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Streit der Woche zu Schwarz-GrünUnterschiedliche Kultur, ein Ziel

Wäre Schwarz-Grün besser? Ja, findet Merkel-Biograf Gerd Langguth und empfiehlt der Kanzlerin, die Grünen noch mehr an die Union zu binden.

Vorbild Hamburg: In der Hansestadt kam es zur ersten schwarz-grünen Landeskoalition. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Merkel-Biograf und Politikwissenschaftler Gerd Langguth rät der Kanzlerin, die Grünen dauerhaft an die Union zu binden. Die Grünen hätten sich zu einer "neobürgerlichen Partei" entwickelt. Ihre Zeit als "Antiparteienpartei" sei vorbei. "Die politischen Gemeinsamkeiten der Union mit den Grünen sind trotz Differenzen stärker geworden", schreibt Langguth im Streit der Woche in der sonntaz. Die unterschiedliche politische Kultur beider Parteien kann in seinen Augen sogar dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit mit mehr gegenseitigem Respekt vonstatten ginge als es in der gegenwärtigen christlich-liberalen Koalition der Fall sei.

Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler ist die Zeit dagegen noch nicht reif für Schwarz-Grün im Bund. Bei allen entscheidenden politischen Fragen, wie zum Beispiel dem Mindestlohn oder dem Atomausstieg, hätte seine Partei deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD und der Linkspartei als mit der Union. Der Jungpolitiker warnt: "Regieren um jeden Preis ist Mist." Auch die stellvertretende Generalsekretärin der CSU, Dorothee Bär, schreibt in der sonntaz, dass die Ansichten der Union und der Grünen in wesentlichen Themen fundamental verschieden seien. Um Deutschland aus der Krise zu führen, sei die FDP nicht nur der richtige Partner für die Union, "sondern unser Wunschpartner." Zur Verhinderung von Rot-Rot-Grün müsse sich die Union aber alle Bündnisse offen halten.

Angela Merkel bestreitet zwar, dass sie sich mehr schwarz-grüne Landesregierungen wünscht. Schon nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai könnte es aber womöglich ein weiteres Bündnis aus CDU und Grünen geben: Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap kämen die Grünen in NRW auf rund 13 Prozent der Wählerstimmen, wenn am Sonntag Landtagswahl wäre.

Bild: taz

Den vollständigen Streit der Woche finden Sie in der aktuellen sonntaz - am 6. und 7. März gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Die Liberalen wären mit zehn Prozent nur viertstärkste Kraft. Da CDU und SPD in der Umfrage mit 33 bis 35 Prozent in etwa gleichauf liegen, erscheint eine Neuauflage der schwarz-gelben Regierung momentan als unwahrscheinlich. Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts können sich derzeit 42 Prozent der Deutschen eine schwarz-grüne Koalition vorstellen.

Im "Streit der Woche" der sonntaz zur Frage, ob Schwarz-Grün besser wäre, diskutieren außerdem Ex-SPD-Bundesminister Olaf Scholz, Schauspieler Volker Brandt, Sachsens Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau, taz.de-User Heinz Rüdmus und Bärbel Beuermann, Spitzenkandidatin für die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen.

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8 Kommentare

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  • V
    vic

    Ich für meinen Teil ziehe eine effektive und starke Opposition einem neuen Kuscheltierchen für Merkel vor.

    Leider bin ich sicher, sollten die Grünen die Chance auf einen Zipfel macht bekommen, werden sie danach greifen.

    Besser ist das deswegen aber nicht.

    Merkel mit Rot. Merkel mit Gelb. Merkel mit Grün.

    Ich sehe nicht, was daran gut oder gar besser sein soll.

  • A
    Andreas

    Regieren um jeden Preis ist wirklich Mist, aber Nicht-Regieren, weil die Partner nicht passen oder nicht ausgereift sind, ist auch Mist. Es ist doch klar: Die Grünen gewinnen momentan gewaltig an Stärke, aber die schmeckt schlecht, bestenfalls durchwachsen. Die CDU ist sozial-politisch ähnlich schlecht wie die SPD, aber bei denen ist es wenigstens vorher klar, andererseits hat die CDU/CSU nicht das Strukturproblem, das die SPD seit den Schröderjahren hat und mit dem sie nicht fertig zu werden scheint.

    Die CDU/CSU scheint mir nur einen einzigen, echten Vorteil zu bieten: Diese Partei fängt an zu verstehen, dass die FDP eine irreale, weltfremde und teilweise aggressiv anti-soziale Partei ist, die damit mehr und mehr nicht mehr zur Union passt. Andererseits standen sich Union und Grüne schon lange nahe, was Umweltschutz, Kirchen und eine gewisse Liberalität angeht. Das war in Anbetracht der Problemlage selten ausreichend für mehr als eine Pizza unter Jungabgeordneten, aber heute ist die SPD eine angeschlagene Partei und es ist durchaus möglich, dass sie so bleibt.

    Dann bliebe noch die Linkspartei, die stark ist, wenn es um Soziales, Arbeit und Internationalismus geht, aber schwach wenn es um Regierung, Pragmatismus und sogar Anpassung gehen muss. Gysie hätte sicherlich nicht so durchgehalten wie Fischer unter Schröder. Das ist vielleicht sogar sympathischer, aber auf Dauer zählt nur, was in Regierungen gemacht werden kann.

    Wenn die Union Hartz-IV entschärft, Sätze anpasst und die aggressive, destruktive Stimmung in den Job-Centern durch echte Kundenfreundlichkeit ersetzt, könnte es mit der Union funktionieren. Das Gute ist, dass es in der Union starke Kräfte gibt, die das auch wollen.

    Bei Auslandseinsätzen, Atomkraft, Lobbyismus, Finanzmarkt, EU, Subventionen für Arbeiter und auch Geheimdienste/Innere Sicherheit liegen aber genug Mienen umher, die für Sprengkraft sorgen. Das bedeutet: Es müssen starke Führungen in beiden Parteien vorhanden sein, damit es klappt.

    Die Alternative ist ganz einfach: Aus irgendeinem Grund berappelt sich die SPD und wird wieder Volkspartei, gewinnt Mitglieder und Sympathie. Wahrscheinlichkeit: Gering.

  • A
    A.Wüstefeld

    Diese ganzen Spekulationen gehen aber voll an der Basis vorbei!

    Wir 'Grünen/Bündnis 90' sollen als Juniorpartner genauso verheizt werden wie erst die SPD unter Steindingsbums und dann die FDP unter Westerwave. Wenn die Entwicklung der Grünen so abgeht wie in Hamburg oder im Saarland, dann könnt Ihr da oben, ich meine hier die 'grünen' Politstrategen, ohne mich weitermachen. Ich glaube nicht, das ich mit dieser Meinung alleine dastehe!

    Gruß Andreas

  • E
    Eddy

    Aus einem Bauchgefühl scheint mir die taz hier eine (weitere)Schwarz-Grüne Koaliton herbeischreiben zu wollen.

    "Unterschiedliche Kultur, ein Ziel" wie kommen Sie zu dieser Überschrift? Entweder ist dieser Artikel nur eine gekürzte Version oder hier wird sich etwas zusammengwünscht, was nicht zusammen gehört.

  • W
    W.Lorenzen-Pranger

    Was ist nur aus den Grünen geworden? Schwarz / Grün? Es gibt Dinge, die tut man einfach nicht - die sind unanständig!

  • KK
    klaus keller

    Wer will denn wissen was Olaf Scholz zu Schwarz-Grün zu sagen hat?

     

    klaus keller hanau

  • JB
    Joachim Bovier

    Das gilt weit über Frankfurt hinaus, im gegenwärtigen Hamburger Schulstreit, der die dortige CDU spaltet, zeigt sich ja ähnliches.

     

    Die CDU hat es mit der sogenannten Modernisierung zur "modernen Großstadtpartei" - was immer das auch sein mag - gewiss übertrieben. Erst die von Frau Merkel in Berlin ausgehende Sozialdemokratisierung, nun auch noch die Ausrichtung auf die Grünen. Das mag ja alles kurzfristig durchaus Mehrheiten bringen, es führt aber auch dazu, dass die heutige CDU für nichts mehr steht - eine Partei der Beliebigkeit, Hauptsache an der Macht.

     

    Das war zu Zeiten von Alfred Dregger, Helmut Kohl und Friedrich Merz noch völlig anders. Da ging es gegen den Sozialismus - heute hat er von der CDU längst Besitz ergriffen, da sollten die Grünen mit der Dachlatte erledigt werden - heute schwätzt man deren Ökogedöns nach und huldigt der modernen Klimareligion mehr als Gott und Kirche.

     

    Es kann demnach nicht wirklich verwundern, dass gerade die treusten Stammwähler scharenweise zur FDP abwandern oder in die Stimmenthaltung flüchten. Schwarz-Grün und Sozialdemokratisierung sind verhängnisvolle Irrwege der einst bürgerlich konservativen Volkspartei. Wie sich schon bei der Bundestagswahl gezeigt hat, ist es voraussehbar, dass die CDU dafür von den liberalen und konservativen Wählern auch künftig entsprechend abgestraft werden wird.

     

    Und keine Illusionen: die Partei der Grünen wird sich dann nicht loyal an die Seite der CDU stellen, wie es die so modernistisch heute gern verächtlich gemachte FDP, auch in schwersten Stunden, immer getan hat. An die hessische Spendenaffäre darf in diesem Zusammenhang durchaus einmal erinnert werden. Als eine Frau Merkel den Herrn Koch schon längst fallen gelassen hatte, war es die damalige hessische FDP-Vorsitzende Ruth Wagner, die ihn in einem Akt heroischer Nibelungentreue gerettet hat. Wer diesen bürgerlichen Block aus CDU und FDP spaltet, versündigt sich an der Geschichte und wird dadurch keine Zukunft gewinnen.

     

    Andererseits können harte Sanktionen dieser Politik der Anbiederung durch die Wähler in NRW, Hamburg und Frankfurt vielleicht einen Markstein setzen, einen Wendepunkt, den auch von Berlin vorangetriebenen Experimenten von Merkel, Röttgen & Co. in Richtung Grün einen Dämpfer versetzten. Vielleicht gibt es dann doch noch Einkehr und Besinnung auf die klassischen konservativen Werte.

    Denn eine sozialdemokratisierte und grün angehauchte CDU dürfte mittelfristig ihre Existenzberechtigung verlieren. Es bietet sich hier möglicherweise die letzte Chance, die eigentlich längst überfällige Gründung einer wirklich konservativen Partei zu verhindern.

  • R
    reblek

    "Da CDU und SPD in der Umfrage mit 33 bis 35 Prozent in etwa gleichauf liegen, erscheint eine Neuauflage der schwarz-gelben Regierung momentan als unwahrscheinlich." Aha, das "erscheint unwahrscheinlich" - vor allem aber ist wahrscheinlich, dass es sich dabei zum einen ziemlich liederlichen Umgang mit der deutschen Sprache handelt.