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Streit der WocheAigner nimmt Facebook in die Pflicht

Aktive Aufklärung statt Verbot: In der Debatte um die Facebook-Partys verlangt die Ministerin, dass sich das soziale Netzwerk seiner Verantwortung stellt.

Soll sich die Politik einmischen? Frau Aigner findet: Nein. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit einem Bündel von Forderungen setzt Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) das soziale Netzwerk Facebook in der Debatte um die Facebook-Partys unter Druck. „Facebook muss die Grundeinstellungen ändern, den Schutz der Privatsphäre verbessern und aktiv Aufklärung betreiben“, schrieb die Ministerin im „Streit der Woche“ der sonntaz. Aigner greift damit die bisherige Informationspolitik des Internet-Unternehmens an – besonders gegenüber Jugendlichen: „Facebook darf die Verantwortung nicht abschieben, sondern muss seine zum großen Teil minderjährigen Mitglieder über bestehende Risiken aufklären.“

In den vergangenen Wochen war es in mehreren deutschen Städten zu Ausschreitungen gekommen, nachdem über Facebook zu öffentlichen Massenpartys aufgerufen worden war.

Die Ministerin lehnt gesetzliche Maßnahmen zur Unterbindung der Facebook-Partys allerdings ab: „Niemand kann und niemand will jungen Leuten das Feiern verbieten.“ Ein Verbot der Facebook-Partys, wie es Anfang der Woche von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gefordert wurde, ist aus Sicht von Aigner kontraproduktiv: „Die Diskussion über schärfere Gesetze und neue Verbote lenkt ab von der Verantwortung der sozialen Netzwerke und der Nutzer selbst.“ Aigner sieht nicht die Politik, sondern Facebook und andere soziale Netzwerke in der Pflicht, um mögliche Folgen öffentlicher Party-Einladungen zu verdeutlichen: Jugendlichen müsse bewusst gemacht werden, „dass der Aufruf zum Krawall kein Kavaliersdelikt und das Internet kein rechtsfreier Raum ist.“

Angela Kolb (SPD), Justizministerin von Sachsen-Anhalt und momentan Vorsitzende der Justizministerkonferenz der Länder, befürwortet im Gegensatz zu Aigner eine Einmischung der Politik – nicht durch generelle Verbote, sondern durch die Aufklärung über mögliche juristische Folgen. Deshalb fordert Kolb ihre Kollegen in der sonntaz auf, „darüber nachzudenken, wir wir Jugendliche in Rechtsfragen fit machen können“ und wünscht sich eine stärkere politische Auseinandersetzung mit der Problematik: „Jugend – Internet – Recht: In diesem Themenkreis müssen wir einen Schwerpunkt setzen.“

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 09./10. Juli 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Walter Scheuerl, der als Parteiloser für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft sitzt, plädiert ebenfalls für eine aktive Rolle der Politik im Umgang mit den Facebook-Partys. Er verweist auf das latente Sicherheitsrisiko, dass bei jeder Massenveranstaltung – ob bei Fußballspielen oder eben Facebook-Partys – bestehe. Es sei Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass „am Ende der Feier keine Verletzten und Sachbeschädigungen zurück bleiben.“ Insbesondere müsse sichergestellt werden, dass die Kosten der Partys nicht vom Steuerzahler, sondern von den Verursachern – sprich: den Veranstaltern – getragen werden.

Aufklärung ist wirksamer als Verbote – dieser Meinung ist auch Bernadette Kneidinger aus Wien, die sich als Kommunikationswissenschaftlerin beruflich mit Facebook auseinandersetzt. Sie argumentiert, dass das immense Mobilisierungspotenzial der sozialen Netzwerke zwei Seiten habe: Einerseits wären die Proteste des Arabischen Frühlings ohne Facebook nur schwer zu organisieren gewesen – andererseits müsse man nun damit leben, dass das Netzwerk auch zur Mobilisierung für weniger erwünschte Ereignisse benutzt werde. Kneidinger gibt zu bedenken, dass durch ein Verbot der Partys „gleichzeitig auch die positiven Formen politischer Mobilisierung“ erschwert würden: Wolle man das Eine, könne man das Andere nicht verbieten.

Außerdem debattieren im Streit der Woche in der Sonntaz: Der Pfarrer Jürgen Denker aus Wuppertal-Ronsdorf, wo es während einer Facebook-Party zu Ausschreitungen kam, und der taz-Leser Gerry Gwozdz, der den Streit der Woche auf taz.de kommentierte.

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7 Kommentare

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  • R
    reich+schön

    die user haben nie behauptet, das internet sei ein rechtsfreier raum.

    im zusammenhabng mit den internetsperren hiess es immer wieder von seiten der politik, das internet sei kein rechtsfreier raum, somit müsse man zensieren.

     

    tja, wenn man blödsinn erzählt, gibt es immer leute, die das glauben

     

    Geniesst den rechtsfreien Raum und ihr habt ein Recht auf Party!

  • HL
    Hans Lorenzen

    Das Problem lässt sich doch ganz einfach lösen. Und zwar indem man die Stalker kräftig zu Ader lässt. Wäre ne gute Kapitalquelle für die überlasteten Komunen und Gemeinden. Also von mir gebe es dafür Daumen hoch - Like!

  • K
    kotelette

    oje, die aigner und facebook...

     

    hat sie nicht unter großem tamtam ihren account gelöscht?

     

    hat sie nichts besseres zu tun?

  • L
    Lukas

    Das klingt ja alles wieder sehr realitätsfern und plakativ, was die CDU da wieder fordert und vorhat.

     

    Ich bin mal gespannt, wie sie mit Frau Dagma Steiner der CDU Hasloh umgehen werden, die gerade in Facebook öffentlich zum CDU Sommerfest geladen hat und schon mehrere Hunderte Zusagen hat. Tausende stehen auf der Warteliste.

     

    Übernimmt die CDU Hasloh als Veranstalter die Kosten für das Polizeiaufgebot wie die CDU fordert? Ich bin gespannt!

  • Y
    yokes

    wann kapieren eigentlich unsere politiker und sog. Fachleute eigentlich, das netz ist nicht zu kontrollieren, lasst doch einfach eurer heuchlerisches interesse am internet und seinen netzwerken, macht euch doch erst einmal schlau was geht und was nicht,nervt doch bei euch zu hause jemanden mit euren "sachverstand"

  • F
    firehorse

    Liebe Frau Aigner.

     

    Was verstehen Sie mit "der Verantwortung stellen"?

     

    Etwa so wie die privaten Sender, wenn diese mit ihren scripting reality Shows zur allgemeinen Volksverblödung beitragen, dadurch Konflikte zwischen einer TV-Generation und eine I-Net-Generation erzeugen oder gar verstärken?

     

    Sie haben soviel Dreck in ihrer Scheißbude liegen, dass eine Amtszeit zur Beseitigung sicherlich nicht ausreichen wird. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass SIE Frau Aigner zur Beseitigung nichts wirklich sinnvolles Beitragen werden.

     

    Facebook ist ein Konzern mit einem AG hinter seinen Namen. Zudem auch noch ein US-Konzern, der Sie oder andere deutsche Schleim... ähm... Politiker ohnehin nicht für voll nehmen wird.

  • B
    blah

    Diese ganze Diskussion ist aus mehreren Gründen lächerlich.

     

    Erstens ist es wohl kaum mit deutschem Recht vereinbar, die Einladung zu einer Party zu verbieten (auch nicht die öffentliche Einladung... ist schließlich quasi dasselbe als würde ich Flyer irgendwo auslegen). Zweitens ist selbst der Verweis auf die Übernahme der Kosten ein wenig lächerlich. Ich bin nämlich ziemlich sicher, daß bspw. die Veranstalter der Loveparade o.ä. Massenveranstaltungen auch nicht die Kosten für die städtischen Sicherheitsverkehrungen tragen. Warum sollte man dort also mit zweierlei Maß messen?