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Streit um Hartz-IV-VermögensprüfungSPD-Rechte stänkert gegen Gabriel

Der Vorschlag der SPD-Spitze, Vermögen bei Hartz IV nicht mehr anzurechnen, stößt in der eigenen Partei auf Kritik. Die Kanzlerin spricht von "Irrsinn", die Linkspartei fordert personelle Konsequenzen.

Fünf Jahre nach der Einführung von Hartz IV wird weiter heftig darüber debattiert. Bild: dpa

BERLIN dpa/afp/rtr | Der rechte Flügel der SPD hat den von der Parteispitze vorgeschlagenen Wegfall der Vermögensanrechnung bei Hartz IV kritisiert. "Ein vollständiger Wegfall der Vermögensprüfung widerspricht dem Grundsatz, dass nur der die Solidarität der Steuerzahler genießen kann, der dieser Hilfe auch tatsächlich bedarf", sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Garrelt Duin, der "Rheinischen Post" vom Dienstag. Eine Vermögensprüfung bleibe daher angezeigt. Duin lobte aber grundsätzlich die Vorschläge der SPD-Spitze: "Das Paket ist insgesamt geeignet, die gelungene Reform des Arbeitsmarktes und der Arbeitsvermittlung positiv weiter zu entwickeln, ohne deren strategische Ausrichtung in Frage zu stellen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt die Korrekturvorschläge der SPD entschieden ab. "Das bringt das soziale System durcheinander", sagte die CDU-Vorsitzende am Montag nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unions-Fraktion im Bundestag in Berlin. Sie bezog sich demnach auf die Forderung der Sozialdemokraten nach einem generellen Verzicht auf eine Vermögensprüfung bei Hartz-IV-Empfängern. "Damit könnten "Besitzer von sieben, acht Häusern Hartz IV beantragen. Das wäre der absolute Irrsinn", wurde die Kanzlerin zitiert.

Die von der SPD vorgeschlagene Schaffung eines "sozialen Arbeitsmarktes" mit 200 000 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen stufte Merkel als ursprüngliche Idee der Linkspartei ein.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kritisierte das Arbeitsmarktkonzept der SPD als rückwärtsgewandt und enttäuschend. "Die SPD arbeitet sich selber ab an Hartz IV", sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in der ARD. Sie forderte stattdessen eine Arbeitsmarktpolitik, die schneller, effizienter und genauer in der Vermittlung sei und den einzelnen Gruppen gerecht werden. "Der differenzierte Blick ist das Entscheidende für eine moderne Arbeitsmarktpolitik und nicht der Blick zurück." Sie warf der SPD zudem vor, den Sozialstaat durch eine vermögensunabhängige Bewilligung von Hartz IV aushöhlen zu wollen.

Auch von der Linkspartei kommt Kritik. Ihr stellvertretender Vorsitzender Klaus Ernst forderte die SPD zu personellen Konsequenzen nach ihrem inhaltlichen Kurswechsel auf. Eine veränderte Politik mit den Verantwortlichen für diese Reform wie Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder dem früheren Generalsekretär Olaf Scholz sei nicht glaubwürdig, sagte Ernst der "Berliner Zeitung". Dem politischen Kurswechsel müsse nun auch der personelle Wechsel folgen.

Die SPD-Spitze hatte am Montag Vorschläge präsentiert, die auf höhere Leistungen für Erwerbslose sowohl beim Arbeitslosengeld I als auch im Hartz-IV-System hinauslaufen. In ihrem Konzept "Fairness auf dem Arbeitsmarkt" plädiert die SPD wie die Gewerkschaften für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Auf einem "sozialen Arbeitsmarkt" sollen zudem 200.000 Erwerbslose, die sonst chancenlos wären, mit staatlicher Förderung sozialabgabenpflichtig beschäftigt werden. Zeitarbeit soll wieder stärker reguliert werden. Beim Arbeitslosengeld II soll auf jede Vermögensprüfung verzichtet werden.

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16 Kommentare

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  • S
    Sondermann

    Ich finde den Wegfall der Vermögensprüfung bei Hartz IV gar nicht schlecht. Besser wäre natürlich das bedingungslose Grundeinkommen, frei nach Götz Werner, aber bitte nicht mehrwertsteuer-finanziert, sondern mit einem Mix aus Maschinen-, Börsenumsatzsteuer und Einfuhrzöllen aus Billiglohnländern. Denn die Kapitallastigkeit von Investitionen, die Spekulation und die Billigproduktion gelten als die Hauptursachen von Arbeitslosigkeit hierzulande, und diesen Zustand sollte man verursachergerecht besteuern.

     

    Von der SPD erwarte ich nicht mehr als diese bescheidenen Korrekturen an ihrer armuts-erzeugenden Agenda 2010. Vielleicht besinnt sich Herr Gabriel ja doch noch seiner linken Ursprünge. Schönen Gruß an unsere gemeinsame Heimatstadt Goslar!

  • D
    dieLINKE

    Nehmen wir die Probleme im geburtenkapitalistischen Zuwanderermilieu und in der deutschen Unterschicht. Die Leute werden mit Hartz IV rundumversorgt und haben keinen Anreiz, sich Mühe zu geben. Langfristige Sozialleistungen machen die Leute handlungsmüde. Wenn die Kinder von den Eltern lernen, dass es normal ist, dass das Geld vom Amt kommt, wie sollen sie dann lernen, dass Geld erarbeitet werden muss? Das Wort von der spätrömischen Dekadenz ist nicht weit hergeholt, nur dass es in vielen Haushalten heute statt „Brot und Spiele“ nur noch Döner und Spielkonsole gibt.

    Weg von Stütze auf Lebenszeit ! ! !

  • M
    Marek

    Rudolph Dressler und Siegmar Gabriel sind Teile der SPD-Rechten, Seeheimer Kreis. Gabriel begann allerdings in Goslar als extremer Linker und endet nun im Konflikt um eine Scheindebatte wieder als Linker? Irgendwie stimmt an der Darstellung etwas nicht, vielleicht stimmt auch was nicht mit Gabriel. Garrel Duit jedenfalls spricht Klartext: Bitte noch zehn Wahlen verlieren, jeden Genossen mit Vorname kennen - da will er offenbar hin. Und weit ist es wohl auch nicht mehr. Bei der NRW-Wahl gibt es die nächste kalte Dusche für die Partei und Gabriel wird dann wahrscheinlich auch ein paar Schuldige haben: Seeheimer, Rechte, Steinmeier, Nahles - nur nicht Schlucki-Kraft, die wird xyz - und redet weiter, als ob's einen Dauerkarneval gibt.

  • C
    claudia

    Ich halte das Ganze mal wieder für eine Schau, mit der man naive Wähler ködern will.

    Es wird vorgeschlagen, künftig arbeitslos Werdende etwas glimpflicher zu behandeln als die in den vergangenen 7 Jahren Hatz4-Geschädigten. Wobei die bis jetzt Zwangsverarmten natürlich nicht entschädigt werden sollen.*

    Dann kommt erwartungsgemäß der "Seeheimer Kreis" und motzt.

    Dann muß man die internen Differenzen mit einem "Kompromiss" beseitigen. Nach der Wahl in NRW, versteht sich.

     

    ---

    *Überdurchschnittlich betroffen von Hatz4 sind Menschen, die bei der Kündigung des Arbeitsvertrages älter als 50 waren: von Arbeitsämtern gleich als "schwer vermittelbar" gesehen. Bei der eigenen Suche 1 Vorstellungspräch / 75 Bewerbungen, dieses ausschließlich bei Arbeitszuhältern.

    Der einst durch jahrzehntelange Beitragzahlung erarbeitete Rentenanspruch ging Jahr für Jahr weiter zurück. Mit gelegentlichen Zeitarbeitsjobs konnte man an der Rente nicht reparieren, aufgrund des niedrigen Lohns.

    Also: Rente kaputt + Ersparnisse weg.

    Damit wurde ein Pool an Armutsrentnern geschaffen, der bis zum Exitus "zuverdienen" muss und als Lohndrücker eingesetzt werden kann.

    Dieser Pool, da sind SPD, ob Seeheimer oder nicht, CDU und "F"DP einig, muß erhalten bleiben.

  • S
    Schlaubi

    @Fritz:

    Propaganda-"Weisheiten" nachzubeten ist auch keine Form von Intelligenz. Wenn Sie eine ausgewachsene Sozialisten-Phobie haben sind Sie hier vielleicht auch schlecht aufgehoben. Da wäre eventuell die Blöd-Zeitung die bessere Wahl, und Sie dürfen sich dann auch über Welt, FAZ, Zeit und Süddeutsche langsam ans Denken rantasten.

    BTW: Gerechtigkeit ist auch nicht bei Milliardengewinnen Hungerlöhne und keine Steuern zu zahlen.

     

    @dieLinke:

    Hier ein Blödzeitungs-Zitat zu posten ist gewagt. Ihnen scheint zumindest nichts peinlich zu sein. Haben Sie sich mal überlegt, was nach den 5 Jahren ist? Da sollten Sie aber den Zaun um Ihr klein Häuschen deutlich höher ziehen, sonst holt man Sie da raus. H4 ist ein jetzt schon unzureichendes Stillhalte-Abkommen, wenn die Leute vor dem Verhungern stehen, haben Sie keine ruhige minute mehr. Aber wer Blodzeitung zitiert verstehts nicht besser.

  • SS
    stefan schieler

    Dass Immobilien beim Antrag auf Hartz 4 von der vermögensprüfung ausgeschlossen sind, ist nicht richtig !

    Bei der Bewilligung wird sehr wohl auf die Angemessenheit der Immobilie geachtet. Im Klartext, wer Eigner einer Luxusvilla ist , bekommt nach Abschluss der Vermögensprüfung kein Hartz 4.

    Hier wird sehr wohl auf die Lage, den Verkehrswert, die Anzahl Personen im Haushalt geachtet.

    Das wird analog zum Antrag auf Wohngeld gehandhabt.

  • M
    Moritz

    Früher war ich auch mal für Hartz IV. Ich selbst war nämlich nicht von den Kürzungen betroffen und unser Staat ist hoch verschuldet, so dass mir Kostenersparungen und eine Belebung des Arbeitsmarktes als geeignetes Mittel erschienen. Letztlich haben aber die Hartz-Reformen nichts bewirkt. Da fast ausschließlich im unteren Lohnsektor unattraktive, miserabel bezahlte, Stellen geschaffen wurden, die niemand haben möchte. Viele Familien und ihre Kinder leben heutzutage wegen den Hartz-Reformen in Armut. Und das obwohl die Kosten für Sozialleistungen nicht gesunken, sondern noch gestiegen sind! Auch macht es wenig Sinn den Arbeitssuchenden zu drohen, wenn es einfach nicht ausreichend Stellen gibt. Der Aufschwung aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 wäre auch ohne HartzIV gekommen, alle anderen Behauptungen sind eine volkswirtschaftliche Lüge. Die Konjunkturbelebung hatte ihren Beginn nicht im Inland sondern im Ausland, so dass die deutschen Konzerne mehr Waren exportieren konnten und viel Geld verdient haben. Kurzum: Diese Reform ging total daneben. Bitte abschaffen!

  • D
    dieLINKE

    Die gefürchtete Wahrheit:

    Alle Parteien , sowie auch die meisten Medien rücken die wahren Ursachen der Langszeitarbeitlosigkeit nicht gern raus . Veränderungen sind dabei so einfach - siehe :

    http://www.bild.de/BILD/politik/2010/03/16/hartz-iv-zahlung/experte-gunnar-heinsohn-fordert-staat-soll-nur-5-jahre-hartz-iv-zahlen.html

  • JK
    Juergen K

    Wir danken Frau von der Leyer für die Kürzung von 700 Mio für die Vermmittlung von Arbeitslosen.

     

    Quelle:

    http://www.derwesten.de/wp/region/Programm-fuer-Arbeitslose-bleibt-unter-den-Erwartungen-id2714538.html

  • S
    Staatsbürger

    Da sieht man es wieder:

    Die SPD ist nach rechts bzw. liberal gewandert und hat die CDU dabei teilweise überholt. Deswegen erscheint die CDU nun vielen linker als früher. Der Linksruck hat somit gar nicht stattgefunden.

    Der Seeheimer Kreis und weite Teile der SPD leiden an der Aufsteiger Krankheit: Vorbild 200%tig kopieren. In den USA sind das die Neo-Cons und die Neo-Liberalen.

     

    Mit "tollen" Einzelmaßnahmen und Vorschlägen aus der Opposition heraus kann die Linke nicht unter 5 Prozent gebracht werden. Da ist ein sozialdemokratisches Konzept gefragt, um die Probleme des Landes auch mal zu lösen und nicht noch unnötig zu verschlimmern.

  • J
    jan

    Ich rufe die letzten fünf Sozialdemokraten in der SPD auf, die USPD zu gründen. Der Erfolg wird gewaltig sein, darauf verwette ich eine Kiste Montechristo.

  • F
    FRITZ

    @Gerechtigkeit: Gute Idee. Zug-um-Zug könnte man vielleicht die Hälfte der CDU und der CSU an die SPD abtreten. Sozialismus mit Lederhosen - fast genau so unsympathisch wie alle anderen Formen von Sozialismus.

     

    Ansonsten gilt: Gerechtigkeit ist nicht, wenn manche auf Kosten anderer mehr konsumieren können.

  • G
    Gerechtigkeit

    Der Seeheimer Kreis der SPD sollte der Ordnung halber gleich zur CDU wechseln. Da gehört er nämlich hin.

    Er ist die Bremse der SPD und sonst nichts weiter.

    Von Sozial ist da nämlich ebenfalls keine Spur mehr.

  • H
    Hannes

    SPD-Rechte ... die gelungene Reform des Arbeitsmarktes und der Arbeitsvermittlung ...

     

    Wie betrunken sind diese SPD-Rechten eigentlich? Das kann doch nicht der Ernst dieser Truppe sein? Unter gelingen versteht der Normalmensch nachvollziehbare Erfolge - und genau die vermisse ich gerade bei Hartz-IV. Die Ankündigungen waren ja superdick und nach dieser Zeitrechnung wären wir wohl wirklich nahe der Vollbeschäftigung.

    Sind wir aber nicht. Im Gegenteil: Wir sind bei 8 Millionen Menschen, die von ALGII (Hartz) leben.

     

    Und es gibt diese Trends:

     

    Steigende Kinderarmut

    Keine Vermittlung in Arbeit

    Konflikte rund um die ARGE und das Gesetz

    = Sozialgerichte sind vollständig überlastet

    Frust und Ärger auf beiden Seiten

     

    Wirklich profitiert haben nur dubiose Vermittler, die sich die Welt schön schreiben und immer wieder engagiert werde, ob sie nun eine Erfolgsquote von 12 Prozent oder 10 Prozent haben, von den anivisierten 30 Prozent will niemand mehr sprechen.

     

    Bei dieser Gemengelage sollte selbst die SPD-Rechte Eitelkeiten und Bedenken schnell über Bord werfen. Denn, was die Rechten kritisieren, ist nicht mal im Ansatz eine Lösung für die SPD. Als Beck einen ähnlichen Ansatz verfolge, demontierte Johannes Kahrs (auch Seeheimer, SPD-Rechte) in Flensburg den Vorsitzenden und schoß aus allen Rohren.

    Diese Haltung hat der SPD nicht nur Sympathien, sondern auch Stimmen gekostet.

    In Wirklichkeit muss die SPD sich insgesamt sozialpolitisch neu erfinden, alles andere wird ihnen sogar noch schaden.

  • U
    upupintothebluesky

    Die Liebe der SPD zu ihren Hartz-IV-Reformen ist grenzenlos.

    Einmal Hartz-IV-Partei immer Hartz-IV-Partei!

  • M
    MenschMeia

    Da schreit die SPD-Rechte wider besseres wissen, sie lügen quasi.

    Ein Haus/Häuser sind von Anfang an von der Vermögensprüfung bei Hartz4 ausgenommen.

    Drauf geht nur das ersparte Geld der Menschen.

    D.h. mit diesem Vorschlag würde lediglich eine Gleichheit der Behandlung von Hartz4 Empfängern mit Immobilienbesitz und solchen mit Geldersparnissen hergestellt.