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Streit in Bremens BerufsbildungswerkGelebte Hierarchie

In Bremens größtem Ausbildungsbetrieb beklagen MitarbeiterInnen und Betriebsrat die „Gutsherrenart“ des Chefs. Der jedoch ist sich keiner Schuld bewusst.

Bremens größter Ausbildungsbetrieb: das Berufsbildungswerk Foto: Wikimedia Commons

Bremen taz | Es war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, als der Chef des Berufsbildungswerks einem Mitarbeiter drohte. Der hatte gesehen, wie Geschäftsführer Torben Möller im Auto saß – mit einem Handy am Ohr. Per Handzeichen wies er seinen Chef darauf hin. Der stieg prompt aus und fragte, was das solle. Als der Mitarbeiter Möller erklärte, es sei doch verboten, am Steuer zu telefonieren, platzte dem Chef der Kragen: Er drohte mit einem Personalgespräch. Schon per sofort verbot er dem Mitarbeiter, die hauseigene Autowäsche in Anspruch zu nehmen.

Der Mitarbeiter arbeitet seit 37 Jahren im Berufsbildungswerk Bremen (BBW), einer Ausbildungsstätte für Jugendliche mit Behinderung. Träger der Einrichtung ist der Sozialverband Deutschland, finanziert wird das BBW von der Arbeitsagentur und der Rentenversicherung. Das Ziel ist, Menschen mit Einschränkungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Beim betroffenen Mitarbeiter hat das geklappt: Er ist selbst behindert, hat im BBW seine Ausbildung gemacht und arbeitet bis heute dort. Er ist beliebt bei KollegInnen und SchülerInnen, gerade wegen seiner immer hilfsbereiten, couragierten und geradlinigen Art.

Als die KollegInnen und der Betriebsrat von dem Zwischenfall erfahren, sind sie empört. Der Betriebsrat verschickt ein Rundschreiben an die Belegschaft, das der taz vorliegt. Und gleich mehrere ehemalige und aktuelle MitarbeiterInnen entschließen sich, mit dieser Geschichte und weiteren Missständen an die Öffentlichkeit zu gehen. Unabhängig voneinander wenden sie sich an die taz. Aus Angst vor ihrem Chef wollen sie lieber anonym bleiben. Möller sei nämlich klagefreudig und habe ein „Klima der Angst“ geschaffen.

„Klima der Angst“

Die Vorwürfe, die sie der taz schildern, reichen von heimlichen Sonderzahlungen über Vetternwirtschaft bis hin zur Einschüchterung von MitarbeiterInnen. Der Rundbrief des Betriebsrats stützt sie: Der Chef regiere nach „Gutsherrenart“, heißt es dort, sein Vorgehen sei eine „Zumutung gegenüber der Belegschaft“. Die Geschäftspolitik sei intransparent, zudem würden Mitarbeiter ungleich behandelt. Auch ein der taz vorliegender offener Brief vom Lehrerkollegium der betriebseigenen Berufsschule kritisiert Torben Möllers repressives Verhalten.

Mitarbeiter berichten der taz, dass der Betriebsrat wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten die Gehaltslisten kontrolliert habe. Der Betriebsrat habe nach der Kontrolle bei einigen Zahlungen nachgehakt, wofür diese gewesen seien. Der Geschäftsführer habe sie daraufhin zurückgenommen – die Zahlungen sei ein „Versehen“ gewesen.

Zudem genieße Geschäftsführer Möller regelmäßig Vorteile, indem er die verschiedenen Ausbildungswerkstätten für private Zwecke nutze. Es kursieren im Betrieb sogar Gerüchte, dass Azubis des Berufsbildungswerks sein Segelboot aufgepolstert hätten. Im Berufsbildungswerk gibt es einen Gastrobetrieb sowie Holz- und Metallwerkstätten, die der Geschäftsführer immer wieder für private Zwecke genutzt haben soll.

Der eine ist Ökonom, der andere Sozialpädagoge – die Ansichten sind diametral

Torben Möller, Geschäftsführer Berufsbildungswerk

In seinem Rundbrief beklagt der Betriebsrat, er werde inzwischen von Vorstellungsgesprächen ausgeschlossen. Das sei bei einem Tendenzbetrieb wie dem BBW nur zulässig, wenn der Betriebsrat unterrichtet werde. Davon könne allerdings keine Rede sein: „Im BBW geht es aktuell bei einigen Einstellungen zu wie bei Hofe“, heißt es in dem Rundbrief. Kriterien für die Bewerberauswahl und deren Anzahl blieben vollkommen im Dunkeln: „Es darf nicht reichen, wenn der Arbeitgeber Frau/Herrn XY einstellen möchte, weil seine beste Qualifikation ein privater Bezug zu einer Leitungsperson ist.“

Auf taz-Nachfrage bestätigte ein Mitglied des Betriebsrates Inhalt und Echtheit des Rundschreibens. Kurzfristig wolle sich jedoch niemand aus dem neunköpfigen Betriebsrat äußern, die Vorsitzende sei gerade im Urlaub. Klar ist aber: Der Betriebsrat klagt nun auf seine Mitbestimmungs- und Informationsrechte und auch wegen verschiedener anderer Missstände.

Geschäfstführer sieht „Schreihalstum“

Für den Geschäftsführer selbst sind die Vorwürfe des Betriebsrates „Schreihalstum“. Möller sagte der taz: „Es ist albern, persönlichen Proporz zu unterstellen.“ Natürlich komme es infolge von persönlichen Beziehungen auch mal zu einer Bewerbung im BBW: „Man ist auf einer Kohlfahrt und wird gefragt, ‚Was machst du denn so?‘ und dann wirbt man natürlich für sein Unternehmen“ – das sei doch vollkommen normal. Zur Klage des Betriebsrats gegen den Ausschluss aus Bewerbungsgesprächen sagt Möller, dass er zunächst den Ausgang des Rechtsstreits abwarten wolle.

Von Sonderzahlungen hingegen will Möller nichts wissen. Man habe lediglich fünf Mitarbeiter versehentlich falsch eingruppiert: „Das kann schon mal passieren bei 500 Leuten“, so Möller. Man zahle regulär nach Tarif für den öffentlichen Dienst. Die Betroffenen müssten nun Lohnsteigerungsrunden aussetzen. Und die verschiedenen Gewerke des BBW dürften alle MitarbeiterInnen nutzen: „Alle Mitarbeiter dürfen etwa bei den Tischlern eine alte Schranktür reparieren lassen, wenn es in ein Ausbildungsprojekt passt.“ Es sei ungerecht, wenn ihm das nicht ermöglicht würde – und selbstverständlich müsse jeder dafür zahlen. Ein Segelboot habe Möller im Übrigen nicht. „Ich habe nur eine Jolle und da gibt es gar keine Polsterung.“

Angesprochen auf anonym kolportierte Einschüchterungen gegenüber Mitarbeitern sagt Möller: „Der eine ist Ökonom, der andere Sozialpädagoge – die Ansichten sind diametral.“ Die entscheidende Frage sei jedoch, welcher Stil zum Ziel führe. „Hierarchie leben ist auch mal wichtig“, sagt Möller.

So ordnet der Chef auch die Auseinandersetzung um das Handy am Steuer ein: „Mein Fahrzeug stand“, sagt er, „deswegen habe ich nicht falsch gehandelt.“ Er respektiere die Meinung des Mitarbeiters natürlich, aber „der muss mich auch respektieren als der, der ich bin: sein Vorgesetzter.“

Nun will er den Mitarbeiter noch mal zu einem Gespräch auffordern. Möller sagt: „Wenn er seinen Fehler auch einsieht, lasse ich sämtliche Sanktionen fallen.“

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2 Kommentare

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  • Die „Gutsherrenart“ der Leitung des BBW`s ist wahrscheinlich erblich. Erst seit 1997 der Geschäftsführer Herr Meyer-Rockstedt und dann sein Neffe, Herr Dr. Torben Möller, als Nachfolger seit 2015, sprechen Bände in der Kontinuität der „Gutsverwaltung“.

    Persönliches Beispiel: Der Betriebsratsvorsitzende, Herr M. Müller, geht am 31.12.14 in Rente, dito auch der Geschäftsführer Herr Meyer-Rockstedt, allerdings mit letzten Schreiben an Herrn Müller: Er habe unnötige Reibungsverluste verursacht und den Betriebsfrieden gestört. Die Konsequenz ist ein lebenslanges Hausverbot. (s.a. taz-Artikel vom 21.5.15).

    Für mich war das nicht nachvollziehbar.

    Ich habe im BBW von 1978 bis 1984 als Fachbereichsleiter E-Technik und als gewählter Betriebsrat, sowie von 1990 bis 2006 als Ausbildungsleiter gearbeitet. Wegen des Hausverbots habe ich mich an den Präsidenten des SozD, an Frau A.Nahles (Bundesministerin für Arbeit, sie war 2015 zu einem Besuch im BBW eingeladen) und an Betriebsräte anderer BBW`s gewendet mit der Bitte um Stellungnahme und dem Ziel der Rücknahme des Hausverbots (s.a. Blog //blog.betriebsrat.de/ .... Es erfolgte keine Rücknahme.

    Herr Dr. Möller war nur wg. des Kurzbesuchs von Frau Nahles zu einem Gespräch mit mir am 16.4.2015 bereit. Ich saß nicht nur ihm, sondern auch seinem Onkel, Herrn Meyer-Rockstedt und dem Prokuristen gegenüber. Das Gespräch war an Schärfe und Wut von Herrn Dr. Möller und Herrn Meyer-Rockstedt nicht mehr zu überbieten (mein Vorgehen sei unverschämt bezügl. der Schreiben an Frau Nahles, den Präsidenten des SovD und an die Betriebsräte anderer BBW`s, es sei betriebsschädigend, störe den Betriebsfrieden, wirke aufrührerisch im Betrieb). Herr Dr. Möller erbat sich Bedenkzeit. Ich erhielt am 24.4.2015 ein Schreiben: Lebenslanges Hausverbot um ..„den Betriebsfrieden zu wahren“ .. und „aus Verantwortung gegenüber rund 220 aktiven und engagierten Mitarbeitern...“

    Hier schließt sich der Kreis, nach „Gutsherrenart“ zu schalten und zu walten!

  • Die in Ihrem Artikel beschriebene Vorgehensweise des Geschäftsführers Dr. Möller gegen die Belegschaft des Berufsbildungswerkes hat betriebliche Tradition. Kritischen und konstruktiven Vorschläge aus der Belegschaft, die nicht in den hierarchischen Führungsstil der Leitung passen, wird systematisch mit Drohungen begegnet. Dabei wird auch vor der gewählten Interessenvertretung der Belegschaft nicht Halt gemacht. Mitbestimmung und offene Meinungsäußerung passen nicht ins Weltbild des Geschäftsführers. Teamarbeit und Akzeptanz Andersdenkender wird ausgehebelt oder unterdrückt. Daraus erwächst ein unerträgliches Betriebsklima, das keinerlei Augenhöhe zwischen Belegschaft/Betriebsrat und Leitung möglich macht. Wenn ein Geschäftsführer Kritik und Meinungsäußerung als „Schreihalstum“ abqualifiziert und behauptet, dass „diametrale Ansichten zwischen Ökonomen und Sozialpädagogen“ existieren, wenn er auf Einschüchterungen von Mitarbeitern antwortet „ Hierarchie leben ist auch mal wichtig“, zeigt dieses nur, mit welcher Arroganz berechtigte Belegschafsinteressen behandelt werden. Diese Grundhaltung führt dann dazu, dass ein Kollege, der die Unfehlbarkeit des Geschäftsführers in Frage stellt (Handy im PKW) reglementiert wird und sich zum Schluss auch noch entschuldigen soll. Der omnipotente König bin ich! Liegt mir zu Füssen! Was für eine Betriebskultur !

     

    Nach 36 Berufsjahren im Berufsbildungswerk und ähnlichen Erfahrungen, kann ich die Kolleginnen und Kollegen nur beglückwünschen, dass sie diese mittelalterlichen Methoden öffentlich darstellen, nur so sind Veränderungen möglich.

    Zum Schluss stellt sich die Frage was eigentlich der Träger des Berufsbildungswerkes, der Sozialverband Deutschland, der auch in den Kontrollgremien der Einrichtung vertreten ist und den Anspruch hat, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen zu dieser Gutsherrenmentalität sagt. Bisher jedenfalls war Schweigen die einzige Regung.

    Michael Müller

    (ehemaliger Betriebsratsvorsitzender BBW)