Streit um Herausgabe persönlicher Daten: Schlappe für die AfD

Überraschende Wende: Die Humboldt-Universität muss keine Namen von Studierendenvertreter*innen veröffentlichen.

Hier gab es Streit: Berliner Humboldt-Universität Foto: dpa

Im Streit um die von der AfD geforderte Herausgabe personenbezogener Daten von Studierendenvertreter*innen gibt es eine überraschende Wendung: Die Senatskanzlei hat bereits im Juni die Aufforderung an die Humboldt-Universität, diese Daten herauszugeben, nach Abstimmung mit der Datenschutzbeauftragten zurückgezogen. Das teilte sie jetzt auf taz-Anfrage mit – der RefRat der HU, der von der Namensoffenlegung betroffen gewesen wäre, wurde darüber nach eigenen Angaben bislang nicht informiert.

Der Hintergrund ist folgender: Nach Gerüchten und Presseberichten über angebliche Intransparenz im RefRat, der HU-Studierendenvertretung, hatte der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer im Januar 2018 eine Anfrage im Abgeordnetenhaus gestellt, die sich mit den Berliner Studierendenvertretungen befasste. Er forderte unter anderem die Offenlegung der Namen aller Referent*innen der Berliner Unis aus den letzten zehn Jahren.

Die Senatskanzlei lehnte das ab und verwies auf den Datenschutz ehemaliger Referent*innen. Die Freie und die Technische Universität schlossen sich dem an und gaben keine Informationen weiter, auch nicht zu aktuellen Referent*innen.

Lediglich die HU machte einen Alleingang: Sie drohte gegenüber dem RefRat mit einer Auskunftsklage, sollte eine Liste mit Klarnamen der aktuellen Referent*innen nicht dem Präsidium vorgelegt werden. Dieser Aufforderung kam der RefRat nicht nach, da er befürchtete, die Daten würden letztendlich der AfD in die Hände fallen.

Das Präsidium setzte seine Drohung im Juli 2018 durch und verklagte die eigene Studierendenvertretung. „Das hat nichts mit der AfD zu tun, sondern es hat was damit zu tun, dass insgesamt unsere Landesregierung die Leitung der Universität aufgefordert hat, ihrer rechtsaufsichtlichen Pflicht nachzukommen“, verteidigte Präsidentin Sabine Kunst die Entscheidung damals im Deutschlandfunk.

In dieser Woche übte der RefRat nun scharfe Kritik an der Senatskanzlei selbst: Die Studierendenvertretung habe erfahren, dass die Auskunftsklage der HU offenbar auf direkte Anweisung des zuständigen Staatssekretärs Steffen Krach erfolgt sei. „Wir waren bisher davon ausgegangen, diese Eskalation sei alleine auf das HU-Präsidium zurückzuführen“, schreibt die Studierendenvertretung in einer Pressemitteilung.

Erfahren habe das der RefRat nach einem dreiviertel Jahr Wartezeit durch einen Brief. „Nun hat sich unsere Befürchtung bestätigt, dass es auch im rot-rot-grünen Senat an politischer Sensibilität mangelt.“ Auf Anfrage der taz sagt Juliane Ziegler, Referentin für Lehre und Studium: „Krach kam in der Sache nicht auf uns zu und hat auch unsere Fragen nach der Existenz einer Weisung bis vor Kurzem ignoriert.“

Das Schreiben vom 13. Juli 2018 liegt der taz vor. Krach fordert Präsidentin Kunst darin auf, die Informationen bis Ende Juli bereitzustellen, da die Fragen zu den amtierenden Referent*innen noch offen seien. Falls die Daten bis zu einem Stichtag Ende Juli nicht vorliegen sollten, seien unverzüglich alle nötigen rechtsaufsichtlichen Schritte in die Wege zu leiten. Der RefRat habe die Informationen bereitzustellen, datenschutzrechtliche Hindernisse bestünden nicht. Davon ausgenommen seien lediglich Angaben über Zuständigkeitsbereiche, aus denen sich Rückschlüsse auf besondere personenbezogene Daten ziehen lassen wie beispielsweise zur sexuellen Orientierung.

Doch ein Jahr später sieht die Sache offenbar schon wieder ganz anders aus. Auf eine Anfrage der taz antwortet ein Sprecher der Senatskanzlei: „Eine Nennung der Namen gegenüber dem Parlament muss nicht erfolgen, gleichwohl müssen im Sinne der Hochschulöffentlichkeit die amtierenden RefRaf-Mitglieder und ihre Ämter der Hochschulleitung bekannt sein“, sagt der Sprecher. „Das haben wir der Leitung der Humboldt-Universität im Juni dieses Jahres schriftlich mitgeteilt und unsere Aufforderung vom Juli 2018 widerrufen.“

Sprich: Die Senatskanzlei ist mittlerweile davon abgerückt, die HU auf Herausgabe der Daten verpflichten zu wollen. Nach Abstimmung mit der Berliner Datenschutzbeauftragten unter der Berücksichtigung des neugefassten Berliner Datenschutzgesetzes habe die Verwaltung entschieden, der Datenschutz wiege in diesem Fall mehr als das Recht auf Auskunft.

Nur: Über diese Wendung wurde der RefRat offenbar nicht informiert. „Ich weiß davon nichts“, sagt Juliane Ziegler am Freitag auf Anfrage der taz. „Uns war das nicht bekannt und entsprechend überrascht und wütend bin ich gerade. Mit uns hat weder der Senat, noch das HU-Präsidium das Gespräch gesucht, was bezeichnend ist für die gesamte Auseinandersetzung: Man redet über, aber nicht mit uns“, sagt sie. Trotz aller Missverständnisse ist Ziegler aber zuversichtlich: „Es freut mich, dass der Versuch im Nachgang einer AfD-Anfrage mit allen Mitteln Namenslisten Studierender zu erstellen, vorerst gescheitert ist“, erklärt sie.

„Wir haben den RefRat nicht über diese Änderungen informiert, da sie für unsere Zusammenarbeit und die konstruktiven Lösungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, unerheblich sind“, sagt HU-Pressesprecher Hans-Christoph Keller auf taz-Anfrage. „Wir hoffen, auf Grundlage unserer gemeinsamen Vereinbarung in der Zukunft noch vertrauensvoller zusammenarbeiten zu können“, so Keller.

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