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Streit der Woche Soziale Netzwerke"Echte Freunde brauchen Pflege"

Machen soziale Netzwerke unsozial? Nein, sagt Verbraucherschutzministerin Aigner. Die Grüne Göring-Eckhard befürchtet dagegen ein falsches Verständnis von Freundschaft.

Machen Online-Netzwerke unsozial? „Viele von uns können noch laufen, obwohl es Autos gibt", sagt Spreeblick-Blogger Johnny Haeusler. Bild: dpa

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner schätzt die Möglichkeiten der sozialen Online-Plattformen. „Ich bleibe dabei: Soziale Netzwerke und das Internet bereichern unser Leben, auch meines“, schreibt die CSU-Politikerin im „Streit der Woche“ der sonntaz. Online-Netzwerke brächten Menschen zusammen, unabhängig von Aufenthaltsort und Nationalität. In der vergangenen Woche hatte Aigner wegen der geplanten Datenschutz-Lockerung dem Netzwerk Facebook mit ihrer Abmeldung gedroht. Aigner kritisiert aber die Profitgier der Plattform-Anbieter: „Leider hat das Streben nach Größe und Profit manche IT-Manager vergessen lassen, dass Netzwerke auf einem fairen Miteinander gründen.“

Katrin Göring-Eckhard sieht dagegen die Gefahr, dass vor lauter Kontaktesammeln vergessen und verlernt werde, dass echte Freunde dauerhaft Zuneigung und Pflege brauchen. Neben den Vorteilen der „niedrigschwelligen Netzwerkerei“ sieht sie eine Beliebigkeit des Freundebegriffs im Netz: „Schon allein, dass man sich nicht in die Augen sehen, riechen, fühlen kann, ist ein Problem. Und dass man immer nur den Teil zu lesen bekommt, der für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmt ist.“


Der Blogger, Autor und Journalist Sascha Lobo hält das Bild des blassen, vereinsamten Nerds vor dem Bildschirm für ein Vorurteil und widerlegt diese „diffuse Asozialitätsvermutung“. Nach einer Untersuchung von Patti Valkenburg von der Universität Amsterdam verbessern Social Networks das Sozialverhalten von Jugendlichen sogar, argumentiert Lobo.

Bild: taz

Den vollständigen Streit der Woche lesen Sie in der aktuellen vom 10./11.4.2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Spreeblick-Blogger Johnny Haeusler hält die These, dass Online-Netzwerke unsozial machen, für absurd. Der Mitveranstalter der re:publica, die in der kommenden Woche in Berlin stattfindet, antwortete taz.de auf die Streitfrage: „Viele von uns können noch laufen, obwohl es Autos gibt, und mögen Teilchen, obwohl die alle kollidiert sind. Ich gehe also davon aus, dass sich Menschen auch weiterhin für andere Menschen interessieren werden, obwohl sie sich für andere Menschen interessieren.“

Dass Menschen weniger miteinander kommunizieren, je mehr Kommunikationsmittel sie haben, meint dagegen Gabriele Farke, Initiatorin und Vorsitzende des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe bei Onlinesucht. Sie sagte taz.de: „Unsere Hilfesuchenden berichten vor allem von langen und häufigen Nutzungszeiten in FaceBook oder StudiVZ.“ Das Tragische sei, dass ein Großteil von ihnen der realen Isolation entkommen will, aber dabei nicht merkt, dass sie sich immer mehr isolieren und sogar entsozialisieren.


Im Streit der Woche debattieren außerdem Wissenschaftler Ulrich Reinhardt, Cybermobbing-Experte Tobias H. Strömer, Persönlichkeitspsychologe Mitja Back und taz.de-Leser Jörg Jelden.

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6 Kommentare

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  • N
    NINA

    Ich persönlich bin der Meinung, dass wenn man ein Problem in der "realen" Welt hat und sich in die " virtuelle" Welt flüchtet, das alles nicht durch Soziale Netzwerke gelöst werden kann.

     

    Ich persönlich mag es Fernkontakte via

    Facebook zu erhalten. Ich denke aber auch, dass es

    nur eine Freundschaften fortsetzen ,und,oder

    erhalten kann, man aber nicht neue (wichtige) Freunde über diese Sozialen Seiten knüpfen kann.

  • S
    Sujata301070

    Ich sehe es nicht ein, dass Menschen, die über Online-Platform Kontakt zu Freunden und zu Bekannten halten als isoliert verkannt werden oder dass man behauptet, Online-Platform würden desozialisieren. Entweder sind Menschen kommunikativ oder sie sind es nicht und es gibt verschiedene Nuancen dessen.

     

    Für mich ist ein Online-Platform wie Facebook ein Geschenk, da ich damit Kontakt zu alten Schul- und Uni-Bekannten in meiner Heimat wieder aufnehmen konnte. Über Facebook sich aus Deutschland verabreden zu können, wenn der Urlaub in der Heimat ansteht, ist nicht kritikwürdig, sondern hilfreich.

     

    Internet isoliert Menschen nicht, sondern schafft eine weitere Möglichkeit, Menschen kennen zu lernen und Kontakt mit alten Bekannten und Freunden aufrecht zu halten...

  • Q
    Querlant

    Wer echte Freunde hat, braucht keine sozialen Netzwerke im Internet!

  • P
    piet

    reality tops virtuality - wow ... da habt ihr aber lange gebraucht. ungefähr genauso lange wie die csu ... kinnas echt

  • TS
    Tobias Schmitt

    Ich glaube nicht, dass Social Networks generell desozialisieren. Dennoch sind sie für Leute, die in der "Realität" Probleme mit der Freundfindung haben nicht generell ungefährlich. Viele verrennen sich dann in Social Networks, weil ja "dort jemand mit mir kommuniziert". Im Gegensatz zur plastischen Welt.

    Für Menschen, die sehr extrovertiert sind, sind Social Networks sowieso nur eine nette kleine Erweiterung. Man kann sich schneller für Partys oder Veranstaltungen verabreden, kann die gemeinsamen Fotos kommentieren usw.

     

    So ist jedenfalls meine Erfahrung. Wenn man das problem der desozialisierung aber wieder mal am Symptom anpackt anstatt an der Ursache, dann zensiert man wieder eine Bereicherung der Gesellschaft aufgrund falscher Diagnose. Aber das ist man von der Politik ja gewohnt.

  • K
    Karlchen

    Selbstverständlich ersetzen Internetkontakte...keine innigen Freundschaften, sondern erweitern nur den "Horizont"..,

    Dies ist insbesondere für Menschen, die weit auseinander wohnen von Vorteil.

     

    Als das Telefon die Welt eroberte war doch eigentlich auch klar., das dies eine neue Form der Kontaktaufnahme ist....- nicht mehr, aber auch nicht weniger.

     

    Gibt es da wirklich Streit???