Streit um Nordkoreas Raketenabschuss: Morgenluft für Japans Premier
Japans Regierung will die nordkoreanische Rakete abschießen, falls deren Start misslingt und Trümmer über Japan niedergehen. Gerichtet sind die starken Worte vor allem an die japanischen Wähler.
TOKIO Seit Nordkorea den Start eines Telekommunikationssatelliten ins All angekündigt hat, ist in Japan heftige Betriebsamkeit ausgebrochen. Japan werde die nordkoreanische Rakete oder ihre Teile abschießen, sollte der Satellitenstart misslingen und Trümmer in japanisches Gebiet fallen, hieß es. "Wir werden alles eliminieren, was uns Schaden zufügen könnte", erklärte Verteidigungsminister Yasukazu Hamada am Freitag.
In den Nordprovinzen Akita und Iwate werden zwei Geschützbatterien für Boden-Luft-Raketen in Stellung gebracht. Die Gebiete liegen unter der angekündigten Raketenflugbahn. Zwei Zerstörer sollen auf dem Meer zwischen Japan und Nordkorea patrouillieren. Gleichzeitig beruhigte die Regierung die Bevölkerung. Der Absturz von Raketenteilen auf japanisches Gebiet sei unwahrscheinlich.
Hinter dem bisher beispiellosen Zerstörungsbefehl steckt auch politisches Kalkül von Premierminister Taro Aso. Er will der Bevölkerung damit seine Tatkraft demonstrieren und seine schlechten Unterstützungswerte vor der Parlamentswahl, die bis September stattfinden muss, verbessern. Denn Japan ist traumatisiert: Ende August 1998 hatte Nordkorea schon einmal eine Rakete über die Inselnation hinweggeschossen.
Ihre dritte Stufe war im Flug explodiert und in den Pazifik gestürzt. Dieser unangekündigte Raketenabschuss hatte das Land damals schwer schockiert. Die Konservativen hatten die Angst vor Nordkoreas Raketen genutzt, um die militärische Zusammenarbeit mit Washington auszubauen und der Armee trotz der pazifistischen Verfassung mehr Handlungsspielraum zu geben.
Der erneute Raketentest kommt Aso, der wegen seiner schwachen Reaktion auf die Rezession und aufgrund verbaler Fehlgriffe wenig Rückhalt in Partei und Bevölkerung hat, daher sehr gelegen. Der 68-Jährige wittert ohnehin Morgenluft, seit Oppositionsführer Ichiro Ozawa, Chef der Demokratischen Partei (DPJ), im Sumpf eines Spendenskandals versinkt. Anfang März hatte die Polizei seinen Sekretär wegen der Annahme von illegalen Parteispenden verhaftet. Ein Bauunternehmen aus dem Wahlkreis von Ozawa hatte seinem Büro umgerechnet 270.000 Euro zukommen lassen. Ozawa beteuerte, von der Herkunft des Geldes nichts gewusst zu haben und warf der Staatsanwaltschaft ein Komplott vor. Doch die Bevölkerung glaubt Ozawa nicht. Zwei Drittel forderten in einer Umfrage seinen Rücktritt.
Erstmals seit Monaten war Ozawa in einer Umfrage weniger beliebt als Aso. Der Regierungschef hat sich dazu bisher nicht direkt geäußert, weil dasselbe Bauunternehmen auch LDP-Politikern Geld zugesteckt hat. Lieber will Aso durch hartes Vorgehen gegen Nordkorea punkten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung