Streit um Bahnprivatisierung: Mehdorn drängelt weiter
Am Montag tagt die entscheidende SPD-Arbeitsgruppe zum umstrittenen Bahnverkauf. 70 Prozent der Deutschen wollen eine Bahn in komplett öffentlichem Besitz.
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG fordert eine baldige politische Entscheidung zur Privatisierung des bundeseigenen Mobilitätskonzerns. "Das Unternehmen, seine Kunden und die Mitarbeiter brauchen Klarheit und Sicherheit", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Müller nach einer Sitzung des Kontrollgremiums am Freitag in Berlin. Vorstandschef Hartmut Mehdorn sagte, die Strategie als weltweit tätiger Mobilitäts- und Logistikanbieter müsse fortgesetzt werden. Die Erfolge auch für Arbeitsplätze in Deutschland könnten "bei richtiger Weichenstellung" noch ausgebaut werden. Beschlüsse zur Privatisierung standen bei der turnusmäßigen Sitzung nicht an. Am Montag will Mehdorn die Jahresbilanz 2007 der Bahn vorstellen.
Ebenfalls am Montag tagt dann erstmals ein Gremium, das die Weichen für die Zukunft des Bahnkonzerns stellen wird: eine SPD-interne Arbeitsgruppe zur Teilprivatisierung der Bahn, die den Parteigremien einen Vorschlag unterbreiten soll. In der SPD tobt ein Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern der Privatisierung. Hat sich die SPD auf eine Linie geeinigt, könnte sie mit ihren Koalitionspartnern von der Union in Verhandlungen treten und die Privatisierung noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen.
Ein Mitglied der Arbeitsgruppe ist der Privatisierungskritiker Hermann Scheer. Er erwartet, dass die Befürworter der Teilprivatisierung am Montag ihr Holdingmodell vorlegen. Bislang sei es zwischen den beteiligten Bundesministerien für Finanzen und Verkehr - beide SPD-geführt - noch nicht bis in Detail abgestimmt. Im Kern sieht das Konzept die Aufspaltung der DB AG in eine Netz- und in eine Transportgesellschaft vor. Der Bund soll alleiniger Eigentümer des Netzes werden, während die Transportgesellschaft mit bis zu 49 Prozent an Finanzinvestoren gehen soll. Scheer kündigte an, er werde ein alternatives Modell vorlegen.
Das Holdingmodell widerspreche dem Beschluss des Hamburger SPD-Parteitages, kritisierte Juso-Chefin Franziska Drohsel am Freitag. Die Bahn wäre kein integrierter Konzern mehr, zudem hätten private Investoren Einfluss auf das Unternehmen. Wenn das Versprechen des Parteitages gebrochen werde, "wird an der Basis der Teufel los sein", warnte Drohsel. Notfalls könne es einen Sonderparteitag geben.
Um einen solchen Parteitag einzuberufen, müssten mindestens zwei Fünftel von insgesamt 26 SPD-Landes und -bezirksverbänden dafür votieren. Derzeit werde von der Parteispitze bereits Druck auf die Landesverbände ausgeübt, auf so einen Schritt zu verzichten, heißt es in der SPD. Deshalb denken Privatisierungskritiker auch darüber nach, einen Mitgliederentscheid herbeizuführen. Dieser Entscheid kommt zustande, wenn in einem ersten Schritt, dem Mitgliederbegehren, zehn Prozent aller Parteimitglieder dafür stimmen.
Ein die Privatisierung ablehnendes Votum der Mitglieder, das einen möglicherweise verkaufsfreundlichen Parteivorstand alt aussehen ließe, ist durchaus wahrscheinlich. Auf dem Hamburger Parteitag sei die Stimmung privatisierungskritisch gewesen, so Juso-Chefin Drohsel. Das bestätigt eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Bündnisses "Bahn für alle". Demnach lehnen 70 Prozent der Bürger jegliche Bahnprivatisierung ab. Unter den SPD-Anhängern sind es 73 Prozent. Sogar unter FDP-Anhängern finden sich 57 Prozent Privatisierungsgegner.
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