Streit der Woche: Özdemir für Deutsch-Quote
Eine Berliner Schule mit hohem Migrantenanteil will eine Klasse mit 50 Prozent Deutsch-Muttersprachlern etablieren. Brauchen Problemschulen eine Deutsch-Quote? Ja, sagt Grünen-Chef Özdemir.
BERLIN taz | Grünen-Chef Cem Özdemir hält eine Mindestquote von Schülern mit guten Deutschkenntnissen an Problemschulen für sinnvoll. "Schulen in sozialen Brennpunkten müssen für Mittelschichtsfamilien attraktiver werden", schreibt Özdemir im Streit der Woche der sonntaz. "Ansonsten stimmen die Eltern mit den Füßen ab, wodurch sich die Segregation weiter verschärft."
In Berlin-Wedding hat die Gustav-Falke-Grundschule, in der fast 90 Prozent der Kinder aus Einwandererfamilien kommen, eine Deutsch-Quote beschlossen. 2010 garantiert sie Eltern, dass die Hälfte der Schüler einer Klasse Deutsch als Muttersprache sprechen. Die andere Hälfte muss zumindest einen gutes Sprachniveau aufweisen. Parallel dazu soll es an der Schule Klassen für Kinder mit Schwächen in Deutsch geben.
Özdemir schreibt, Klassen für Kinder mit guten Deutschkenntnissen könnten ein Weg sein. Darin sollten allerdings auch Kinder aufgenommen werden, die weniger gut Deutsch können. "Gerade sie profitieren von diesem Umfeld mit am stärksten, ohne dass es den anderen Kindern schadet." Der Grünen-Politiker verlangt auch eine bessere Ausstattung der Schulen in sozialen Brennpunkten und eine engere Zusammenarbeit mit den Kindergärten.
Den ganzen "Streit der Woche" finden Sie in der sonntaz vom 24./25.10.2009 - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.
"Klar ist, diese Klasse eckt an", schreibt die Berliner SPD-Politikerin Dagmar Hänisch. Sie ist Bildungsstadträtin im Berliner Bezirk Mitte, zu dem die Schule mit dem neuen Modell zählt. Um die Mittelschicht zu erreichen, sei mehr nötig als motivierte Lehrer, wirksame Sprachförderung, Qualität und individuelle Förderung. Es müssten außergewöhnliche Wege gegangen werden -- so wie in derGustav-Falke-Grundschule.
Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster lehnt das Modell ab. "Die Quote in der Schule setzt viel zu spät an und bleibt an der Oberfläche des Problems", schreibt der CDU-Politiker in der sonntaz. In Stuttgart, wo 40 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund hätten, sei Sprachförderung Kernaufgabe im letzten Kita-Jahr. Zudem müssten die Milieus durch eine zielgerichtete Wohnungspolitik bewusst gemischt werden. "Wenn Türken, Kroaten, Griechen, Aussiedler und Deutsche in einem Haus leben und keine Gruppe dominiert, dann verständigen sich alle auf Deutsch."
Auch die Berliner Erziehungswissenschaftlerin Petra Stanat ist gegen Deutsch-Quoten an Schulen. Grundsätzlich sei eine Mischung von Schülern unterschiedlicher Herkunft wünschenswert. Dies durch Quoten zu erzwingen, sei allerdings unrealistisch. "Stattdessen sollte versucht werden, die Angebote von Schulen in schwieriger Lage so zu gestalten, dass diese für privilegierte Familien wieder attraktiv werden."
Im Streit der Woche äußern sich außerdem die Linskpartei-Politikerin Sevim Dagdelen, taz.de-User Andreas Hasenkopf und die Mutter Angelika Klein-Beber, die ihre Kinder bewusst auf eine Schule geschickt hat, die eine durchmischte Schülerstruktur hat.
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