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Streit der WocheEuro um jeden Preis?

Staatsanleihen, die keiner will. Zinsen, die immer höher steigen. Die Europäische Zentralbank interveniert, sie tut alles, um den Euro retten. Ist das der richtige Weg?

Die Ausgangssituation ist klar, der Ausweg nicht. Bild: dapd

Wie viel ist uns in Europa der Euro wert? Sehr viel, sagt Draghi, im Grunde alles. Mario Draghi ist Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Eher wenig, sagt Urpilainen, jedenfalls nicht genug. Jutta Urpilainen ist Finanzministerin in Finnland. Das Land gehört als einziges in Nordeuropa der Währungsunion an.

Die finnische Regierung würde eher aus der Währungsunion aussteigen, als den Euro um jeden Preis zu retten und für die Schulden anderer Länder zu haften. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, auch auf einen Ausstieg aus dem Euro“, sagte Urpilainen der Wirtschaftszeitung Kauppalehti“ am vergangenen Freitag. „Wir glauben daran, dass der Euro Finnland nutzt“, sagte sie. „Dennoch wird Finnland nicht um jeden Preis am Euro festhalten.“

Mario Draghi sagte Ende Juli im Grunde das komplette Gegenteil: „Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir – es wird ausreichen.“ Draghi hat Macht. Er kann Staatsanleihen aufkaufen. Nach seiner Aussage schossen sofort sowohl Euro als auch Aktienkurse nach oben. Die Renditen für zehnjährige spanische Anleihen fielen endlich wieder unter die Marke von sieben Prozent. Lange nämlich kann ein Land wie Spanien, mit einer solchen Schuldenlast, Zinsen, die über sieben Prozent liegen, nicht ertragen.

Bild: taz

Den kompletten Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 11./12. August. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.

Um die Zinsen also zu drücken, hat die EZB bereits Staatsanleihen gekauft. Und sie tut es mehr denn je. Bis März 2012 hatte sie bereits 211 Milliarden Euro dafür investiert. Doch die Anleihenkäufe der Zentralbank sind umstritten. Kritiker glauben, dass die Intervention den Druck auf die Krisenländer mindert, die sich selbst Sparauflagen auferlegen und Reformen durchsetzen müssen. Zum anderen aber ist es die Aufgabe der EZB, für eine Stabilität des Geldwertes zu sorgen, und nicht die, Staaten zu finanzieren, indem sie ihnen direkte Kredite vergibt – was sie mit dem Kauf der Anleihen tut.

Am vergangenen Donnerstag hat der EZB-Rat getagt – und will offenbar in Zukunft eine Doppelstrategie fahren: Die Zentralbank will gemeinsam mit dem Euro-Rettungsschirm ESM an den Märkten intervenieren, um so die steigenden Zinsen der Krisenländer wieder zu senken. Was wird dann passieren? Die Angst jedenfalls bleibt: Wird es zu einer Inflation kommen, wenn die EZB unbegrenzt Anleihen kauft?

Was meinen Sie: Euro um jeden Preis? Müssen die Euroländer ihre Währung retten, egal, wie viel es am Ende kostet? Beziehen Sie Stellung! Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie im Wochenendmagazin sonntaz. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein.

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8 Kommentare

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  • M
    Michel

    Eine gemeinsame Währung ist eine ökonomisch gute Idee besonders in einer globalisierten Welt...jedoch nicht für jedes Land.

     

    Der Euro in seiner jetzigen Form wird nicht bestehen. Er ist unvernünftig und wider ökonomische Regeln als politische Vision von Politikern mit Null Sachverstand aufgebaut worden.

    Es war nur eine Frage der Zeit wann diese Blase platzen musste.

     

    Der Euro wird sich aufspalten in solche Länder, denen er nutzt und in jene, für die er geradezu schädlich ist.

     

    Diese heute immer noch gern benutzte "Alles oder Nichts"- Phrase ist dumm und unhaltbar und wird lediglich von Leuten benutzt die a) keine Ahnung haben oder b) Angstmacherei aus politischen Motiven betreiben.

     

    Entweder Deutschland wird die Eurozone verlassen (und mit uns einige andere Länder die mit uns in einer Währungsunion wirklich kompatibel sind) oder die Peripherie wird die Eurozone verlassen und zu ihren alten Währungen zurückkehren.

    Aber das kommt am Ende auf's Gleiche heraus: Der Euro wird sich gesundschrumpfen!

  • UR
    Uwe Roos

    Die gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Kosten sind jetzt schon nicht mehr kalkulierbar. Das Projekt Euro war bereits bei seiner Einführung ein Risiko. Ein Haus, bei dem das Dach vor dem Fundament errichtet wird, kann keine Zukunft haben. Der Euro wurde als politisches Kalkül geboren. Die Angst Frankreichs und anderer Eurostaaten vor einer übermächtigen D-Mark nach der deutschen Vereinigung spielten hierbei eine nicht unwichtige Rolle. Europa definiert sich über den Euro. Von einer Sozial-, Wirtschafts- und Fiskalunion ist nur noch marginal die Rede. Dabei sollten diese Säulen am Anfang stehen. Europas Problemlösung kann nicht nur darin bestehen, Banken zu retten und Finanzmärkte zufrieden zu stellen. Über allen politischen Blindflügen, die abheben, werden die Menschen vergessen, die Europa bevölkern. Bestenfalls werden Sie als Verfügungsmasse betrachtet, die das kopflose und sinnlose Sparen stillschweigend akzeptieren sollen. Politiker und Ökonomen reden gerne davon, das der Euro unsere Zukunft ist; und ohne eine einheitliche Währung Europa keine Zukunft hätte. Aber in der jetzigen Situation hat dieses Europa der nationalen Interessen auch mit dem Euro keine Zukunft. Wer es ehrlich mit dem Projekt Europa meint, sollte für einen uneingeschränkten Neuanfang plädieren - ohne den Euro.

  • D
    Domenq

    Staatsschulden werden grundsätzlich versteigert.

     

    Aus dem erzielten Preis - z. B. 90 Euro jetzt für 100 Euro retour in 5 Jahren - errechnet sich die Zinsrate.

     

    Die EZB kauft nicht direkt Schuldentitel; sie tritt mehr oder weniger offen auf diesen Versteigerungen über Mittelmänner als Bieter / Käufer auf. Mit frischen Neubuchungen, also komplett neu ins System gebuchtem Geld.

     

    Daher die Diskussion über Inflation, die dieses zusätzliche Geld auslösen wird.

  • RK
    Rainer Kühn

    Der Euro ist nicht Europa. Es geht auch nicht um seine Rettung, hier geht es um grenzenlose Ausbeutung und Umverteilung. Ziel ist die Abschaffung von Demokratie und Sozialstaat. Es gibt gute Alternativen. Warum überlassen wir diese Themen rechten Populisten?

    Beim tazlab gab es gute thematische Ansätze: Postwachstumsgesellschaft, Bruttosozialglück usw.

    Dann gibt es die Transition Town Bewegung, Komplementärwährungen, umlaufgesicherte, zinsfreie Währungen uvm. In den taz-Ausgaben findet sich fast nichts davon, quantitativ wenig, qualitativ fast nichts. Euer Problem ist, Ihr glaubt an nichts mehr und wollt Euren Besitzstand waren. Eine Genossenschaft zu sein, reicht noch lange nicht!

    Über 20 Jahre habe ich die taz abboniert und gelesen. In den letzten Wochen fand ich die besten Beiträge in den Leserbriefen!

  • I
    ion

    Den Artikel überflog ich lediglich, weil m-eine Antwort auf die Streitfrage ein unabänderliches, definitives: NEIN ! NEIN ! NEIN !

    ist und nie etwas anderes sein wird; Vielmehr gilt:

    Die bankrotten Länder raus (aus dem Euro) u./o. mit zusätzlicher, interner Parallelwährung weiter-'wurschteln' lassen;

    Griechenland hat sich durch Lug & Betrug in den Euro geschmuggelt und reißt jetzt den gesamten Laden in den Abgrund, weil es uneinsichtig war u. ist und jetzt nicht freiwillig gehen will?

    No-no-no!

    Ohne den gemeinsamen Euro würde die EU weltwirtschaftlich kurz- bis mittel-fristig im Off verschwinden.

     

    Und dass jetzt ein Herr Juncker im Rundumschlag wen-auch-immer mit den Worten:

     

    "Die Deutschen, viele Deutsche, auch die überregionale deutsche Presse, auch die bebilderte Presse, reden über Griechenland so als, ob dies ein Volk wäre, das es nicht zu respektieren gilt. Das ist nicht so.",

     

    maßregeln will, ist unverschämt und eine dreiste Verkehrung (auch eigener Fehl-einschätzungen u. -entscheidungen), denn gerade aus Respekt vor den Griechen hätte man vor über 2 jahren die Notbremse ziehen sollen, und .... . Denn: wieso soll es nicht auch Länder innerhalb der EU geben, die anderes im Leben für erstrebenswerter halten, als die Robotnix der Industrieballermänner(?) – dann aber bitte auch die Konsequenzen tragen!

     

    PS

    zur Bildlegende:

    "Die Ausgangslage" WAR(!) "klar, der Ausweg" wurde politisch verdaddelt.

  • BB
    Bert Blank

    Was heißt "Euro um jeden Preis"?

    Wenn es bedeutet, dass man eine Währung hat, unzählige Regierungen und mindestens doppelt so viele Ansichten, dann nein. Europa kann nur funktionieren, wenn es EINE Regierung gibt, etwa die der Bundesrepublik Europa und eben nicht 27 oder wie viel auch immer einzelne souvernäne nationale Regierungen, die so tun, als wären sie eine gemeinsame Region. Indem diese aus Stolz und Eitelkeit eine gemeinsame Währung bilden ohne sich um die nötigen Rahmenbedingungen auch nur ansatzweise Gedanken zu machen und dann immer mehr Geld aufwenden um nicht zugeben zu müssen, dass sie sich geirrt haben, ruinieren sie ihr so genanntes Lieblingsprojekt. Ich bin für Europa, mit allen Staaten, die aktuell dabei sind, aber nur solange, als dass die Rahmenbedingungen stimmen!

  • S
    strooker

    Was mich stört ist, dass immer noch viele Leute das Mantra der Undurchschaubarkeit der Finanzindustrie vor sich hertragen. Zum einen stimmt das nicht - auch Finanzkaufleute (ob sie nun für eine Bank arbeiten oder eine Versicherung etc.) sind selbstverständlich keine Übermenschen. Zum anderen ist es auch gar nicht nötig alles zu verstehen. Man muss allerdings irgendwann mal Entscheidungen treffen. Genau das wird leider in der EU - und vor allem in Deutschland - tunlichst vermieden.

     

    Somit muss ich sagen, dass mir die finnische Position als durchdacht und ehrlich erscheint. Niemand rettet irgendetwas um jeden Preis! Leider ist mir auch klar, dass Deutschland sich diese Position nicht zu eigen machen kann. Wenn Deutschland geht, geht der EURO. Aber dann dürfen einige deutsche Politiker auch nicht den Austritt Griechenlands aus dem EURO fordern. Die deutschen Politiker erscheinen mir somit ungeeignet die EU in dieser Frage zu führen. Das sehen wahrscheinlich auch andere Staaten in Europa mittleweile so.

     

    Somit erwarte ich in Zukunft eine Führung Frankreichs in dieser Frage - und damit Eurobonds und anderes, dass Fr. Merkel ja scheinbar nicht wollte. Insofern rechne ich mit einem Weiterbestehen der Eurozone und des Euros mit ähnlichen Garantien wie sie zum Weiterbestehen des US-Dollars gegeben werden. Langfristig bin ich mir unsicher, ob das so gut ist, da die Verschuldung der europäischen Staaten so weiter steigen muss.

     

    Ein Schritt zurück wäre mir lieber gewesen - auch um mehr Ehrlichkeit und Wirtschaftlichkeit in der EU zu erzwingen. Insbesondere auch bei den Politikern. Dies müssen wir danach über gesellschaftlichen Druck in der EU durchsetzen - obwohl es eine gesamteuropäische Gesellschaft im Grunde noch gar nicht gibt. Das wird wirklich schwer.

  • J
    Joeris

    Aus meiner Sicht sind die "Machenschaften" der internationalen Finanzindustrie für einen Laien komplett undurchschaubar geworden.

     

    Der Eindruck, dass, egal welche Massnahmen seitens der EZB und den einzelnen Staaten ergriffen werden, sich die wirtschaftliche Situation in Europa auf Talfahrt befindet, verhärtet sich.

     

    Der richtige Weg kann langfristig nur über eine radikale Veränderung der gesamten globalen Geldwirtschaft erfolgen.

    Derzeit werkelt die EZB nur an den Symptomen herum und wird sich irgendwann geschlagen geben müssen.

     

    In dieser ganzen Krisensituation sollten wir nie vergessen welche Bedeutung Frieden und Völkerverständigung für uns in Europa haben.

    Was man in letzter Zeit aus den Mündern einiger Politiker hört, ist hochgradig beängstigend.