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Streit der Woche zu Studiengebühren„Eine Frage der Gerechtigkeit“

Studiengebühren sind fair, findet die Bundesministerin für Bildung Annette Schavan. Für Stephan Weil sieht Fairness anders aus.

Was kostet die Uni – und wer bezahlt? Bild: dapd

Noch bis Ende Januar können die Bayern in einem Volksbegehren über die Abschaffung der Studiengebühren abstimmen. Gleichzeitig wird in Niedersachsen am 20. Januar ein neuer Landtag gewählt. Bayern und Niedersachsen sind die letzten beiden Bundesländer, die Studiengebühren haben. Ist das Bezahlstudium am Ende?

„Nein“, schreibt Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung (CDU), im aktuellen „Streit der Woche“ in der sonntaz. Sie verteidigt das Zahlmodell. „Studiengebühren sind eine Frage der Gerechtigkeit“. Vorausgesetzt sie werden richtig eingesetzt – nämlich „moderat“. An einem Beispiel erklärt sie ihren Begriff von Gerechtigkeit. „Warum soll eine Krankenschwester mit ihren Steuern das Studium des künftigen Chefarztes finanzieren? Das ist nicht einzusehen“. Auch ein Geselle müsse für den Meistertitel zahlen. Außerdem hätten gerade Akademiker gute Jobaussichten.

Wenn Stephan Weil, SPD-Spitzenkandidat in Niedersachsen, von Gerechtigkeit spricht, meint er nicht die Studiengebühren. Ganz im Gegenteil, diese seien sozial ungerecht. „Ein Viertel der Studierenden lebt von weniger als 600 Euro im Monat“, schreibt Weil in der sonntaz. Kommen pro Semester noch 500 Euro Studiengebühren hinzu, dann ist das „sehr viel Geld“ für Studierende. Das halte Menschen vom Studium ab.

Weil fordert einen kostenfreien Zugang zum Studium, unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern. Was die Zukunft angeht, ist der SPD-Mann zuversichtlich. „Ende 2013 wird es keine Landesregierung mehr geben, die die Einführung von Studiengebühren anstrebt“.

Bild: sonntaz
sonntaz

Den kompletten Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. Januar 2013. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Die eine - und die andere Gerechtigkeit

Bildung ist nicht umsonst, findet der Bochumer Wirtschaftprofessor Stefan Winter. Wer später genug verdient, kann auch zahlen. „Von einem Dax-Vorstand mit einem Jahreseinkommen von fünf Millionen Euro, darf man wohl ein Prozent nachträgliche Universitätsabgabe erwarten“. Das entspräche etwa 50.000 Euro jährlich. „Wo ist das Problem?“, schreibt der Professor in der sonntaz. Winter zahlt freiwillig Studiengebühren an seine alte Uni Hannover nach. Das sollten alle „akademischen Topverdiener“.

Die in Istanbul lebende Jazz-Sängerin Basak Yavuz hat in Amerika studiert, zwei Master-Abschlüsse absolviert und gehört dennoch nicht zu den Topverdienern. „Mein monatliches Einkommen ist niedrig“. Außerdem müsse sie noch immer ihren Kredit zurückzahlen. Yavuz stellt sich vor allem eine Frage: Wie hoch müssen Studiengebühren sein? Wenige hundert Euro pro Semester hält sie für leistbar. „Aber wie sieht das in zehn Jahren aus? Von 500 Euro auf 1.000 Euro, oder mehr?“

Die sonntaz-Frage „Sind die Studiengebühren am Ende?“ beantworten außerdem Michael Piazolo, Generalsekretär der FREIEN WÄHLER, Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Karl Eder, Geschäftsführer des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Johanna Wanka, niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur (CDU), Stephan Jansen, Präsident der privaten Zeppelin-Universität am Bodensee sowie der taz-Leser Alexander Knodt.

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3 Kommentare

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  • KA
    katolische Arbeitertochter vom Land

    „Warum soll eine Krankenschwester mit ihren Steuern das Studium des künftigen Chefarztes finanzieren?"

     

    1. liebe Frau Schavan, sollte der Chefarzt bei einem sozial gerechten Steuermodell deutlich höhere Steuern als die Krankenschwester zahlen, und damit einen angemessenen Beitrag für Bildung und das Gemeinwesen überhaupt leisten (auch wenn das Ihre Partei lieber anders hätte)

     

    2. geht es nicht um die Krankenschwester, die jetzt den Medizinstudenten "finanziert", sondern darum, ob sich die Tochter der Krankenschwester ebenso ein Studium erlauben kann wie der Sohn des Chefarztes - hier ist die Gerechtigkeitslücke.

     

    Daß man sich seit zwanzig Jahren immer wieder die selben dummen Argumente für Studiengebühren anhören muß, ist unglaublich. Daß es Menschen gibt, die den Schwachsinn tatsächlich glauben, läßt sich nur durch mangelnde Bildung erklären. Daß Frau Schavan sich nicht schämt für solche Aussagen, ist überhaupt nicht zu erklären.

     

    Immer noch aktuell: Argumente gegen Studiengebühren, in: Anpassen und Untergehen. Beiträge zur Hochschulpolitik (1999) http://www.bdwi.de/verlag/gesamtkatalog/98715.html

  • S
    Slobo

    Mich packt die blanke Wut, wenn ich so einen Schwachsinn a la "Studiengebühren sind gerecht" lese. Hier wird die Bevölkerung wieder nach dem "teile und herrsche"-Prinzip gegeneinander aufgehetzt: Studenten gegen den Rest.

     

    Studenten studieren und verdienen erstmal kein Geld. Gesellen und Azubis verdienen Geld. Wo sollen die Studenten bitte das Geld herholen? Will man Studenten zwingen, neben ihrem Studium zu arbeiten oder einen Kredit aufzunehmen? Für mich sieht das fast so aus.

     

    Und zur Schein-Argumentation, dass Akademiker hinterher besser verdienen: Ja, die meisten verdienen gut, aber sie zahlen auch automatisch mehr Steuern als Geringverdiener, weil prozentual besteuert wird. Somit sind die Kosten für's Studium irgendwan auch wieder zurückbezahlt.

  • A
    alex

    Hätte es seinerzeit Studiengebühren gegeben, Frau S. wäre wohl karrieretechnisch ihrer Mutter gefolgt.

    Und ich habe den Eindruck sie hat ihr Studium nicht genutzt und Kants berühmten Satz zu folgen.