Streit um Akw-Milliarden: Länder wollen auch Geld haben
Mindestens 50 Milliarden Euro würde an Mehrgewinnen durch die längeren Akw-Laufzeiten entstehen. Nun wollen auch die Länder etwas davon abhaben. Derweil protestiert Österreich.
BERLIN dpa/afp/rtr/taz | Bayern und Hessen wollen an den Zusatzeinnahmen aus dem Atomkompromiss der Bundesregierung beteiligt werden. Die Hälfte des Geldes sollten in die Standortländer fließen, sagte der bayerische Umweltminister Markus Söder der Süddeutschen Zeitung.
Die Bundesländer mit Atomkraftwerken bräuchten das Geld, um die Energiewende zu schaffen. "Je mehr Kernenergie ein Land hat, desto höher sollte der Anteil an den Mitteln sein." Zudem sollten Standortländer ein Mitspracherecht bei der Verwendung der zusätzlichen Milliarden bekommen. Unter anderem sollten künftig neue Speichertechnologien und Elektromobilität vom Bund gefördert werden, sagte der CSU-Politiker.
Auch Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich verlangt für ihr Bundesland Anteile aus dem Atomkompromiss. "Die Länder müssen an den Einnahmen beteiligt werden, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien in hohem Maße in den Ländern erfolgt", sagte die CDU-Politikerin der Zeitung. In den nächsten Tagen gebe es Gespräche, "um zu sehen, um welche Beträge es gehen kann und wie das ausgestaltet werden kann."
Die schwarz-gelbe Koalition hatte sich vor gut einer Woche auf längere Laufzeiten für die 17 deutschen Atomkraftwerke geeinigt. Zudem soll eine Brennelementesteuer für die Betreiberkonzerne dem Staat bis 2016 Einnahmen von jährlich 2,3 Milliarden Euro bringen.
Österreichs Bundeskanzler beklagt Laufzeit-Verlängerung
Derweil kritisiert Österreich die Pläne der Bundesregierung. Besonders stört den Nachbarn das 33 Jahre alte Atomkraftwerk Isar I, das rund 80 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt liegt. Es müsse umgehend abgeschaltet werden, hatte Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich am Wochenende gefordert.
Nun legte der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann nach. "Das Beunruhigende ist: sie haben den Beschluss zurückgenommen, verändern jetzt die Zeit obwohl die Endlagerung überhaupt nicht gelöst ist", sagte er dem Salzburger Sender ServusTV. "Wer sich heute anschaut, was bei Ölbohrungen im Meer passieren kann, was mit der Umwelt an Zerstörung passieren kann, weiß, dass Kernenergie keine Zukunft ist, die wirklich vergleichbar ist etwa mit einer umweltfreundlichen Technologie wie das Wasserkraftwerke und Sonnenenergie ist."
Öko-Institut beharrt auf höhere Gewinnschätzung für Konzerne Das Berliner Öko-Institut bleibt derweil bei seiner Gewinnkalkulation für die Stromkonzerne: Die längere Akw-Laufzeiten könne den Betreibern Zusatzgewinne zwischen 54 und 94 Milliarden Euro einbringen. Die Regierung rechnet dagegen mit rund 50 Milliarden Euro Zusatzgewinnen für die Akw-Betreiber. In einer am Montag in Berlin veröffentlichten Erklärung wies das Institut Vorwürfe unter anderem von Eon-Chef Johannes Teyssen zurück, wonach diese Gewinnprognose unglaubwürdig sei. Zugleich legte das Öko-Institut eine aktualisierte Analyse vor, die weitere Details der Regierungspläne einbezieht.
Teyssen hatte dem Institut vorgeworfen, die Kosten für die Erzeugung von Atomstrom zu niedrig anzusetzen. Der Forschungskoordinator Energie und Klimapolitik des Öko-Instituts, Felix Matthes, verwies dazu auf die Preise an der Strombörse in den Jahren 2000 bis 2004: "Wenn die Erzeugungskosten so hoch wären, wie von Eon jetzt behauptet, hätten in diesen Jahren alle deutschen Kernkraftwerke wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt werden müssen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!