Streit der Woche: Mehr Kontrolle der Polizei?
In Dresden haben Polizisten eine Million Handydaten ausgespäht. Viele fordern jetzt eine stärkere Überwachung der Überwacher. Ihre Gegner verweisen auf bestehende Gesetze.
Dieter Hanitsch, der Polizeipräsident von Dresden, musste nun also gehen. Es habe "Informationsdefizite" gegeben, begründete der sächsische Innenminister Markus Ulbig seine Entscheidung. Hanitschs Polzeibeamte hatten Gespräche, SMS und Positionen der Handys von Demonstranten ausgespäht, die am 19. Februar 2011 in Dresden gegen Neonazis protestiert hatten. Mehr als eine Million Daten haben sie so gesammelt, auch von Anwohnern, Politikern und Journalisten.
Sie hätten eigentlich nur Täter ausspähen dürfen, die Polizisten mutmaßlich verletzten, so sah es der richterliche Beschluss vor.
Doch nach Paragraf 477 der Strafprozessordnung kann die Polizei anschließend alle gesammelten Verbindungen ohne weitere richterliche Prüfung verwenden. Das führt zu einem juristischen Dilemma: Darf die Polizei so einen gigantischen Datenpool überhaupt anlegen?
Einige befürchten, dass die Polizei mit den Daten Profile der linken und rechten Szene anlegen könnte. Aber auch überwachte Journalisten fürchten um ihre Pressefreiheit. Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die an der Demonstration teilnahmen, klagen deshalb gegen die Erfassung ihre Handydaten. Viele fordern nun, die Polizeiarbeit stärker zu kontrollieren.
Was Politiker, Polizisten und Aktivistinnen zur sonntaz-Frage sagen, lesen Sie in der nächsten sonntaz vom 2./3. Juli 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Wenn wir die Polizei überwachen, sind wir vielleicht nicht besser als die sächsische Polizei selbst, meinen andere. Sie wollen nicht noch mehr Kontrollinstanzen, sondern vertrauen auf parlamentarische Ausschüsse, Justiz und Medien.
Neben ihrer eigenmächtigen Sammelwut steht die Polizei aber auch an anderen Stellen im Fokus. Amnesty International kritisiert, dass Beamte die Gewalt bei Demonstrationen zunehmend eskalieren lassen würden. Selbst Rafael Baehr, Professor der Polizeihochschule Hamburg, klagt, Polizisten wüssten nicht "wann es genug ist mit Schlägen und Tritten." In Ländern wie Großbritannien gibt es unabhängige Kommissionen, die untersuchen, wenn Polizisten versagen. In Deutschland ist das nicht der Fall.
Was meinen Sie: Müssen wir die Polizei stärker kontrollieren?
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