Streit um Hafenquerspange: Große Koalition gegen Trasse
Umweltschützer, Verkehrsplaner und Anwohner wollen Senat zu Verzicht bewegen. Die geplante Hafenquerspange sei schädlich für den Stadtteil und überflüssig.
HAMBURG taz | Die Wahl ist vorbei, aber der Kampf gegen die Hafenquerspange geht weiter. Ein Bündnis von Kritikern wirbt für einen Stopp der Autobahnplanung quer durch Wilhelmsburg: Sie sei teuer, unnötig und schade der Elbinsel, warnen der Umweltverband BUND, Vertreter der Einwohnerschaft und der Verkehrsplaner Hartmut Topp.
Dagegen hat der designierte Wirtschaftssenator des SPD-Senats, Frank Horch (parteilos), im Wahlkampf betont, dass die Hafenquerspange für ihn Priorität habe.
Die Verbindungsstraße hatte ursprünglich von der A 7 parallel zur Köhlbrandbrücke und quer über den Spreehafen zur A 1 führen sollen. Damit wäre Wilhelmsburg von der Innenstadt abgeschnitten und der städtebaulich gewünschte Sprung über die Elbe konterkariert worden. Die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) hatte diese Kritik aufgenommen und die Linienführung überprüfen lassen.
Das Ergebnis war eine Querspange weiter südlich: im Bogen um Moorburg herum und dann am Südrand Wilhelmsburgs entlang zur A 1. Der Abschnitt in Wilhelmsburg soll zum größten Teil in einen Trog gelegt werden, der teilweise überdeckelt würde. Glücklich sind viele WilhelmsburgerInnen auch mit dieser Lösung nicht.
In den Augen der Planer würde die Querspange eine Lücke im Autobahnnetz schließen, den Ost-West- und den weiträumigen Hafenverkehr bündeln und die Wohnquartiere entlasten. Außerdem würde es die Spange leichter machen, den Hafen anzufahren. Sie biete "gesamtwirtschaftliche Vorteile".
Der künftige Senator Horch, ehemaliger Chef der Werft Blohm und Voss, würde nach taz-Informationen auch gerne die Federführung für den Bereich Verkehr übernehmen. Im Hamburger Abendblatt hatte er sich während des Wahlkampfes für ein "Verkehrskonzept Süd" ausgesprochen.
Die Hafenquerspange soll als Autobahn die A 7 mit der A 1 verbinden.
Kosten: 715 Millionen Euro, die der Bund bezahlen müsste. Im Bundesverkehrswegeplan ist das Projekt aber nicht als dringender sondern nur als "weiterer Bedarf" und damit nachrangig eingestuft.
Bauwerk: Eine Autobahn von 9,4 Kilometern Länge würde südlich um Moorburg herum führen und parallel zur Kattwyk-Brücke die Süderelbe überqueren. Dafür wäre eine 800 Meter lange und 50 Meter hohe Brücke nötig. Am Südufer der Elbinsel würde die Autobahn zum Schutz der AnwohnerInnen in einen Trog gelegt und zum Teil überdeckelt.
Naturschutz: Unter ökologischen Gesichtspunkten ist die aktuelle Variante die schlechteste. Wie der Naturschutzbund Nabu aufzählt, kommen im Bereich der Trasse 53 Pflanzenarten der Roten Liste vor; 44 davon sind in Hamburg gefährdet oder stark gefährdet, weitere neun bundesweit. Auch der streng geschützte Moorfrosch und 82 Brutvogelarten, von denen zwölf gefährdet sind, hausen in dem Gebiet.
Dazu gehöre, dass die A 26 durch das Alte Land weitergebaut werde. Nach der aktuellen Planung würde sie mit der Hafenquerspange bis zur A 1 verlängert. "Da geht es mir nicht um die Trassenführung, sondern darum, dass dieses Projekt zügig realisiert wird", sagte Horch.
Der Verkehrsplaner Hartmut Topp, der auch im Kuratorium der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg sitzt, hält so eine Autobahn für fehl am Platz und überflüssig. "Das ist für mich eine Straße, deren Verkehrswert bisher nicht ausreichend nachgewiesen ist", sagt er.
Der Hafen könne auch ohne diese Autobahn langfristig weiter wachsen. Als Lückenschluss zwischen der A 26 / A 7 und der A 1 sei sie unnötig, weil sie ja nur den kleinen Umweg über Maschen ersparen würde. Dafür belaste sie aber einen Raum, der ökologisch sensibel und ohnehin schon von Verkehrsachsen durchschnitten sei.
"Es ist verkehrsplanerisch anerkannte Praxis, überregionalen Autobahnverkehr nicht durch Stadtgebiete zu führen und Lückenschlüsse im Autobahnnetz nicht in einem bereits so vorbelasteten Raum wie Wilhelmsburg zu suchen", sagt Topp.
Die gewählte Variante sei aus ökologischer Sicht besonders schlecht, findet der Umweltverband BUND. "Nicht mit uns!", sagt Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Die geplante Trasse durchschneide Hochstaudenflure und beeinträchtige gefährdete Arten wie die Bekassine, den Kiebitz und den Moorfrosch. Sie drohe mit dem Bundesnaturschutzgesetz in Konflikt zu geraten und stehe daher rechtlich auf tönernen Füßen.
Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel verweist darauf, dass von der ursprünglichen Begründung, die Querspange entlaste die Innenstadt, nichts mehr übrig sei. Den Ost-West-Durchgangsverkehr über die Elbinsel zu leiten, sei kontraproduktiv. Schließlich wolle der Senat ja in Wilhelmsburg Wohnungen bauen und Binnenentwicklung betreiben.
Als Verlängerung der A 26 würde die Hafenquerspange mit der vor ein paar Jahren verlängerten S-Bahnlinie 3 nach Stade konkurrieren. Im Übrigen zeige der Masterplan Hafen der Hamburg Port Authority (HPA), dass die Querspange für den Hafen nicht benötigt werde, findet Rothschuh.
In dem Masterplan spielt die Hafenquerspange nur eine untergeordnete Rolle. Dagegen wird betont, dass "eine leistungsfähige und ihrer Erschließungsfunktion gerecht werdende südliche Hafenerschließung auch nach Realisierung der Hafenquerspange Süd" erhalten werden müsse.
Entscheidend sei es, die Freizone aufzuheben - was 2013 geschehen soll. Außerdem müssten das Verkehrsmanagement und die Haupthafenroute von der Köhlbrandbrücke über den Veddeler Damm verbessert werden.
Noch 20 Jahre gibt die HPA der Köhlbrandbrücke. Spätestens dann müsse sie ersetzt werden. Der Neubau werde schätzungsweise 340 Millionen Euro kosten plus 64 Millionen Euro für den Abbruch. "Der Bund wird entweder eine neue Köhlbrandbrücke oder eine Hafenquerspange finanzieren", prognostiziert Rothschuh. "Der künftige Senat muss entscheiden, was wirklich notwendig ist."
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