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Streit im KünstlerhausRache auf Kosten der Kollegen

In der früheren Patzendorfer Brauerei in Friedrichshain arbeiteten 70 Künstler. Einer von ihnen hat wegen eines Streits das Ordnungsamt gerufen. Jetzt müssen alle raus.

Kunst (hier in Braunschweig) ist nicht immer konfliktfrei. Bild: dapd/ap, Jens Meyer

Auf den ersten Blick ist die Geschichte einfach: Arme Künstler arbeiten in einem leer stehenden Fabrikgebäude. Dann kommt ein reicher Investor und kauft das Haus. Um die Künstler los zu werden, ruft er das Ordnungsamt. Das stellt gravierende Baumängel fest und schließt das Haus, die Künstler sind von einem auf den anderen Tag heimatlos. Doch im Friedrichshainer Künstlerhaus "LA54" liegt der Fall deutlich anders.

Denn das Ordnungsamt hatte nicht der Neu-Eigentümer gerufen, sondern einer der Künstler, der eine Galerie auf dem Gelände betrieb. Weil er mit seinem Vermieter, dem Pächter der ehemaligen Patzendorfer Brauerei in der Landsberger Allee 54, zerstritten war und sich weigerte, die Miete zu bezahlen, musste er ausziehen. Um sich zu rächen, verpfiff er den Pächter beim Ordnungsamt. Das stellte bei einer Begehung vor 14 Tagen so gefährliche Mängel in der Bausubstanz fest, dass es das Haus mit sofortiger Wirkung für jeglichen Publikumsverkehr schloss. Die rund 70 KünstlerInnen, die seit vier Jahren in dem auch Friedrichshöhe genannten Backsteinensemble leben und arbeiten, dürfen jetzt nur noch ihre Sachen holen.

"Wir wurden hintergangen", klagt Gustav Kleinschmidt, Sprecher der Künstlerinitiative LA 54, die einige derjenigen Leute vertritt, die auf dem Gelände neben Ateliers auch eine Galerie, ein Kino, einen Club und einen Biergarten betrieben. Kleinschmidt fühlt sich von drei Seiten verraten: vom Mieter, der das Amt rief. Vom Pächter Daniel Künzel, der den Künstlern Ateliers vermietete, ohne dafür eine baurechtliche Genehmigung zu haben. Und vom Hauseigentümer, der Estavis AG, die auf dem Gelände der ehemals größten Brauerei Europas "Luxuswohnungen" plane und mit dem Pächter einen heimlichen Deal vorantreibe statt mit den Künstlern zu reden.

Quatsch, wiederspricht Künzel. Dass es irgendwann vorbei sein würde mit der Zwischennutzung, sei schon länger klar. Daher hat der Pächter vorgesorgt und ein Atelierhaus in Hohenschönhausen gekauft. Direkt gegenüber des ehemaligen Stasi-Gefängnises will er einen neuen Kulturstandort aufbauen. Rund 30 Mieter nimmt er aus der Patzendorfer Brauerei mit. Mit dem Eigentümer habe er einen Vertrag bis Jahresende - mit Option auf monatliche Verlängerung bis zum geplanten Umzug nach Hohenschönhausen im Frühjahr. Das Kulturprogramm für das erste Halbjahr 2012 sei bereits fertig gewesen.

Für Künzel ist das vorzeitige Ende des Künstlerhauses das Werk eines böswilligen Mietertrios, das ihm seit einiger Zeit mit Zahlungsverweigerung, Anzeigen und Klagen das Leben schwer gemacht habe - weil es angeblich selbst gern das Haus übernehmen wolle. Nur diesen Querulanten sei es zu verdanken, dass "eine schöne Ära voller toller künstlerischer Projekte und Gemeinschaftsgeist" so abrupt zu Ende gehe.

"Von uns aus hätten die Künstler ruhig noch bleiben können", betont auch Estavis-Vorstand Florian Lanz. Die Pläne für Wohnungen und Gewerbeeinheiten auf 8.400 Quadratmetern seien noch in der Entwicklungsphase. Einen Zeitdruck, das Gebäude zu leeren, gebe es nicht. Dass die Künstler jetzt vom Ordnungsamt zum Auszug genötigt werden - noch vor Weihnachten sollen die Umzugswägen nach Hohenschönhausen rollen -, findet Lanz "schade, aber baurechtlich einsichtig". Das Gebäude sei baufällig, es regne durchs Dach, es gebe ungesicherte Brüstungen und keine Heizung. Das sei schon so gewesen, als man die Immobilie im Mai erworben habe. Den Pachtvertrag von Künzel habe man vom Voreigentümer mit übernommen, es habe nie Probleme gegeben. Für die Sicherheit seiner Untermieter hafte aber der Pächter, für Haftungsfragen oder interne Zwistigkeiten sei man nicht verantwortlich.

152 Wohnungen im gehobenen Preissegment sollen auf dem Areal einmal entstehen, an der Ecke Richard-Sorge-Straße sollen sich Gesundheitsdienstleister wie Heilpraktiker, Psychologen oder ein Hammam ansiedeln. In der ehemaligen Trinkhalle könne man sich auch wieder Kunst vorstellen, so Lanz. Natürlich werde sich die Miete beträchtlich erhöhen. 43 Millionen Euro wolle die Estavis AG in die denkmalgerechte Renovierung des Backsteinkomplexes stecken. Billig werde der Raum also nicht.

"Es ist schade, dass sich Estavis weigert, mit uns zu verhandeln", sagt Kleinschmidt. Aber an den Stadtrand lasse man sich nicht drängen. Künzels Angebot, nach Hohenschönhausen zu ziehen, sei für ihn und ein paar Kollegen keine Option. Kleinschmidts Fraktion will nun den grünen Bezirksbürgermeister Franz Schulz und den Atelierbeauftragten des Landes, Florian Schöttle, um Unterstützung bei der Suche nach einem alternativen Quartier bitten. Einen Vorschlag liefert Lanz von der Estavis AG: Gleich gegenüber der Brauerei, im Sport-und Erholungszentrum (SEZ), gebe es freie Atelierflächen.

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7 Kommentare

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  • B
    bleepie

    Unter dem Stichwort "Quantum Bau/Arne Piepgras + Friedrichshöhe" hätte Frau Apin im Internet schnell heraus finden können dass den Künstler hier sehr wohl ein langfristiges Arbeiten in ein sg. “mikro-wirtschaftliches Kreativzentrum” in Aussicht gestellt wurde..

     

    Der Artikel folgt zu kritiklos der wirre Logik des verantwortungslosen Pächters Daniel Künzel, der das Haus umsonst vom Besitzer verwenden dürfte und sich nie um die Sicherheit des Hauses hat kümmern wollen. Die Künstler wurde pro Monat mehr als 10.000 Euro Miete abgeknöpft; damit hätten Instandsetzungen leicht finanziert werden können.

     

    Alle Künstler waren zum 31 Oktober gekündigt und Estavis bot keine Verlängerung an, nur eine kurze Duldung für Künstler die genötigt werden mit Künzel nach Hohenschönhausen zu ziehen.. Jetzt wo Estavis im Artikel auf einmal behauptet, die Künstler hätten ruhig noch bleiben können, kann man den Verantwortlichen nur auffordern doch zügig die notwendige bauliche Verbesserungen vorzunehmen und das Künstlerhaus nicht zu schliessen. Immerhin ist nichtmal der Umwidmungsantrag von Gewerbe zur Luxusflats vom BVV behandelt worden, der Ausgang ist offen. Man kann dabei nur raten, das Kunsthaus während dieser Zeit von fähige, gewissenhafte Leute führen zu lassen, die Kunst mehr lieben als Geld.

  • VW
    von wegen SEZ

    Da spielen jetzt im ehemaligen Wellenbecken Deppen Volleyball auf Sand oder so'n Schwachsinn. "Investor" bezahlte 1 Euro und Schwimmengehen wie vereinbart geht immer noch nicht.

    Am besten die ehemalige größte Drogenproduktionsstätte ab reissen. Passt viel besser zu dem neuen Scheiß daneben, für den man ein ganzes Wald- und Wiesenbiotop vernichtet hat. Beton muß her! Und dann mal endlich einen neuen Namen für die Stadt. Berlin ist das schon lange nicht mehr.

  • Y
    yberg

    so,so ESTAVISag is als neuer eigentümer nicht haftbar.

     

    aber hallo ,wie ware es denn ,wenn der bezirk noch mal nen verantwortlichen rumschickt-es ist ja gefahr im verzug-und dem eigentümer die entsprechenden verkehrssicherungspflichten auferlegt.

     

    der vorstand der ag hat übrigens mit seiner aussage nicht zu haften schwachstellen-in dem fall unkenntnis des vorstands- im risikomanagement des unternehmens aufgedeckt.der angestellte der aktionäre hat noch ganz andere pflichten im rahmen seiner vermögensbetreuungspflicht,die man ihm bei der nächsten hauptversammlung lautstark in die hirnwindungen blasen sollte.

    seit wann haften denn mieter bzw, untermieter für die verkehrssicherheit eines gebäudes

     

    auf jeden fall erklärt die unkenntnis des vorstandsden preisverfall der aktie von schlapp 3o auf 1,8 euronen

  • A
    anonymous

    was ein quark:

    ein windiger 'entwickler', hier pächter genannt, findet investoren zum kauf größerer immobilien dadurch, dass er ihnen die finanzierung als übergangsweise nutzung als atelierhaus schmackhaft macht:

    die bekloppten künstler zahlen also einen guten teil der nebenkosten zzgl. abzhalung für das objekt (i.d.r. so um die 5,50,- euro), bis sie nicht mehr gebraucht werden.

    ob die objekte dabei überhaupt für die künstler tauglich sind, interessiert die 'entwickler', hier pächter genannt, dabei herzlich wenig: hauptsache es findet sich ein blöder, der zahlt. dabei ist klar, dass in diesem fall pächter und eigentümer über den voreiligen auszug der künstler betrübt sind: immerhin gehen ihnen dabei einige tausend euro durch die lappen.

    was in dieser stadt fehlt sind atelierbeauftragte, die künstlern helfen, selber die schrott-immobilien, die sie über ie jahre abbezahlen, zu erwerben.

    alles andere ist lug und trug!

    apropo: in den uferhallen im wedding und im stattbad, ebenfalls im wedding, läuft es doch vergleichbar: das patentrezept für windige entwickler lauter auch hier: erstmal auf kunsthaus machen,- dann, wenn alles so einigermaßen läuft: raus mit den künstlern und noch mehr knete schäffeln. denn allein deshalb erwirbt man ja immobilien dieser größenordnung.

  • A
    alcibiades

    @demokrat:

     

    Sie sind einer von denen, die gern Dinge wie "Recht so!" und "Auf frischer Tat ertappt!" rufen mögen, gell?

     

    @davidcelan:

     

    es geht doch deutlich darum, dass hier ein ehemaliger Nutzniesser aus Rechthaberei und Rache die Behörden informiert hat. Einen Masterplan zur kulturellen Rodung Berlins kann ich hier nicht erkennen. Wenn Künstler sich untereinander streiten, kann es halt auch mal richtig hässlich werden.

     

    @wowereit:

     

    arm, sexy und die Bauvorschriften ignorierend. Die Stadt braucht mehr Ateliers, Proberäume und dergleichen, und zwar nicht immer das baufälligste vom baufälligsten. Was nun, Herr Bürgermeister?

  • D
    Demokrat

    Absolut richtig die Leute raus zuschmeißen! Sicherheit geht auf jeden Fall vor!

  • D
    davidcelan

    ziemlich bitter! einer beschwert sich, alle müssen gehen.

    das SO36 sollte dicht machen, weil sich ein anwohner von dem lärm belästigt fühlte.

    der kollwitz - markt muss umziehen, weil sich eine anwohnerin vom "lauten" publikum belästigt sieht.

    beinahe alle clubs im prenzlauer - berg mussten wegen ähnlicher vorfälle schließen.

    aber dahinter steckt der politische wille, die berliner subkultur entgültig zu brechen damit die stadt endlich widerspruchslos boomen kann.