piwik no script img

Streit der Woche„Wowereit als größter Klimaschützer“

Soll der Bau des Berliner Flughafen BER gestoppt werden? Ja, sagt der Ökonom Niko Paech. Ein Abbruch sei eine große Chance.

Wäre ein Abriss die richtige Exit-Strategie für den BER? Bild: Patrick Pleul/dpa

Flughafenchef Altman sieht es mittlerweile positiv: Die beim stockenden BER-Bau gewonnene Zeit könne man jetzt nutzen, um die Gepäckausgabe nochmal zu überdenken. Die vorhandenen acht Gepäckausgabebänder seien zu wenig, hatte ein Gutachten im vergangenen Jahr befunden. Was kommt noch alles? Mangelhafter Brandschutz, nicht funktionierende Lüftung, Probleme mit der Statik. Jetzt die Gepäckausgabe. Inmitten dieses Desasters dennoch etwas positives zu entdecken – damit liegt Altman voll im Trend.

Auch Niko Paech, Ökonom und Wachstumskritiker, freut sich über das Debakel: „Wer hätte das gedacht: Klaus Wowereit als größter Klimaschützer Deutschlands!“, kommentiert er unseren Streit. Es sei begrüßenswert, dass der Bau der „potentiell größten Berliner CO2-Schleuder“ nicht voran kommt. „Wer heute noch Flughäfen neu- oder ausbaut, kann nur das fossile Zeitalter fortsetzen wollen – etwa durch Fracking?“

Im Abbruch des Projekts sieht Paech eine große Chance: Geld zu sparen, die Umwelt zu schonen, eine weniger kerosinabhängige Wirtschaft zu stärken und ein „Zeichen gegen überkommene Gigantomanie“ zu setzen.

Bild: taz
sonntaz

Den kompletten Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 2./3. Februar 2013. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

„Murks bleibt eben Murks“, kommentiert Kristian-Peter Stange vom Bürgerverein Brandenburg-Berlin. Auf einem maroden Fundament könne man einfach keinen soliden Bau errichten. Es sei deshalb kein Wunder, dass niemand die Geschäftsführung übernehmen wolle. Noch sei es aber nicht zu spät „vorliegende Konzepte zu nutzen, um die Investruine BER in Schönefeld profitabel nachzunutzen und einen notwendigen Flughafen Berlin-Brandenburg am geeigneten Standort zu errichten.“

Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Linken, fordert eine zügige Fertigstellung. Die gelänge aber nur, wenn der zuständige Minister und seine Sekretäre zurücktreten würden. Bundesverkehrsminister Ramsauer sei ein „Klumpenrisiko“ und alle Projekte, für die er Verantwortung trägt, seien „in die Lederhose gegangen.“

Kindergarten statt Flughafen

Ein Abriss sei keine Lösung, findet Gerhard Zeige, Geschäftsführer der Berliner Bauberäumung GmbH. „Das ist ja alles Stahlbeton, den wegzureißen, das würde in die Milliarden gehen“, sagt er. Eine Umgestaltung findet er sinnvoll. „Die Führungsetage soll fliegen“ und das Gelände fürs Gewerbe freigegeben werden: „zum Beispiel für Möbelketten.“

Auch unsere Leserin Sabine Christmann hat alternative Nutzungsvorschläge: „Macht einen Spielplatz daraus. Oder ein Kindergarten. Oder ein Schwimmbad“, kommentiert sie auf Facebook. „Bonusmeilenjäger dürfen ihre Boni dann gern in die Bahn investieren“, das sei wirtschaftlich und ökologisch eh vernünftiger.

Überforderte Behörden

Hewdig Sensen, Präsidentin der Vereinigung Deutscher Pilotinnen, hofft noch auf BER. Im November besuchte sie die Großbaustelle und war bestürzt über den „dort zu Tage tretenden Diletantismus“. Für einen führenden Industriestandort wie Deutschland sei das eine beschämende Situation. „Die Behörden waren überfordert und aus der Politik kamen keine konstruktiven Impulse.“ Trotz allem bräuchten wir jetzt endlich „möglichst schnell einen funktionierenden BER“, sonst wäre der Imageschaden noch größer.

Dieter Faulenbach da Costa sieht das ähnlich. 44 Flughäfen hat er in seiner Karriere bereits mitgeplant. Im Auftrag der Brandenburger CDU-Fraktion hatte er eine Studie zum neuen Hauptstadtflughafen erstellt. „Zu spät, zu klein, zu teuer“ nannte er das Projekt BER im November.

Im sonntaz-Streit schlägt er „eine Inbetriebnahme von BER mit den Satelliten SXF alt, Neuhardenberg und Drewitz“ vor, die einen „hohen Abfertigungsstandard des absehbaren Verkehraufkommens“ sichert. So ließe sich Zeit gewinnen, um über „zukunftsfähige Alternativen nachzudenken.“

Nicht länger warten und über Lösungen nachdenken will Gregor Klässig. Der Systemgastronom ist einer von vielen Mittelständlern, die in BER investiert haben. Der Flughafen müsse jetzt endlich fertig werden. „Obwohl für uns keine Entschädigungen zu erwarten sind, bin ich dagegen, das Großprojekt BER abzubrechen.“ Berlin brauche BER, Tegel stelle nun mal keine Alternative dar.

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Martin Delius, Mitglied der Piraten im Abgeordnetenhaus Berlin, sowie Sigrid Zentgraf-Gerlach von der Bürgerinitiative „Mahlower Schriftstellerviertel“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • KV
    Klimaschänder Verrecke

    Da das ja leider nicht passieren wird, muß man wohl einen Militärputsch durchführen, um dann mit Drohnen alle Flieger, Autos, LKWs und Schiffe platt zu machen.

  • D
    durga

    na sperenberg als alternativer flughafen, vor jahren vorgeschlagen ,würde jetzt schon laufen und den berliner bürger nicht noch mehr belasten.warum eigentlich nicht sperenberg(man stört kaum menschen,der flughafen kann wachsen und versaut kein trinkwasserresource wie den müggelsee) achso ,war ein linker vorschlag ,na dann schönefeld !

  • H
    Hugo

    Das beste an diesem Artikel ist für mich der Terminus "nachnutzen". Wenn schon Fatalismus, dann doch bitte als Denkmal für Freiheit und Selbstbestimmung, vielleicht spendiert der israelische Botschafter noch ein paar hundert 10m hohe Mauerelemente, die man quer zu den Startbahnen und auch sonst ringsum arrangiert.

     

    Warum wird eigentlich so wenig von den Schuldigen gesprochen? Weil alle ein wenig mit schuld sind? Aus meiner Sicht gehören Planer, die solchen Mist planen, eingesperrt und zu Schadenersatz verurteilt. Außerdem sollte man den Nutzen eines Flughafens nicht so strikt mit seiner Größe verkoppeln. Es weiß doch heute jedes Kind, daß eine stramme Kerosinsteuer das Flugaufkommen locker um 60% vermindern kann.

  • A
    adamdavidkarlpiero

    Liebe Frau Höstergerser,

    Ich möchte Sie doch bitten, sich erst einmal mit Paechs Ideen auseinanderzusetzen, bevor Sie so etwas schreiben.

    Erstens weiß dieser Herr sehr wohl, wie der Kapitalismus funktioniert; ich würde sogar behaupten, dass er ihn als einer der wenigen durchschaut hat. Ferner profitiert er sicherlich nicht vom Kapitalismus - der Mann arbeitet 20 Stunden in der Woche und repariert ansonsten Fahrräder und Computer; das ist ja wohl genau das Gegenteilder geplanten Obszoleszens oder anderen Dingen, die der modern Kapitalismus verkörpert.

    Zweitens wäre es Herr Paech wohl am liebsten, wenn die Menschen mit Kutschen anreisen würden, denn er ist selber in seinem Leben erst einmal geflogen und ist gegen eine Welt, in der jeder Umweltaktivist mal schnell von Kanada nach Indien fliegen kann, für ein 3 stündiges Meeting um die halbe Welt gejettet wird und jeder Student ein Auslandssemester in Asien macht. Ich denke, dass er da vor allem im Hinterkopf hat, dass unsere Enkelkinder auch noch etwas von dieser Erde haben sollen.

    Drittens finde ich es eine absolute Frechheit, auf Grund Paechs Aussagen den Wissenschaftsstandort Deutschland anzuzweifeln. Nun ja, sie haben Recht - die neoklassische Wachstumstheorie mit ihrem einseitigen Kapitalbegriff, die Vorrang in der volkswirtschaftlichen Forschung hat, sollte einen zweifeln lassen. Aber doch nicht jemand, der sich wirklich mal Gedanken über etwas macht und zwar radikale, aber zumindestens sehr gut durchdachte und argumentierte Vorschläge bringt. Diesem Mann gehört eigentlich die Wissenschaftlerkrone aufgesetzt, und ich freue mich, dass er in unserer durchökonomisierten Wissenschaftsgesellschaft Gehör findet.

  • G
    Gonzi

    Endlich mal ein paar vernünftige Vorschläge, um aus diesem Projekt noch etwas Sinnvolles zu machen.

  • B
    BÄR

    Man sollte daraus den Freizeitpark BÄR machen:

     

    Die Geschäfte können ja einziehen, in den Tower kommt ein Nobelrestaurant, neben die Staatbahn eine Reihe von Pools, Theater und co. in die Hangar - auf den Betonflächen kann man Segelskaten, Kartfahren und in Flugzeugen rumklettern, aus den Abfertigunghallen macht man so ein Tropical Island - und die Gespäckbänder nutzt man dann für Geschirr und fertig is.

  • BH
    Beat Höstergerser

    Also, dass es Leute wie Parch gibt, die immer noch nicht begriffen haben, wie der Kapitalismus funktioniert und ihn am liebsten einstampfen wollen obwohl sie massiv davon profitieren, ist ja das eine - aber wenn diese ("akademische") Gestalten nicht begreifen wollen, dass ein Flughafen für eine 3.5 Millionenstadt einfach notwendig ist, läßt einen doch am Wissenschaftsstandort Deutschland zweifeln. Sollen die Leute mit Kutschen anreisen bzw. mit Booten über die Spree anlanden?

     

    Hätte dieser "Volkswirtschaftler" wirklich ein wenig Konsistenz, hätte er sich für die Schließung vom Flughafen Oldenburg oder Münster einsetzen können, aber Städten wie Berlin zu erzählen sie bräuchten keinen ist einfach nur dämlich. Selbst für einen Postwachstumsökonomen.