobias

    @Cristo

     

    Deine Ausführungen zum Heilpraktikergesetzt und zur so genannten "Notkompetenz" sind gelinde gesagt Blödsinn, wenn gleich diese Auffassung immer noch weit verbreitet sind. Das HpG greift für den Rettungsdienst nicht, da hier keine "gewerbsmäßige Heilkunde" ausgeübt wird und die "Notkompetenz" gibt es nicht.

    Da ist schon das Wort ein Unding. Entweder bin ich kompetent oder ich bin es nicht. Man kann nicht zur Not kompetent sein.

     

    Und selbst wenn würde beides vom §34 StGB "gestochen".

     

     

    Die Bundesärztekammer ist ein Verein (wie der KBA) und seine Meinung ist völlig Wurscht! (so etwas wie ein "vorweggenommenes Sachverständigengutachten gibt es in Deutschland nicht)

     

    Im übrigen gibt es etliche Urteile zu dem Thema welche genau andersherum argumentieren. Diese leiten aus dem §13 StGB und dem RettAssG eine Verpflichtung zu jeder notwendigen Maßnahme ab und stellen anderen falls eine unterlassene Hilfeleistung in Aussicht. Das letzte, das ich kenne ist von 2008 und sehr deutlich. Wenn ich das Aktenzeichen finde poste ich es gerne.

     

    "Wer sich dabei auf welche Art bereichern will ist dem Infarktpatient meiner Meinung nach ziemlich wurscht."

     

    Dann kannst Du das ja alles bezahlen! Es kann doch nicht sein, dass man so ein wichtiges Thema immer wieder der artigen theatralisch emotionalisiert.

    Kein Land dieser Erde kann es sich leisten für jede Eventualität gerüstet zu sein. Es gibt so etwas wie ein allgemeines Lebensrisiko.

     

    Der NEH soll die gleiche Pauschale bekommen wie ein durchschnittliches NEF? Das würde bedeuten, dass KUNO bei 0,7 Einsätzen am Tag nicht mal 300 Euro pro Tag einfliegen würde. Dafür kann auch nur der KBA seine Mitarbeiter bezahlen.

     

    Der KBA hat bewiesen das es kein Bedarf gibt. Wer etwas anderes behauptet verfolgt eigene Interessen und nicht die der Allgemeinheit.

  • C
    Christo

    @ Tobias:

    Deine Frage auf wem die Fahrzeuge des KBA angemeldet sind kann ich dir als Ex-Insisder beantworten: alle über den KBA e.V. anders würden z.B. die Hamburger KTW keine Hamburger Zulassung mit grünen Nummernschild erhalten.

    Grundsätzlich sollte doch die Diskussion über den Notarztmangel in Deutschland unabhängig von persönlichen Befinlichkeiten gegenüber irgendwelcher Organisationen geführt werden. (Der KBA leistet im Bereich Rettungsdienst und Krankentransport zweifellos gute Arbeit auch wenn man das Arbeitgeberverhalten zurecht kritisieren kann. Rettungsdienst GmbH gibt es auch im Bereich der HiOrgs zuhauf mit ähnlichen Problemen)

     

    Richtig ist es den Ärztemangel in Deutschland zu kritisieren. Nur das Hauptproblem sehe ich im Fehlen von Landärzten im ländlichen Bereich. Viele der Notarzteinsätze könnten so schon im Vorlauf verhindert werden (durch bessere ärztliche Versorgung und Hausbesuche- wir fahren im Nachtdienst 3-5 Behandlungen vor Ort mit RTW und NEF).

    Richtig ist auch, dass jeder Rettungsassistent und Rettungssanitäter zur Lebensrettung ausgebildet ist. Eine lebensrettende Lysetherapie (nur auf dem NEF) bei einem Herzinfarkt oder eine Narkose mit Analgesie darf in Deutschland kein Rettungsassistent verabreichen .(Notkompetenz--> siehe Bundesärztekammer und HpG). Wenngleich das Wissen über die Anwendung dieser Sachen durchaus vorhanden ist. Stichwort: Paramedicsystem.

     

    Man sieht, dass man viele Punkte im derzeitgen System diskutieren kann. Entscheidungen sind vom Gesetzgeber zu fällen.

     

    Der Einsatz eines NEH im derzeitigen System macht in Einzelfällen bestimmt Sinn. Jedoch kompensiert er weiterhin nur bestehende Probleme und sollte nur mittelfristig eingesetzt werden. Wer sich dabei auf welche Art bereichern will ist dem Infarktpatient meiner Meinung nach ziemlich wurscht. Und da die Kosten hierfür durch die Krankenkassen getragen werden müssten würde man für einen NEH dieselbe Pauschale bekommen wie für einen NEF und diese bekommen alle (HiOrgs und Private).

  • T
    tifi

    @öko

     

    Doch das ist (leider) normal. Diese Autos sind fahrende Intensivstationen. Versuch mal eine Intensivstationen mit einer Autobatterie zu betreiben ;)

     

    Ne im Ernst:

     

    In einem Rettungswagen sind sehr viele Stromverbraucher installiert, die permanent Strom ziehen. EKG/Defi, Wärmefach für Infusionen, Kühlfach für Medikamente, Beatmungsgerät, Absaugpumpen usw.

     

    In den Fahrzeugen sind bereits zwei leistungsstarke Batterien verbaut, für mehr ist kein Platz.

     

    Kommt dann noch Beleuchtung innen oder außen oder Blaulicht und Warnblincker dazu sind die Batterien in 15-20 Minuten leer. Anschieben kann man einen 5-6,5 Tonner eher nicht...

     

    Die Fahrzeuge habe aus diesem Grund extra eine sogenannte "Motorweiterlaufschaltung"

     

    So kann man an der Einsatzstelle den Schlüssel abziehen, abschließen und den Motor laufen lassen. (Bricht jemand in den Rettungswagen ein und will damit losfahren geht der Motor aus.)

    So blöd wie es ist, es macht Sinn und geht nicht anders...

  • P
    Philipp

    @Hans: Ich glaube es ist eher so gemeint, dass man bei den Faällen, wo der Notarzt nicht gebraucht wird (70%), sogar schon zu 30% vorher weiß, dass man ihn nicht brauchen wird.

  • S
    Steffan

    "Bringt den Notarzt schneller zum Unfallort:"

     

    Genau das ist der Irrglaube mit dem seitens des KBA versucht wird Stimmung zu machen.

     

    Der Vorteil eines Hubschraubers ist niemals der, dass er einen Notarzt schneller zu Einsatzstelle bringt als ein bodengebundenes Einsatzmittel.

     

    Im Gegenteil. Im Regelfall ist der Hubschrauber bei zeitgleicher Alarmierung wesentlich später an der Einsatzstelle. Das liegt daran, dass so ein Hubschrauber erst mal ein paar Minuten braucht um starten zu können (oft müssen auch noch aktuelle Wetterdaten eingeholt werden), dann muss er sich einen Landeplatz suchen und zu guter Letzt kann ein Hubschrauber in den seltensten Fällen direkt an der Einsatzstelle landen, so dass die Besatzung bodengebunden zugeführt werden muss.

     

    Alles in allem habe ich es in 15 Jahren Rettungsdienst nur einmal erlebt, dass der Hubschrauber vor uns da war. (Und drehte sich der Rotor noch…)

     

    „Normaler“ Weise bekommt die Hubschrauberbesatzung einen durch den bodengebundenen Rettungsdienst versorgten Patienten zum Transport in eine weit entfernte Klinik übergeben.

     

    Der Vorteil liegt im schnellen und schonenden Patiententransport über weite Strecken. Also genau in dem was „KUNO“ nicht kann. Die Kiste ist überflüssig und dafür zu teuer…

  • T
    Tobias

    Liebe taz,

     

    64 "Einsätze" in 90 Tagen? ein echter Bedarf!

    Das ist ein schlechter Witz!

    Dazu muss auch gesagt werden, dass die Einsätze nicht zu Stande kamen weil kein bodengebundener Notarzt verfügbar war, sondern weil "KUNO" zufällig dichter dran war.

     

    Natürlich kann ich mich mit einem Rettungswagen in die Mitte von Hamburg stellen und stehe dann günstiger, manchmal.

    Aber daraus eine Versorgungslücke zu konstruieren, ist eine bodenlose Frechheit! Und wer soll das am Ende bezahlen? Ich hoffe, dass die Krankenkassen da hart bleiben.

     

    Aber so haben Private im Rettungsdienst schon immer agiert. Künstlich Bedarf konstruieren, mit dem man dann argumentieren kann.

     

    Der KBA will sein Geschäftsfeld erweitern und greift dabei auf billigste Polemik zurück.

    Wer soll es bezahlen wenn an jeder Gießkanne ein Hubschrauber steht?

     

    Gibt es da eigentlich einen Interessenkonflikt, wenn der Geschäftsführer eines e.V. auch der Geschäftsführer einer GmbH ist, die Hauptlieferant des e.V. ist?

    Hat es was zu bedeuten, dass Medicounter GmbH, Medirent GmbH und KBA e.V. die selbe Adresse und Telefonnummer haben? Da würde mich schon interessieren, wie viele Fahrzeuge dem KBA gehören und wie viele von Medirent gemietet sind... Nur um das "e.V." mal um rechten Licht sehen zu können wäre das schon interessant.

     

    Im übrigen stirbt in S-H kein Mensch weil kein Arzt zur Stelle ist. Auch wenn Herr Vollmar den Eindruck erwecken möchte. Wenn kein Arzt kommen sollte, retten die Rettungsassistenten Leben - das ist ihr Beruf, dafür sind sie ausgebildet und ausgerüstet.

  • K
    Öko

    Wie sieht's mit der Ökobilanz aus? Ich kann mir vorstellen das ein Hubschrauber wesentlich mehr verbraucht als ein Ambulanzwagen. Gerade im Rettungsdienst wird kaum auf Spritverbrauch geachtet. Heute ging mir auch wieder mal die Hutschnur hoch. Gegenüber stand ein RTW, und der Motor lief, bestimmt 25 Minuten. Das ist doch nicht mehr normal...

  • H
    Hans

    "In 70 Prozent der Fälle rücke ein Notarzt aus, ohne dass einer benötigt würde. In 30 Prozent der Fälle sein schon bei der Alarmierung klar, dass der Notarzt medizinisch nicht notwendig sei."

     

    Das klingt irgendwie so, als wäre ein Notarzt in 100% der Fälle überflüssig, oder wie ist diese Aussage gemeint?

  • MH
    Martina Horn

    Es fehlen Ärzte im Rettungsdienst in Schleswig-Holstein?

     

    Kann doch überhaupt nicht sein. Nach der Logik der KBA würde man dann also z. B. zehn nicht besetzte Landarztpraxen (Arztmangel) durch eine fliegende Arztpraxis retten wollen?

     

    Komisch, in Schleswig-Holstein gibt es doch im Gegensatz zu anderen Bundesländern ein zuverlässig besetztes bodengebundenes Notarztsystem.

     

    Martina H.

  • C
    Christo

    @ Tobias:

    Theoretisch richtig aber Praktisch noch lange nicht so! (Es braucht noch die Notärzte)

     

    Das die Auslegung der Notkompetenz in Deutschland etwas schwammig ist, war mir beim Schreiben meines Kommentars durchaus bewusst. Sie als Blödsinn zu bezeichnen halte ich aber ebenfalls für falsch. Hier ist die Differenz zwischen Theorie und Praxis riesig.

     

    Solange Ärztliche Leiter und Leitende Notärzte sich an die Empfehlungen der Bundesärztekammer halten, werden wir in Deutschland mit der Begrifflichkeit einer Notkompetenz zu tun haben. KEIN Rettungsassistent wird, unter Umständen lebensrettende Maßnahmen wie: eine Narkose, eine Lyse oder eine Analgesie mit BTM ohne Notarzt durchführen und durchführen können. Schon durch die Ausstattung eines Rettungswagens sind dem Retter da Grenzen gesetzt (Materialien für „ärztliche“ Tätigkeiten befinden sich auf dem Notarzteinsatzfahrzeug(NEF)).

     

    Um eine adäquate und umfassende Versorgung zu erhalten benötigt ein Patient in Deutschland in vielen Fällen noch einen Notarzt der schnell und umgehend verfügbar sein muss. Es gibt viele Wege die Verfügbarkeit des Notarztes sicherzustellen, darunter zählen zusätzliche NEF oder auch der hier diskutierte Hubschrauber.

     

    Da der KBA in den Verhandlungen mit dem Kostenträgern ausschließlich mit der NEF-Pauschale argumentierte, sollten wir hier von der Tatsache ausgehen, das den Kostenträgern der Einsatz gleiche Kosten wie ein Einsatz eines NEF bereitet hätte.

    Die Einsatzzahlen machen derzeit keine Aussage über den Bedarf, da der NEH trotz enormer Reichweite nur von einer Leitstelle alarmiert werden durfte. Der NEH stellte jederzeit ein zusätzliches Angebot dar, ist kein Auto verfügbar wurde er alarmiert.

     

    Wollen wir einen Notarzt der schnell verfügbar ist, sollten wir uns alternativen Systemen nicht verschließen und sie weiterhin kritisch diskutieren. Langfristig müssen die gesetzlichen Regelungen im Rettungsdienst vereinheitlicht und eindeutiger werden auch die Kompetenzen der Rettungsassistenten müssen eindeutig geregelt werden. Bis dahin sollten wir den Patienten so gut wie möglich behandeln lassen, sei es mit einem Notarzt aus der Luft.

  • T
    Tobias

    @Cristo

     

    Deine Ausführungen zum Heilpraktikergesetzt und zur so genannten "Notkompetenz" sind gelinde gesagt Blödsinn, wenn gleich diese Auffassung immer noch weit verbreitet sind. Das HpG greift für den Rettungsdienst nicht, da hier keine "gewerbsmäßige Heilkunde" ausgeübt wird und die "Notkompetenz" gibt es nicht.

    Da ist schon das Wort ein Unding. Entweder bin ich kompetent oder ich bin es nicht. Man kann nicht zur Not kompetent sein.

     

    Und selbst wenn würde beides vom §34 StGB "gestochen".

     

     

    Die Bundesärztekammer ist ein Verein (wie der KBA) und seine Meinung ist völlig Wurscht! (so etwas wie ein "vorweggenommenes Sachverständigengutachten gibt es in Deutschland nicht)

     

    Im übrigen gibt es etliche Urteile zu dem Thema welche genau andersherum argumentieren. Diese leiten aus dem §13 StGB und dem RettAssG eine Verpflichtung zu jeder notwendigen Maßnahme ab und stellen anderen falls eine unterlassene Hilfeleistung in Aussicht. Das letzte, das ich kenne ist von 2008 und sehr deutlich. Wenn ich das Aktenzeichen finde poste ich es gerne.

     

    "Wer sich dabei auf welche Art bereichern will ist dem Infarktpatient meiner Meinung nach ziemlich wurscht."

     

    Dann kannst Du das ja alles bezahlen! Es kann doch nicht sein, dass man so ein wichtiges Thema immer wieder der artigen theatralisch emotionalisiert.

    Kein Land dieser Erde kann es sich leisten für jede Eventualität gerüstet zu sein. Es gibt so etwas wie ein allgemeines Lebensrisiko.

     

    Der NEH soll die gleiche Pauschale bekommen wie ein durchschnittliches NEF? Das würde bedeuten, dass KUNO bei 0,7 Einsätzen am Tag nicht mal 300 Euro pro Tag einfliegen würde. Dafür kann auch nur der KBA seine Mitarbeiter bezahlen.

     

    Der KBA hat bewiesen das es kein Bedarf gibt. Wer etwas anderes behauptet verfolgt eigene Interessen und nicht die der Allgemeinheit.

  • C
    Christo

    @ Tobias:

    Deine Frage auf wem die Fahrzeuge des KBA angemeldet sind kann ich dir als Ex-Insisder beantworten: alle über den KBA e.V. anders würden z.B. die Hamburger KTW keine Hamburger Zulassung mit grünen Nummernschild erhalten.

    Grundsätzlich sollte doch die Diskussion über den Notarztmangel in Deutschland unabhängig von persönlichen Befinlichkeiten gegenüber irgendwelcher Organisationen geführt werden. (Der KBA leistet im Bereich Rettungsdienst und Krankentransport zweifellos gute Arbeit auch wenn man das Arbeitgeberverhalten zurecht kritisieren kann. Rettungsdienst GmbH gibt es auch im Bereich der HiOrgs zuhauf mit ähnlichen Problemen)

     

    Richtig ist es den Ärztemangel in Deutschland zu kritisieren. Nur das Hauptproblem sehe ich im Fehlen von Landärzten im ländlichen Bereich. Viele der Notarzteinsätze könnten so schon im Vorlauf verhindert werden (durch bessere ärztliche Versorgung und Hausbesuche- wir fahren im Nachtdienst 3-5 Behandlungen vor Ort mit RTW und NEF).

    Richtig ist auch, dass jeder Rettungsassistent und Rettungssanitäter zur Lebensrettung ausgebildet ist. Eine lebensrettende Lysetherapie (nur auf dem NEF) bei einem Herzinfarkt oder eine Narkose mit Analgesie darf in Deutschland kein Rettungsassistent verabreichen .(Notkompetenz--> siehe Bundesärztekammer und HpG). Wenngleich das Wissen über die Anwendung dieser Sachen durchaus vorhanden ist. Stichwort: Paramedicsystem.

     

    Man sieht, dass man viele Punkte im derzeitgen System diskutieren kann. Entscheidungen sind vom Gesetzgeber zu fällen.

     

    Der Einsatz eines NEH im derzeitigen System macht in Einzelfällen bestimmt Sinn. Jedoch kompensiert er weiterhin nur bestehende Probleme und sollte nur mittelfristig eingesetzt werden. Wer sich dabei auf welche Art bereichern will ist dem Infarktpatient meiner Meinung nach ziemlich wurscht. Und da die Kosten hierfür durch die Krankenkassen getragen werden müssten würde man für einen NEH dieselbe Pauschale bekommen wie für einen NEF und diese bekommen alle (HiOrgs und Private).

  • T
    tifi

    @öko

     

    Doch das ist (leider) normal. Diese Autos sind fahrende Intensivstationen. Versuch mal eine Intensivstationen mit einer Autobatterie zu betreiben ;)

     

    Ne im Ernst:

     

    In einem Rettungswagen sind sehr viele Stromverbraucher installiert, die permanent Strom ziehen. EKG/Defi, Wärmefach für Infusionen, Kühlfach für Medikamente, Beatmungsgerät, Absaugpumpen usw.

     

    In den Fahrzeugen sind bereits zwei leistungsstarke Batterien verbaut, für mehr ist kein Platz.

     

    Kommt dann noch Beleuchtung innen oder außen oder Blaulicht und Warnblincker dazu sind die Batterien in 15-20 Minuten leer. Anschieben kann man einen 5-6,5 Tonner eher nicht...

     

    Die Fahrzeuge habe aus diesem Grund extra eine sogenannte "Motorweiterlaufschaltung"

     

    So kann man an der Einsatzstelle den Schlüssel abziehen, abschließen und den Motor laufen lassen. (Bricht jemand in den Rettungswagen ein und will damit losfahren geht der Motor aus.)

    So blöd wie es ist, es macht Sinn und geht nicht anders...

  • P
    Philipp

    @Hans: Ich glaube es ist eher so gemeint, dass man bei den Faällen, wo der Notarzt nicht gebraucht wird (70%), sogar schon zu 30% vorher weiß, dass man ihn nicht brauchen wird.

  • S
    Steffan

    "Bringt den Notarzt schneller zum Unfallort:"

     

    Genau das ist der Irrglaube mit dem seitens des KBA versucht wird Stimmung zu machen.

     

    Der Vorteil eines Hubschraubers ist niemals der, dass er einen Notarzt schneller zu Einsatzstelle bringt als ein bodengebundenes Einsatzmittel.

     

    Im Gegenteil. Im Regelfall ist der Hubschrauber bei zeitgleicher Alarmierung wesentlich später an der Einsatzstelle. Das liegt daran, dass so ein Hubschrauber erst mal ein paar Minuten braucht um starten zu können (oft müssen auch noch aktuelle Wetterdaten eingeholt werden), dann muss er sich einen Landeplatz suchen und zu guter Letzt kann ein Hubschrauber in den seltensten Fällen direkt an der Einsatzstelle landen, so dass die Besatzung bodengebunden zugeführt werden muss.

     

    Alles in allem habe ich es in 15 Jahren Rettungsdienst nur einmal erlebt, dass der Hubschrauber vor uns da war. (Und drehte sich der Rotor noch…)

     

    „Normaler“ Weise bekommt die Hubschrauberbesatzung einen durch den bodengebundenen Rettungsdienst versorgten Patienten zum Transport in eine weit entfernte Klinik übergeben.

     

    Der Vorteil liegt im schnellen und schonenden Patiententransport über weite Strecken. Also genau in dem was „KUNO“ nicht kann. Die Kiste ist überflüssig und dafür zu teuer…

  • T
    Tobias

    Liebe taz,

     

    64 "Einsätze" in 90 Tagen? ein echter Bedarf!

    Das ist ein schlechter Witz!

    Dazu muss auch gesagt werden, dass die Einsätze nicht zu Stande kamen weil kein bodengebundener Notarzt verfügbar war, sondern weil "KUNO" zufällig dichter dran war.

     

    Natürlich kann ich mich mit einem Rettungswagen in die Mitte von Hamburg stellen und stehe dann günstiger, manchmal.

    Aber daraus eine Versorgungslücke zu konstruieren, ist eine bodenlose Frechheit! Und wer soll das am Ende bezahlen? Ich hoffe, dass die Krankenkassen da hart bleiben.

     

    Aber so haben Private im Rettungsdienst schon immer agiert. Künstlich Bedarf konstruieren, mit dem man dann argumentieren kann.

     

    Der KBA will sein Geschäftsfeld erweitern und greift dabei auf billigste Polemik zurück.

    Wer soll es bezahlen wenn an jeder Gießkanne ein Hubschrauber steht?

     

    Gibt es da eigentlich einen Interessenkonflikt, wenn der Geschäftsführer eines e.V. auch der Geschäftsführer einer GmbH ist, die Hauptlieferant des e.V. ist?

    Hat es was zu bedeuten, dass Medicounter GmbH, Medirent GmbH und KBA e.V. die selbe Adresse und Telefonnummer haben? Da würde mich schon interessieren, wie viele Fahrzeuge dem KBA gehören und wie viele von Medirent gemietet sind... Nur um das "e.V." mal um rechten Licht sehen zu können wäre das schon interessant.

     

    Im übrigen stirbt in S-H kein Mensch weil kein Arzt zur Stelle ist. Auch wenn Herr Vollmar den Eindruck erwecken möchte. Wenn kein Arzt kommen sollte, retten die Rettungsassistenten Leben - das ist ihr Beruf, dafür sind sie ausgebildet und ausgerüstet.

  • K
    Öko

    Wie sieht's mit der Ökobilanz aus? Ich kann mir vorstellen das ein Hubschrauber wesentlich mehr verbraucht als ein Ambulanzwagen. Gerade im Rettungsdienst wird kaum auf Spritverbrauch geachtet. Heute ging mir auch wieder mal die Hutschnur hoch. Gegenüber stand ein RTW, und der Motor lief, bestimmt 25 Minuten. Das ist doch nicht mehr normal...

  • H
    Hans

    "In 70 Prozent der Fälle rücke ein Notarzt aus, ohne dass einer benötigt würde. In 30 Prozent der Fälle sein schon bei der Alarmierung klar, dass der Notarzt medizinisch nicht notwendig sei."

     

    Das klingt irgendwie so, als wäre ein Notarzt in 100% der Fälle überflüssig, oder wie ist diese Aussage gemeint?

  • MH
    Martina Horn

    Es fehlen Ärzte im Rettungsdienst in Schleswig-Holstein?

     

    Kann doch überhaupt nicht sein. Nach der Logik der KBA würde man dann also z. B. zehn nicht besetzte Landarztpraxen (Arztmangel) durch eine fliegende Arztpraxis retten wollen?

     

    Komisch, in Schleswig-Holstein gibt es doch im Gegensatz zu anderen Bundesländern ein zuverlässig besetztes bodengebundenes Notarztsystem.

     

    Martina H.