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Streit der WocheEntwicklungshilfe abschaffen?

Das deutsche Entwicklungshilfeministerium wird 50. Doch ob Unterstützung von außen Menschen in armen Ländern überhaupt hilft, ist umstritten.

Hilft die Entwicklungshilfe wirklich denen, denen sie helfen soll? Bild: dpa

BERLIN taz | Seit 50 Jahren liegt die Verantwortung für die deutsche Entwicklungshilfe in einem Ministerium. Mitte November feiert sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – für seine Erfolge.

Doch schon jetzt gibt es Ärger: Minister Dirk Niebel (FDP) wollte einst das Haus aufgeben, dem er nun vorsteht. Heute erklärt er dazu: "Das Ministerium, das die FDP abschaffen wollte, gibt es nicht mehr." Die FDP sei nicht gegen Entwicklungspolitik gewesen, sondern gegen die Art und Weise, wie sie betrieben wurde.

Das erzürnte Niebels sozialdemokratische Amtsvorgänger Egon Bahr, Erhard Eppler und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Sie verstehen Niebels Aussage als "massive Kritik an der Arbeit der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMZ". Und wollten darum, dass Ex-Minister Eppler auf der Feier ein Grußwort spricht, um "die 50-jährige Tradition des BMZ in seiner Kontinuität" zu betonen. Niebel lehnte ab. Daraufhin sagten die Sozialdemokraten ihre Teilnahme an der Jubiläumsfeier ab.

Neben der Frage, wie erfolgreich das Ministerium ist, geht es in einer noch grundsätzlicheren Debatte um die Entwickungshilfe selbst: Hilft sie wirklich denen, denen sie helfen soll? Einig ist man sich weitestgehend darin, dass Armut und Hunger bislang nicht ausreichend bekämpft werden. So erklingt immer wieder der Ruf danach, die Entwicklungshilfe zu erhöhen – mindestens auf das Niveau, das seit vierzig Jahren versprochen wird: 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts. Davon ist der aktuelle deutsche Entwicklungshaushalt weit entfernt.

Die Unterstützer des "Bonner Aufrufs" möchten daher, dass "der Kurs der Entwicklungshilfe radikal geändert" wird. Sie wollen eine Konzentration der Förderung auf Grund- und Berufsbildung, Kleinkredite und Infrastrukturmaßnahmen. Den Aufruf unterstützen aktive und ehemalige Enwicklungspolitiker und -helfer.

Bild: taz

Was Politiker, Ökonomen und Autorinnen zur sonntazfrage sagen, lesen Sie in der nächsten sonntaz vom 12./13. Oktober 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Einige Ökonomen sind noch radikaler. Dambisa Moyo aus Sambia fordert die Abschaffung der Entwicklungshilfe. "Hilfe führt zu Korruption, sie manifestiert Abhängigkeiten und nährt eine Bürokratie, die auf die Verwaltung des Status quo statt auf die Förderung einer Unternehmerschicht ausgerichtet ist", sagt sie.

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11 Kommentare

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  • N
    Nordfriese

    Ihren Kommentar hier eingebenAufgrund meiner früheren Tätigkeit beim Deutschen Entwicklungsdienst Anfangs der 70. Jahre verfolge ich die Szene recht genau aus dem Abseits. Unter Erhard Eppler war ich Entwicklungshelfer in Äthiopien ,Kenia und Tschad im Bereich Landwirtschaft und Gemüsebau. Genau dort habe ich selbst auch für korrupte Stukturen arbeiten müssen,was mir aber nicht von vornherein klar war. Ich war überzeugt etwas verändern zu können was mir aber nicht gelungen ist. Unsere Europäische Denkstruktur über Afrika legen zu wollen konnte nicht funtionieren.Das Einzige was ich nachhaltig verändert habe ist mein eigenes Denken und Handeln hin zu mehr Demut und weniger Grosskotzigkeit gegenüber anderen Kulturen und

    Strukturen. Zum Teil wird jetzt schon offener Neokolonialismus wie Landraub seitens einiger mächtiger Staaten aus dem asiaatischen Raum betrieben und vielleicht auch verbal als Entwicklungshilfe verkauft und wir müssen da natürlich mit im Wettbewerb bleiben, wie die Afrikabesuche der Kanzlerin zeigen. Wenn das als Entwicklungshilfe tituliert wird wehre ich mich dagegen und schäme mich

    dafür wieweit unsere interessengeleitete E. politik

    die nachhaltige Entwicklung speziell der afrikanischen Staaten verhindert und nur neue Abhängigkieten schafft und Hunger und Elend billigent in Kauf nimmt. Der Nordfriese

  • V
    vic

    Enticklungshilfe im Wortsinn jederzeit.

    Aber hochsubventionierte Hühnchenteile, die in D niemand kauft zu exportieren ist nicht hilfreich.

    Stattdessen sollten alle bisherigen Blutsauger dabei helfen, die lokale Landwirtschaft- die wir zerstört haben- wieder aufzubauen und Konzerne wie Monsanto, Nestlé u.A. fernzuhalten.

    Und wichtig:

    Für sauberes Wasser sorgen, wir sind doch so schlau.

    Oder?

  • V
    vic

    Es ist keine Entwicklungshilfe, armen Ländern die Infrastruktur zu zerstötren und sie mit billigen Lebensmitteln zuzuscheißen.

    Einsparen sollten wir Leute wie Niebel. Schnell.

  • DV
    Dr Volkmar Engelbrecht

    Einige der hier veröffentlichte Beiträge zum Thema sind an Zynismus kaum zu überbieten - vor allem der Beitrag von andreas: 08.11.2011 15:17 Uhr

    Manches klingt so, als ob es ein Segen wäre für die betroffenen Menschen , wenn wir sie "in Ruhe" liessen mit unseren Hilfsbemühungen, sie zu ihrem "Besseren" verhungern liessen, in Armut und Unwissenheit, am besten noch der Willkür unfähiger und korrupter, gewaltätiger Regime ausgeliefert. Ich frage mich, wo diese "Kommentatoren" Ihre Informationen über die Realität der Entwicklungshilfe und ihrer Akteure her haben, denn permanent wird "den" Entwicklungshelfer Naivität, Unfähigkeit und oft sogar finsterste Motivationen unterstellt. Ich habe bisher noch keinen kennegelernt, dem solche Haltung eigen wäre.

    Vielleicht bin ich auch nur einer von den "ewig Gestrigen" aus den sechziger und siebziger Jahren, für die "internationale Solidarität" und persönliche Betroffenheit keine leeren Worthülsen sind.

    Ich arbeite seit einigen Jahren in dem Metier - vor Ort - und das sowohl in der akuten Norhilfe als auch im Bereich längerfristiger Entwicklungshilfe. Ich sehe meine Aufgabe zweigeteilt:

    Zum einen existiert die humanitäre Pflicht, Menschen nicht einfach verrecken zu lassen, wenn sie aus eigner Kraft nicht ihre elementarsten Bedürfnisse befriedigen können (so dass sie ohne die Hilfe sterben würden), auf Grund von Naturkatastrophen(egal ob durch Menschen mit verursacht oder nicht) oder kriegerischen Auseinandersetzungen. Zum anderen muss die zugegebenermassen verzwickte und meist sehr frustrierende -weil nur langfristig zu bewerkstelligen - Aufgabe bewältigt werden, immer wieder Versuche zu unternehmen, die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen zu verändern - auf allen Ebenen:

    - in den betroffen Ländern, mit den jeweiligen Akteuren

    - "zu Hause", durch Aufklärung und politische Einflussnahme ( da habe ich offensichtlich ein schweres Defizit - siehe oben)

    - global, durch Versuche, Bewusstseinsveränderung zu erreichen, inklusiver einer Abkehr von militärstrategisch bestimmten Handlungsmaximen.

  • A
    andreas

    Was Enwicklungshilfe mit der EU27 gemacht hat können wir grad wunderbar erleben.

    Spanien

    Irland

    Griechenland usw....

    Was hat es den Ländern am Ende gebracht zu Grunde gefördert zu werden ?! Nix...außer Vortäuschung eines hohen Lebensstandards, mehr nicht.

     

    Für Afrika gilt das Gleiche. Enwicklungshilfe dient nur den Leuten die davon provitieren , weil sie an den Geldtöpfen am dichtesten drann sind...

    Ich warte auf den Tag wo kluge Menschen in Afrika(davon gibt es ja bereits Einige) jegliche "Enwicklungshilfe" ablehnen.

    Grad Afrika mit einem Markt von über einer Milliarde Menschen könnte sich alleine durch Handel untereinander einen bescheidenen Wohlstand erwirtschaften...

    Das größte Problem bleibt aber die ransant wachsende Bevölkerung, das durch immer wieder kehrende "Hungerhilfen" auch noch angefeuert wird...

    Einzig Entwicklungshilfe in Fragen der Familienplanung könnte Afrika auf Dauer helfen.

     

    MfG

  • I
    Ingo

    Entwicklungshilfe an ISRAEL stoppen!

  • H
    hto

    Die "Entwicklungshilfe" ist so zynisch wie die "Sozialhilfe" der "sozialen" Marktwirtschaft im "gesunden" Konkurrenzdenken" des "freiheitlichen" Wettbewerbs um die Begehrlich- und Abhängigkeiten der stumpf- wie wahnsinnigen Hierarchie von und zu materialistischer "Absicherung" - ja sie hilft, aber nur den Profitlern dieses physisch wie psychisch entmenschlichenden Systems, deshalb gehört vor allem einiges an ebenfalls systemrational-dummen Maßnahmen abgeschafft, bevor ...!?

  • P
    PeterPan

    Handelsschranken abschaffen und Entwicklungshilfe, gemessen an der Handelsbilanz der entsprechenden Länder mit den USA und Europa, sukzessive Abschaffen. Das ist meines Erachtens nach der einzige Weg. Dieser ganze fair gehandelte, verlogene Blödsinn, dieses ganze selbstgerechte NGO Gutmenschentum als das betrachte ich gemessen an den geradezu kolonalistische Handelsschranken, mit denen Länder in Afrika sich konfrontiert sehen, nichts weiter als ekelkerregende Heuchelei und gerade die Europäer können froh und dankbar sein, dass noch keine afrikanischen Intellektuellen, sich die Logik eines Osama bin Ladens zu eigen gemacht haben.

  • MM
    Max Maier

    Es kommt immer drauf an wie man hilft. Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert. Meine Patenkinder die aus den jeweiligen Projekten entlassen wurden sind so weit fortgebildet dass sie sich selbst mit Arbeit ernähren können anstatt im Müll zu graben. Wenn man allerdings Märkte kaputtmacht indem man an den Orten subventioniertes Essen verkauft, oder man schafft Arbeitsplätze und zerstört die Umwelt ... ist das eine "Hilfe" auf die besser verzichtet werden sollte.

  • H
    HamburgerX

    "Sie wollen eine Konzentration der Förderung auf Grund- und Berufsbildung, Kleinkredite und Infrastrukturmaßnahmen."

     

    Dem würde ich mich anschließen. Der Ausweg aus Korruption, Demokratiedefiziten, Bürgerkrieg, Misswirtschaft und Infrastrukturproblemen ist auf Dauer kaum anders möglich. Fast alle Hungerepidemien waren in den letzten Jahrzehnten darauf zurückzuführen. Aber man kann nicht in jedes Land einmarschieren, um es zu beglücken und von Tyrannen zu befreien.

  • E
    emil

    die sogenannte entwicklungshilfe wird ihrem namen nicht wirklich gerecht. was dort abläuft, trägt nicht dazu bei die situation notleidender menschen langfristig zu verbessern.

    im gegenteil, dadurch dass die probleme nicht an der wurzel angepackt werden, sondern lediglich die folgen behoben werden, wird aktiv der nährboden für ein immer-weiter-so gelegt. entwicklungshilfe reproduziert genau das, was sie vorgibt abzuschaffen.

    gleichzeitig wird unter dem deckmantel der helfenden hand operiert, frei nach dem motto: wer könne etwas dagegen haben, für hungernde kinder essen bereit zu stellen?

    die folge ist aber, dass die probleme die hinter armut und hunger stehen ausgeblendet werden. die millionen die locker gemacht werden haben also zweierlei effekt. zum einen erhalten sie den status quo aufrecht, und zum anderen geben sie das gute gefühl, etwas getan zu haben. sozusagen ein moderner ablasshandel.

    am ende stehen wir als reiche nation ganz ordentlich da: wir sehen das übel der welt - und helfen. das kostet uns wenig und fühlt sich sehr gut an. und damit sich die bestehenden verhältnisse auch nicht ändern, unser reichtum nicht gefährdet wird und wir uns weiter mit wenig geld freikaufen können, reproduzieren wir wunderbar die vorherrschende ungleichheit.

    wer wirklich helfen will, sollte die entwicklungshilfe hinter sich lassen.