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Streit um E10Die Ökotricks der Autobauer

Eine "Geschichte der Täuschungen": E10 mit einer Beimischung von Agroethanol gibt es nur, weil sich die Autoindustrie dem Klimaschutz verweigert hat.

Irritationen und Ärger über den Kraftstoff E10 reißen nicht ab. Bild: dpa

BERLIN taz | E10 gibt es vor allem aus einem Grund: weil die deutschen Autobauer nicht ökologisch genug sind. Denn die Beimischung von Agroethanol ist die Folge davon, dass sich vor allem die deutschen Autokonzerne jahrelang geweigert haben, niedrigere Verbrauchswerte für ihre Produkte zu akzeptieren.

Um Daimler, BMW & Co. vom Druck zu befreien, ihre Autos effizienter zu machen, wurde 2005 von der großen Koalition die Idee mit dem E10-Sprit entwickelt. Jetzt fällt der Politik ihre Nachgiebigkeit gegenüber der Industrie auf die Füße.

Denn E10 steht für einen der größten Flops in der deutschen Umweltpolitik: die Selbstverpflichtung der europäischen Autoindustrie, in der die deutschen Unternehmen den Ton angaben, zur Senkung des CO2-Ausstoßes. Um eine verbindliche EU-Regelung zum Spritverbrauch zu verhindern, versprach der Dachverband der europäischen Autobauer (ACEA) 1998, in den zehn Jahren bis 2008 den durchschnittlichen Verbrauch eines Neuwagens auf 140 Gramm Kohlendioxid zu senken.

Doch dann investierte in den Zeiten des Wirtschaftsbooms am Beginn der 2000er Jahre vor allem die deutsche Autoindustrie lieber in Vierradantriebe als in Sparmodelle. Das versprochene Ziel wurde verfehlt: 2008 lagen die Durchschnittswerte bei 154 Gramm. Die Konsequenz aus der gescheiterten Selbstverpflichtung war 2005 eine EU-Richtlinie, die die Grenzwerte für die Flotten bis 2015 auf 130 Gramm festschreibt.

"Geschichte der Tricks und Täuschungen"

Darüber hinaus sollen im gleichen Zeitraum 120 Gramm erreicht werden durch zusätzliche Maßnahmen wie die Einführung von Reifen, die besser rollen - und eben der erhöhten Beimischung von Ethanol. E10 half also den Autokonzernen, größere Anstrengungen bei Effizienz und Gewichtsreduzierung zu ersparen. Jetzt wurde genau diese Maßnahme durch die verwirrenden und verwirrten Ausführungen eines BMW-Ingenieurs auch noch zusätzlich diskreditiert - ehe die bayerischen Autobauer dieses Statement wieder zurücknehmen mussten.

Michael Müller, jetzt Chef des Umweltverbandes "Naturfreunde" und zu Zeiten des E10-Deals parlamentarischer Staatssekretär im SPD-Umweltministerium unter Sigmar Gabriel, nennt E10 "eine Geschichte der Tricks und Täuschungen". Die Beimischung ziele "nicht auf den Klimaschutz, sondern hat viel zu tun mit der Weigerung der Autoindustrie, sich für mehr Klimaschutz zu engagieren".

Überraschend ist das nicht. Denn die Autoindustrie nimmt ihr Ehrenwort traditionell nicht sonderlich ernst: Schon 1990 hatten die deutschen Autobauer versprochen, trotz wachsenden Autoverkehrs "ihren Teil dazu beizutragen", den CO2-Ausstoß des Verkehrs bis 2005 um mindestens 25 Prozent zu verringern. Ergebnis 2005: ein Rückgang um zwei Prozent.

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16 Kommentare

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  • A
    Anti-OekoFa

    Wenn jemand wie der SPD-Mueller von Tauschungen spricht, der soll sich auf eigene Nase fassen! Es war der Mueller und sein Chef Gabriel, die sog."Oeko-Sprit" eingefuehrt haben. Diese Duo war eine Katastrophe - auch weil fuer die Einfuehrung von hochtoxischen "Oeko"-Quecksilber-Gluehbirnen verantwortlich ist. Und jetzt versuchen die SPD und Gruenen, mit den "halte den Dieb"-Taktik sich aus der Veratwortung zu ziehen...

  • KW
    Klein Wagen

    @horas: Geniale Idee! Alle Spritschlucker könnten "120"-Aufkleber bekommen (oder "100" oder was auch immer), sparsame Autos dürften frei fahren.

     

    Oder vielleicht auch als verbrauchsbezogenes Tempolimit: Jedes Gramm oberhalb 120g CO2 wird vom Tempolimit 120 abgezogen (130 g CO2 = 110 km/h). Unter 120 g freie Fahrt.

     

    Vielleicht würde das den Kauf sparsamer Autos schneller ankurbeln als alle Werbekampagnen ;-)

  • D
    Demokratin

    Zunächst einmal reden wir hier von Bioethanol und damit dann auch vom Biosprit und nicht von "Agro..."

     

    Bioehtanol wurde in der jüngeren Vergangenheit von den Grünen als ökologisch wertvoll propagiert und nun, da es flopt und zudem sozial bedenklich (Sprit statt Nahrungsmittel) ist, kurzerhand verteufelt.

     

    Soviel zum Thema Aufrichtigkeit der "alternativen" Partei, die diesbezüglich schon sehr lange in einer Liga mit CDU, FDP, SPD, Linke und Co. spielt.

     

    Desweiteren werden spritfressende Autos gekauft, weil das 3-Liter-Auto so gut wie niemand fahren möchte (siehe VW Lupo etc.), denn es ist nicht sexy.

     

    Emotional sprechen den Konsumenten nunmal verbrauchsstarke Fahrzeuge (Sportwagen, SUVs, Limousinen, etc.) an. Schuld daran ist auch nicht das böse Marketing der Autoindustrie, sondern die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen. Welche Autos einen anmachen und welche nicht, ist auch kaum an den Kulturkreis gebunden. Ein Porsche ist z.B. in den USA genauso ein Traumauto, wie in Brasilien, China, den arabischen Ländern oder in Rußland.

     

    Zu glauben, wann müsse den Konsumenten nur entsprechend zu einem spaßfreien, aber dafür ökologisch wertvollen Bewußtsein erziehen, ist weltfremd und sollte spätestens seit Zusammenbruch des Sozialismus jedem klar sein.

     

    Der Autoindustrie und den Mineralölkonzernen Gier zu unterstellen ist richtig und auch gut so, denn auch sie wird von Menschen betrieben bzw. besessen, die genauso gierig sind wie der kleine Angestellte, der Politiker oder der Hartz IV Empfänger.

     

    Einzig über das Geld kann man daher auch den Kraftstoffverbrauch senken, wenn Autofahren nämlich aufgrund des Kraftstoffpreises so teuer wird, daß es sich nur noch Besserverdiener oder Spritsparer leisten können.

  • V
    vic

    Die Autobauer werden auf freiwilliger Basis gar nichts tun, und die Regierung wird sie nicht zwingen.

    Unabhängig davon kommt die Regierung an einem Tempolimit meines Erachtens jetzt nicht mehr vorbei.

    Und die Abgeordneten sollten mit ihrem eigenen Fuhrpark ein Zeichen setzen.

    Diese Fahrzeuge liegen ausnahmslos weit jenseits aller Grenzwerte.

  • H
    horas

    Das effektivste wäre ein Tempolimit für autos mit einem ausstoss mit mehr als 120 g.

     

    Ohne Tempolimit E-Autos und alles was halt drunter liegt. Ich glaube dann würde die Nachfrage Sprunghaft steigen. ;)

     

    Ich glaube ich werde E10 nie verstehen.

  • D
    daweed

    endlich ein kompletter Artikel. Viel besser als das (Schnellschuss)-Kommentar von gestern!

  • A
    autobauerfreund

    Die Art, wie man den „Bio-Sprit“ in den Markt hineinzwingen will, ist symptomatisch für die seit Jahren praktizierte Gesetzgebung: Den Lobbyisten wohl, den Anderen Wehe, das Ganze vermengt mit einer gehörigen Portion zielgerichteter Aktion, Ahnungslosigkeit, Unfähigkeit und gutem Willen zu „guten Sache“.

    Mit „umweltfreundlichem Biosprit“ und untauglichen Umweltzonen gaukelt man Aktivität für die Umwelt vor, tatsächlich werden alte, billige Autos aus dem Verkehr gezogen.

    Man schaue einmal die entsprechenden Maßnahmen in der medizinischen Versorgung / Krankenkassen / Alters- u. Krankenbetreuung / Pharma – Mafia an.

    Man nehme die Neugliederung und den Umbau der Bundeswehr mit all den unerledigten Baustellen. ( Wehrpflicht, Beschaffung untauglicher Waffen und Geräte, mangelnde Kostenkontrolle etc.)

    Nach wie vor kranken wir nicht an einer „Finanzkrise“ sondern an einer Bankenkrise, deren Ende weder erkennbar noch überschaubar ist, u.a. weil wirksame Regularien gezielt verhindert werden.

    Kleine landwirtschaftliche Betriebe werden „kaputt gefördert“ zugunsten der Agrarindustrie.

    Der Bedrohung durch Genmanipulation, insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich - wird man nicht gerecht.

    Die Einkommen breiter Bevölkerungsschichten wurden zielgerichtet unter das Existenzminimum gesenkt. Sozialsysteme finanziell ausgehöhlt, Kranken- und Altervorsorge werden sträflich vernachlässigt, zuungunsten späterer Generationen, die den Reichtum einiger Weniger finanzieren.

    Die Mittelschicht wird mehr und mehr weg gebrochen.

    So gesehen, ist die Causa „Biosprit“ allenfalls ein Ausrufungszeichen. Nicht nur für deutsche-, sondern europa- und sogar weltweite Verhältnisse.

  • F
    FAXENDICKE

    Klimaschutz ist eh sinnlos, denn mit jedem Gramm Kohlendioxyd welches in Europa und sonstwo eingespart wird, hauen Inder, Chinesen und andere Staaten ein vielfaches mehr wieder in die Atmosphäre.

    Es geht wie immer nur ums große abkassieren und da ist diesen geldgeilen Gewinnmaximierern jedes Mittel recht.

    Wer Getreide und andere Lebensmittel verbrennt, verbrennt auch Menschen, erst recht wenn jetzt schon täglich weit über 20.0000 Menschen hungers sterben.

  • OB
    Otto Bronnert

    Eine weitere Gabe (hier) an die Automobilindustrie. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Da lügen und betrügen (hoffentlich kopieren sie nicht auch noch heimlich) unsere Politiker/-innen aus dem neoliberalen Lager (cduspdfdpgrüne), die grünen diesmal etwas verhalten. Ich vermute, dass sie für das Bakschisch aus dem Automobillager honoriert werden will. Scheiß was auf den Umweltschutz etc..

  • P
    Pfälzer

    Ein wirklich effektiver Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes wäre die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen - aber da sich niemand mit der Automobilindustrie bzw. deren Lobbyisten anlegen will, kommen nur (im wahrsten Sinne des Wortes!) Schnaps-Ideen wie E10 zustande.

  • BS
    Bernd S.

    Die Automobilindustrie ist böse, klar! Aber leider gibt es noch gaaaaanz viele andere böse Menschen: Die, die deren Autos kaufen nämlich. Und zwar die dicken, fetten Autos, die jede Menge Sprit fressen. Ich fahre selbst ein Auto der bösen deutschen Automobilindustrie (VW Polo Blue Motion) und blase deswegen bei entsprechender Fahrweise deutlich weniger CO2 in die Luft als andere. Aber wenn alle das täten! Dann würde die böse Industrie nur solche Autos herstellen weil sie ihre fetten Panzer nicht mehr los würden. Eigentlich ganz einfach, oder? Wenn die Regierung jetzt auch noch die Privatisierung der Bahn zurück nähme und das Streckennetz entsprechend ausbaute, könnte ich sogar mit der Bahn zur Arbeit fahren (was derzeit dreimal solange dauert wie mit dem Wagen in meinem Fall) und es gäbe noch viel weniger CO2 Ausstoß. Aber die Regierung wird ja leider gewählt - von wem eigentlich? Genau! Dumm gelaufen.

  • PA
    Peter Adam

    Bei all dem Gezerre erzählt niemand den Autofahrern was wirklich Sache ist. Das nämlich für die Gewinnung des Ethanol-Zusatzes, Agrarflächen geplättet werden, auf denen man genug Nahrung produzieren könnte um etliche hungernde Menschen zu ernähren. Ganz davon zu schweigen das die Einführung von E10 ein Milliardengeschäft für die Automobilindustrie und die Ölkonzerne darstellt.

    Lobbyarbeit vom feinsten würd´Ich sagen.

    ann wacht dieses Volk eigentlich auf, stellt die Glotze aus, und bewegt sich geschlossen nach Berlin um diesen Vollpfosten da mal die Meinung zu geigen?

    Ich jedenfalls bin stinksauer, auch wenn Ich kein Autofahrer bin. Dafür bin Ich Patriot, und Ich könnte ausrasten, wenn Ich sehe wie dieses Land vorsätzlich an die Wand gefahren wird.

  • A
    Autofreier

    Ach ja, die böse industrie trickst wieder ...

     

    Seht es doch mal so: die deutsche autoindustrie reißt sich den arsch auf, damit das autovolk seine traumwagen fahren kann.

     

    Wer etwas gegen CO2 hat soll doch einfach das autofahren einstellen.

  • T
    Tom

    Die parlarmentarische Demokratie -Politik -, ein Erfüllungsgehilfe der Industrie.

  • IF
    Ingo Franßen

    Wozu E10? Wer wirklich weniger ökologisch schädlichen Treibstoff in die Luft puste will, fährt weniger Auto, sorgt für ein Tempo-Limit auf Autobahnen und hat - wenn überhaupt - ein kleineres Auto mit eiem genügsameren Motor.

  • T
    Tom

    Es wäre doch ganz einfach, nehmt die gierigen Ölmultis endlich in die Verantwortung, die sind es doch die und ihren Sch... verkaufen wollen.