Streit der Woche: Ist der Politbetrieb umfragehörig?
Ständig werden Umfragewerte veröffentlicht - auch wenn keine Wahl ansteht. Kritiker beklagen die „Wettkampf-Berichterstattung“ - zu Recht?
Vielleicht wäre die aktuelle Krise der FDP gar nicht so groß, wenn nicht ständig Umfragen dokumentieren würden, dass die liberale Partei bei einer Bundestagswahl derzeit nur fünf Prozent bekäme – obwohl die nächste Wahl erst in drei Jahren ansteht.
Trotzdem muss sich der Vorsitzende Guido Westerwelle permanent für den Absturz in den Meinungsumfragen rechtfertigen. Auch die Kanzlerin gerät wegen sinkender Beliebtheitswerte unter Druck. Sogar der SPD-Vorsitzende, hat das ZDF-Politbarometer gerade gemeldet, habe sie überflügelt.
„Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre?“ - diese und ähnliche Umfragen sind aus dem politischen Betrieb nicht mehr wegzudenken. Allensbach-Institut, Emnid, forsa, Infratest oder die Forschungsgruppe Wahlen befragen den Wähler in immer kürzeren Abständen. Journalisten berichten wöchentlich die neuesten Umfragewerte. Und Politiker scheinen sich daran zu orientieren.
Lesen Sie die Antworten zum Streit der Woche in der sonntaz vom 26./27. Juni - erhältlich zusammen mit der taz am Kiosk oder direkt an Ihrem Briefkasten. Foto: taz
Kritiker werfen den Journalisten „Wettkampf-Berichterstattung“ vor: Wer nach Umfragen vorne liegt, wird bejubelt, die Partei mit den sinkenden Werten dagegen in Grund und Boden geschrieben. Politiker, die sich allzusehr nach der publizierten Volksmeinung richten, gelten schnell als Populisten.
Nicht ein Mal in vier Jahren gibt der Wähler seinen Willen kund, sondern beinahe ununterbrochen. Befürworter dieser Praxis meinen: Dank Demoskopie kann das Wahlvolk seine Meinung direkt äußern. Und nicht nicht nur diejenigen, die sonst in der Öffentlichkeit ihre Meinung publizieren.
Nicht immer allerdings zeigt das veröffentlichte Volksvotum Wirkung. Zwei Drittel der Deutschen fordern einen Abzug aus Afghanistan. Der Bundestag zieht daraus jedoch keine Konsequenzen.
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