piwik no script img

Streit der Woche„Die humanistischen Liberalen“

Pirat Mark Neis hält seine Partei für die bessere FDP. Schriftstellerin Juli Zeh widerspricht. Man könne die Piraten schwer ins Rechts-links-liberal-Schema einordnen.

Fusion? Einträchtig demonstrieren hier Piraten und Jungliberale gegen das Verbot von sogenannten Killerspielen. Bild: imago/bernd friedel

Nach dem desaströsen Ausgang der Saar-Wahl für die FDP schreibt Piratenparteimitglied Mark Neis in einem Gastkommentar für das Wochenendmagazin der taz: „Sind die Piraten also die bessere FDP? Ja, denn sie sind die humanistischen Liberalen.“

Internetaktivistin Anke Domscheit-Berg schreibt hingegen, dass Liberale und Piraten für unterschiedliche Gruppen eintreten: „Mit den Wahlen im Saarland zeigt die FDP, welche Rolle ihr zukommt: Sie vertritt ein Prozent der Gesellschaft. Die Themen der Piraten betreffen eher die anderen 99 Prozent.“

Die Schriftstellerin Juli Zeh schreibt: „Die Piraten werden den Begriff 'liberal' reanimieren: als individuelle und bürgerliche Freiheit, Freiheit zur Selbstverwirklichung und Partizipation. Aber die neue FDP sind sie nicht.“ Das begründet sie vor allem mit der Tatsache, dass sich die Piraten schwer ins Rechts-links-liberal-Schema einordnen lassen. „Es gibt eine wachsende Gruppe von politisch Interessierten, die ebenso quer zu den herkömmlichen Kategorien liegt.“ Den Selbstfindungsprozess habe die Partei noch vor sich.

Hildegard Hamm-Brücher, ehemalige FDP-Politikerin, schreibt, dass die Piratenpartei liberale Ansätze und damit großen Erfolg habe. „Aber die bessere FDP, das wären doch viel eher die Grünen. Wir Liberale haben Anfang der siebziger Jahre ja auch Umweltpolitik gemacht und waren aufmüpfig.“

Bild: taz

Den Streit der Woche und viele andere spannende Text lesen Sie in der sonntaz vom 31. März/1. April 2012. Am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Im „Streit der Woche“ im taz-Wochenendmagazin „sonntaz“ erklärt außerdem der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, warum mehr Wählerstimmen einen nicht gleich zur besseren Partei machen, außerdem kommentieren Gerhart Baum, ehemaliger FDP-Innenminister und taz.de-Leser Tobi Mandt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • C
    C.-L.Pauling

    @ Fawkes:

    Deine zweifeln scheinen viele Skeptiker zu teilen, zumindest der Meinung meines Bekanntenkreises her zu urteilen. Ich glaube man sieht die Entwicklung zu einseitig.

    Transparenz muss nicht heißen, dass man sein komplettes Seelenleben und alle Privaten Aktivitäten Pauschal offenlegen muss.

    Nur in den Bereichen, die durch Machtpositionen ( die es in der Form nach dem Piratenmodell nicht mehr geben würde, zumindest nicht festgesetzte, derart große Machtballungen).

    Neben diesem Prozess findet ja vielleicht auch ein paralleler Vertrauensrückgewinn statt,

    weil es wieder leichter wird, jemandem der grundsätzlich Werte verfolgt ( wie sie bsp. In vielen "digitalen Gesellschaften" an der Tagesordnung ist. Wer sich von Macht lossagt, bei dem spielt es auch keine Rolle was er in seiner Freizeit so treibt.

     

    Sollte ich falsch liegen, bitte ich um Gegenposition :)

    Mit besten Grüße ,

     

    C. Pauling

  • FG
    Florian Geisler

    Die "humanistischen Liberalen?"

     

     

    Also bitte, Humanismus ist ja nun wirklich das Letzte.

  • D
    Danke

    Anke Domscheidt-Berg hat bis 2011 in führender Position bei Microsoft und davor in diversen grossen Unternehmensberatungen gearbeitet. Bei Microsoft war sie zuständig für Kontakte zu Behörden und Verwaltungen... ach TAZ!

  • UM
    Ulli Müller

    Was ist Links?

    Ist doch klar,

    wer christliche Werte vertritt!

    Solidarität, Demokratie alle Menschen sind Brüder,

    Nächsten und Feindesliebe, also gegen Krieg,

    wer heute in Deutschland Christus folgt, der wird (nicht nur) von der bürgerlcihen Presse als Links beschimpft.

    Der Rest macht eigentlich gemeinsam in Interessensvertretung des Kapitals.

  • F
    Fawkes

    Ehrlich gesagt sind mir die Piraten- nach allem, was ich bislang über diese Partei gehört und gelesen habe (u.A, auf Spiegel- Online) - ein wenig suspekt. Wenn meine Wahrnehmung stimmt, dann treten die Piraten für ein Gesellschaftsmodell ein, dass sie als vollkommene Demokratie bezeichnen, dessen Realisierung für mich aber das Ende jeder Individualität bedeuten würde. Dazu gehört wohl auch die völlige Abschaffung der Privatsphäre. Jeder soll öffentlich sein- denn dann gibt es keine Heimlichkeiten, keine Tricks, keine Ungleichheiten, keinen Betrug und keine Korruption mehr. Jedes Ungleichgewicht kann sofort erkannt und mit Hilfe der Politik eingeebnet werden. Erinnert sehr an die Kommunen der 68er, wo ein regelmäßiger Seelenstripteas vor der ganzen WG Pflicht war. Dieser Zwang zur Beichte bestand z.B. in der "Kommune 1" für alle. Abgeschlossene Türen oder auch nur ein Gespräch, bei dem nicht alle Gruppenmitglieder anwesend waren galt schon als Verschwörung oder Absonderung vom Kollektiv. Kurz- wer in er Wunderwelt der Piraten darauf besteht, dass es in seinem Leben Bereiche gibt, welche die Allgemeinheit nichts angehen, der setzt sich dem Verdacht aus, sich von der Masse absetzen zu wollen und womöglich etws gegen die Allgemeinheit zu planen. Die Piraten glauben- soweit ich weiß- an die Intelligenz des Schwarms. Und wenn ich richtig liege, dann wüsste ich ein bislang fiktives Beispiel für eine Ideale Gesellschaft im Sinne der Piraten: Ein Borg- Kollektiv. "Trekkies" werden wissen, was das ist. Oder aber eine Welt, wie sie Aldous Huxley beschrieb. Ich lasse mich natürlich gerne belehren, wenn meine Ansichten falsch sind, aber wenn ich richtig liege, dann wollen die Piraten eine totalitäre Gesellschaft, in der alles über jeden Menschen offen gelegt werden soll. Die Frage ist nur, was soll nach Meinung der Piraten mit denjenigen geschehen, die- erfolgreich oder nicht- versuchen, sich diesem System zu entziehen? Gezielte Überwachung durch den Staat- oder einfach nur Aussschluss aus der Gesellschaft?

    Um es gleich vorweg zu nehmen: die aktuellen Ansätze zur Überwachung der Bürger durch "normale" Parteien bereiten mir ebenfalls Unbehagen.

  • S
    spin

    vor allem wundert die argumentferne mehrheitsbeschaffung in der wahl- und mediendemokratie:

     

    war die fdp politisch besser als sie 2009 mehr als 14% der wählerstimmen bekam? ist die linkspartei substanziell schwächer oder wurde sie schlechtgeredet? bei den erfolgen von rechtspopulisten in europa lässt sich doch ohnehin nur sagen: shit floats.

     

    von piraten bis csu lässt sich feststellen, dass wahlgewinne weitere wahlgewinne nah sich ziehen, und dass umfrageeinbrüche zu misserfolgen führen.

    "ich wähle einfach, was die anderen auch gut finden."

    das ist die aktuelle chance der piraten, und mittelfristig voraussichtlich auch ihr untergang.

  • HD
    Hajdy Do Bajdy

    „Die humanistischen Liberalen“

     

    Ist ein Widersprich an sich. Ich bin selber Humanist. Dies liegt schon in meiner ukrajinsichen Kultur. Humanistisch ist eine Geisteshaltung. Das Wort Liberalität ist im Politischen keine einheitliche Größe und hängt vom Hintergrund ab.

     

    Liberalität in der Politik ist eigentlich nur ein Lockvogel. Der Bürger soll vom Diktat des Staates "befreit" werden. Gerade in Umbruchzeiten verspricht man immer viel um etwas zu erlangen. Was dies ist, wird nicht genannt, sondern es werden die Träume der Leute angesprochen.

     

    Früher hat man in England den Menschen kostenlosen Alkohol angeboten und danach hat man sie in angeheiterter Stimmung zu harten Arbeit, meist lebenslang, verdonnert. Genau diese Vorgehensweise steckt hinter dem Begriff "Liberalität".

    In der Französischen Revolution hat man das Wort Liberalität benutzt um andere Völker zu "befreien". Die Befreiung bestand darin, dass man bei den Nachbarn Brot geklaut hat, da sich in Frankreich niemand mehr um den Ackerbau gekümmert hat.

     

    Daher ist eben wichtig in Umbruchzeiten, wenn man wirklich Änderungen möchte, dabei nicht die Grundsicherung zu vergessen, damit die gutklingenden Lösungen nicht missbraucht werden und wir dann wieder einen Napoleon bekommen.

  • S
    Sindbad

    Was ist die Piraten-Partei eigentlich? "Hund-Katze-oder Maus"? Aber-, riecht sie erst mal am Geld, weiß sie wo sie hingehört.