piwik no script img

Streit der WocheIst die Zeit der Diktatoren vorbei?

Die autoritären Regime in Tunesien, Ägypten und Libyen wackeln oder sind zusammengebrochen. In anderen Ländern hingegen werden Alleinherrscher immer noch als Helden verehrt.

Ist Gaddafi ein Relikt der Vergangenheit? Bild: dpa

BERLIN taz | Rund ein Vierteljahrhundert lang wurde Tunesien von Präsident Ben Ali geprägt, seine Herrschaft galt als gefestigt – doch dann brach sie innerhalb weniger Tage unter dem Protest der Bevölkerung zusammen und Ali blieb nur die Flucht ins Ausland.

Einen ähnlichen Reputationsverlust musste Husni Mubarak hinnehmen: Der gestürzte ägyptische Staatschef galt lange Zeit als verlässlicher Verbündeter der westlichen Welt, nach seinem erzwungenen Rücktritt wurde er jedoch von Medien und Politikern postwendend dämonisiert und als korrupter Despot angeprangert. Und auch die Diktatur des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi wackelt zunehmend.

"Diktaturen können einige Zeit als unbesiegbar gelten, aber am Ende stürzen sie alle", behauptete einst Mahatma Gandhi, Leitfigur der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Die demokratischen Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen scheinen ihm auf den ersten Blick Recht zu geben.

Doch sind diese zusammenbrechenden Diktaturen tatsächlich Ausdruck für ein generelles Diktaturensterben? Ist die Diktatur als Staatsform am Ende? Wird Repression weltweit von Freiheit abgelöst? Oder drängt sich dieser Eindruck nur auf, weil Meldungen über "friedliche Revolutionen" momentan die Medien dominieren?

Bild: taz

Was Politiker, Wissenschaftler und Prominente zu der Streitfrage sagen, lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. März. Zusammen mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten ab Sonnabend am Kiosk oder am eKiosk auf taz.de erhältlich. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: http://bit.ly/ehbqz6per Wochenendabo.

Wirft man einen Blick auf Daten von Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen, zeigt sich ein gegensätzliches Bild. Zwar hat sich die Zahl der weltweiten Diktaturen in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich reduziert, doch noch immer werden in über zwanzig Staaten der Welt Gewaltherrscher als "Helden des Volkes", "geliebte Führer" oder gar als "Götter“ gefeiert – beispielsweise in Birma, Usbekistan oder Nordkorea. Die Macht im Land wird vom Militär durchgesetzt, Menschenrechte werden missachtet, die Meinungs- und Pressefreiheit ist eingeschränkt. Von einer Demokratisierung scheinen diese Länder also noch weit entfernt zu sein.

Und auch in Ländern der Europäischen Union werden Freiheitsrechte bisweilen mit autoritären Mitteln durchgesetzt. In Ungarn wird die Meinungsfreiheit durch ein restriktives Mediengesetz eingeschränkt, in Italien führt ein selbstherrlicher Medienmogul die Regierungsgeschäfte. Ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch diese Länder in Demokratien transformieren oder werden sich ihre autoritären Strukturen in Zukunft eher noch verfestigen?

Was meinen Sie: Ist die Zeit der Diktatoren vorbei?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • HW
    Heidi Weh

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Nein, ich glaube nicht. Leider. Die Demonstrationen und Erhebungen gegen die heutigen Diktatoren zielten doch vor allem darauf ab, verbesserte Lebensbedingungen zu bekommen: Die meisten sind auf die Strasse gegangen; weil sie keine Arbeit haben und damit kein Geld zu einem wirklich selbstbestimmten Leben, selbst dann nicht, wenn ihren Kindern der Zugang zu Schule und Bildung gewährt wurde – während „der Klüngel“ in Saus und Braus lebt.

    Dazu kommt, dass in einem Land, in dem seit Jahrzehnten mit militärischen Mitteln eine Einzelherrschaft ausgeübt wurde, Strukturen der Mitbestimmung auch erst einmal gefunden und aufgebaut werden müssten – das dauert! Langfristig könnte nur unter Mit-Hilfe von aussen so etwas bewirkt werden (Studium am – ausländischen - Beispiel) – genau das aber ist nicht gewünscht. Die Menschen wollen aber Lösungen für ihre Probleme im Alltag für SOFORT.

    Eine schnelle Umverteilung würden die Probleme für die heutigen Aufständischen erst einmal lösen, selbst wenn das nur eine neue Art von Diktatur im Gefolge hat und langfristig zu den selben Problemen nur mit umgekehrten Vorzeichen führt.

    Es ging doch bisher nicht in erster Linie um Freiheit, weder um Meinungsfreiheit noch um Freiheit für alle, z.B. für die Frauen oder um Religionsfreiheit, auch wenn die digitalen Medien den jetzigen Aufständischen geholfen haben, ihre kurzfristigen - legitimen - Ziele zu erreichen.

    Wer den Lebensstandard hebt ist der Heilsbringer.

    Also über kurz oder lang wird es wieder so aussehen.

    Das digitale Zeitalter, in dem Informationen aller Art leichter zu beschaffen sind als vorher, gibt allerdings eine gewisse kleine Hoffnung, dass es doch anders kommt.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Wirklich ALLE REGIERUNGEN ALLER ZEITEN ALLER LÄNDER

    verharmlosen den auf die Dauer wirklich unwiderstehlichen Einflusse der DURSCHSTAATLICHUNG der Gesellschaft.

    Wie Guattari richtig bemerkte , verschwand bei der Gründung des Staates (UR) eine RIESIGE MENGE FREIHEIT aus der Welt.

    Wenn wir noch die stark bestimmende Wirtschaft, die über die Organisation der Arbeitsteilung und Produktions ud den Handel ebenfallas bis ins Innerste aller Personen "hinregiert" hinzunehmen, ist Anwachsen der Masse der Menschen fast die einzige "Fluchtmöglichkeit" vor so viel Einflussnahme.

     

    Die Abstimmung mit den Neugeborenenfüssen findet tatsächlich statt, in den Zentren der hochindustralisierten Länder DAGEGEN ist ein wirksame Kritik von Staat und Wirtschaft extrem fragil und David gegen Goliath fast schon ein Wunschtraum, was die "Kräfteverhältnisse" gegen die "Megamaschine" angeht.

     

    Also, die "Diktatoren" sind nur die Spitze der Spitze des in der Wüste ungewohnten Eisberges.

     

    Aber selbstverständlich kann man auf deren Abtragung nicht verzichten.

     

    Eine metaphorische Genealogie von dem der Titanic ist durchaus durchführenswert.

    Hat man es doch mit der Technisierung des "Südens"

    recht profitorientiert und staatsmachtorientiert und gar nicht zugehen lassen. Im Kolonialismus und den nachfolgenden "Globalisierungen". Nichts gegen (Doppelbedeutung!!) den schon in der Steinzeit praktizierten "Fernhandel".

     

     

     

    Gandhis Nachfolge Indien ist auch ein mehr als brodelnder Problemkomplex selbst ohne "Diktatur", als größte Demokratie der Welt.

     

    Also, die Staatsmacht ist überall der Brandstifter,. Feuerwehren sind Staatlich oder semistaatlich. Strukturell.

    An Zeus glaubt schon lange keiner mehr .

    WAS TUN?

  • H
    hto

    Die Diktatur des Kapitals muß sich jetzt etwas anderes einfallen lassen, um Ausbeutung und Unterdrückung im "freiheitlichen" Wettbewerb auch weiterhin relativ ungestört und heuchlerisch zu zelebrieren.

  • W
    womue

    Das ist eine interessante Frage. Wenn man sich die Diktatoren so in ihrer Gesamtheit als historische Erscheinung anschaut, sieht es so aus, als könnte man eine allgemeine Pychologie der Diktatoren schreiben und als erforschtes Fachgebiet abhaken. Die Frage, die übrig bliebe, ist die, ob die Mängel dieser Gesellschaften überhaupt an der Existenz von Diktatoren haften.

     

    Nach meinen Erfahrungen ist in Demokratien alles Übel ebenso möglich wie in Diktaturen. Es muß also etwas geben, was den Mißbrauch von Macht begünstigt, das von diesen Strukturen ebenso unabhängig ist wie von Wahlen oder Meinungsfreiheit. Als Beispiel ließe sich jetzt Mexiko anführen oder auch Italien. USA oder Deutschland nenne ich als heimlicher Patriot natürlich nicht. Der Vatikan wäre ein eigenes Kapitel wert.

     

    Dabei gibt es gerade in Deutschland sogar Institute zur Erforschung von Diktaturen und Terrorherrschaft. Aber ich nehme mal an, die befassen sich vorzugsweise mit akademischen Titeln und Kontoauszügen.

  • GS
    Gunnar Sturm

    Die Zeit der Diktatoren....die Diktatoren haben so lange Zeit wie sie den Kolonialisten nutzen. Wer nicht gehorcht wird abgesetzt.

    Andere Frage: ist die Zeit der UNO abgelaufen? In Afrika weiß jeder wessen Interessen die UNO schützt. Man weiß: wo die Blauhelme auftauchen, wird es keinen Frieden geben!

    Ich gehe noch weiter: ich meine die UNO hat den Bürgerkrieg in Elfenbeinküste zu verantworten: http://www.imi-online.de/2010.php?id=2221

  • ED
    Eneas der Trojaner

    İn der Türkei ist die Diktatur perfekt, man könnte es auch als Sozialismus bezeichnen , den es ist eine Diktatur der vom (zumeist)Proletariat gewaehlen- ader das es eine faschistische Diktatur ist sollte jeder wissen , der sich mit der Welt auseinander setzt. Beispiele: Ex-Rektor der Uni Malatya, Prof.Hilmioğlu ist schon mehr als 2 Jahre inhaftiert, womit er konkret beschuldigt wird weiss er auch nicht, in seiner Amtszeit liess er Kopftuchdamen nicht in die Höhrsaele, denn das Gestetz ist so oder es war so,Rektor der Baskent Uni auch fast 3 Jahre , er weis auch nicht genau was er verbrochen haben sollte, insgesammt über 150 Jurnalisten, Autor und Jurnalist Mustafa Balbay auch schon 3 Jahre, zuletzt auch noch Einzelhaft, seine Schuld: das Schreiben der Wahrheit, Waeren dies alle Chinesen würden sie sicher mit Preisen ,wie die des Herrn Nobel überflutet.Habe 3 türkische Militaerdiktaturen durchlebt, nicht was der jetzigen ebenbürtig waere.

  • M
    Murmansk

    Als ich zehn Jahre alt war, wurden Spanien, Portugal, Griechenland und die Türkei von Dikataturen beherrscht, der gesamte damalige Ostblock, Südafrika und fast ganz Lateinamerika. Die seitherige Tendenz der Entdiktaturisierung scheint sich jetzt in einigen arabischen Ländern fortzusetzen. Wünschen wir es ihnen und uns.

  • N
    Nightmare

    Also ich finde, dass die Zeit der Diktatoren nach und nach ablaufen wird. Die derzeitigen Vorfälle sind in meinen Augen wie Öl für das Feuer was in manch einem Bürger eines diktatorischen Staates brennt!

  • K
    @kevusch

    Leider Jein...

     

    Einerseits sieht man im Hinblick auf Nordafrika große Fortschritte in der Demokratisierung der Welt. Schaut man sich aber die Situation im Rest Afrikas oder im Großteil der südamerikanischen Staaten an, so ist die demokratische Grundstimmung in der Bevölkerung viel zu gering.

    Besonders in der Entwicklungszusammenarbeit sollte verstärkt auf Projekte wie "Good Governance" gesetzt werden, also die Menschen in den Ländern einbeziehen, statt zu versuchen ihnen westliche Prinzipien aufzudrücken, die sicher nicht in jede Kultur passen.

    Den Menschen muss gezeigt werden, dass die Grund- und Menschenrechte weltweit ihre Gültigkeit haben und das Recht auf Freiheit, Demokratie und ein selbstbestimmtes Leben überall seine Wichtigkeit hat.

     

    Der Westen hat die Diktaturen weltweit viel zu lange gestützt, siehe Libyen. Ökonomische Interessen dürfen niemals vor die der Bevölkerung gestellt werden, egal wo auf der Welt.

    Wir brauchen mehr Unterstützung und Zusammenhalt weltweit, statt unmenschliche Ausbeutung und Diktaturen.

     

    Ich hoffe allerdings, dass ein demokratischer Staat in Nordafrika (und überall auf der Welt) seine politikwissenschaftlich nachgewiesene Unordnung und fehlende Festigkeit am Anfang überwinden kann und die Menschen Geduld haben, sonst ist die Tür für zukünftige Diktatoren womöglich schneller wieder auf als sie geschlossen schien.

    Auch hier benötigen wir eine multi- und bilaterale Zusammenarbeit!

     

     

    In Afrika ist aber zu sehen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, die Zeit von Diktaturen zu beenden!