Streit der Woche: Müssen Politiker anständig sein?
Den Titel gibt Guttenberg ab, sein Amt aber nicht. Und viele Deutsche stört das nicht mal – sie lieben ihren "KT" nach wie vor. Ist das richtig? Streiten Sie mit.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat am Montagabend im zweiten Anlauf seinen akademischen Titel abgestreift, diesmal ohne Rückfahrschein. Bei einer CDU-Veranstaltung im hessischen Kelkheim gestand er gravierende Fehler bei seiner Doktorarbeit ein und bat um Entschuldigung.
Mittlerweile gibt es kaum noch einen Zweifel daran, dass sein Werk wenig mit einer wissenschaftlichen Eigenleistung zu tun hat. Seit Tagen steht Guttenberg unter Beschuss von Medien und Opposition. Die Grünen werfen ihm vor, er lasse jedes Gefühl für Stil und Anstand vermissen. Wer so dreist fälsche, dem vertraue man auch als Minister nicht mehr.
So, möchte man meinen, denken auch die Menschen, die Guttenberg ins Amt gewählt haben. Doch viele Deutsche scheint die Schummelei nicht zu stören. Knapp 200.000 Facebook-Usern gefällt die Gruppe „Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg“. Dort sprechen "KT"-Fans verschwörerisch von einer Hetzkampagne und glauben, dass die Opposition nur aus Neid auf ihren Lieblingsminister Gift versprühe.
Laut einer aktuellen Umfrage der ARD sind 73 Prozent der Deutschen weiterhin mit der Arbeit des Verteidigungsminister zufrieden, akademischer Titel hin oder her. Selbst die Grünen-Anhänger sind offenbar nicht sonderlich enttäuscht – von ihnen kommt immer noch 61 Prozent Zustimmung.
Der Doktortitel hat grundsätzlich auch wenig mit seiner politischen Leistung zu tun. Guttenberg wurde ja nicht zum populärsten Politiker in Deutschland, weil er sich als fleißiger Aktenfresser präsentiert hat. Nein, für viele gilt er als Ausnahmeerscheinung auf dem politischen Parkett.
Was Politiker, Wissenschaftler und Prominente zu der Streitfrage sagen, lesen Sie in der sonntaz vom 26./27. Februar. Zusammen mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Anscheinend ist es altbacken, von Politikern Anstand zu fordern und sie für moralische Vorbilder zu halten. CSU-Parteikollege Seehofer hat eine Affäre mit einer Geliebten vor über drei Jahren nicht wirklich geschadet. Und Cem Özdemir konnte auch nach einer Bonusmeilenaffäre Jahre später Bundesparteivorsitzender der Grünen werden.
Und so könnte die Guttenberg'sche Schummelei schnell wieder vergessen sein. Jeder baut mal Mist, Schwamm drüber. Was meinen Sie? Müssen Politiker anständig sein?
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