Streit bei der Linken: Heyenn bleibt vor der Tür
Parteitag debattiert über Austritt von Spitzenkandidatin Dora Heyenn aus der Fraktion. Die sieht das Vertrauensverhältnis zerstört.
HAMBURG taz | Das sei einfach „eine Demütigung zu viel gewesen“, sagte Dora Heyenn auf dem Parteitag der Hamburger Linken am Sonnabend. Der diskutierte hitzig darüber, dass die erfolgreiche dreimalige Spitzenkandidatin bei der Bestätigung als Fraktionsvorsitzende vor drei Wochen gescheitert war. Daraufhin war Heyenn aus der Fraktion der Linken ausgetreten und gehört der Bürgerschaft nun als fraktionslose Abgeordnete an.
In der hart und kontrovers geführten Diskussion auf dem Parteitag fielen Begriffe wie „Betrug am Wähler“ und „Heuchelei“, andere wiederum sprachen von „Unfall“ und „Denkzettel“. Heyenn selbst, die die Wahlkampagne der Linken unter dem Motto „Mehr Menschlichkeit, das muss schon drin sein“ angeführt hatte, zeigte sich tief betroffen von ihrem Aus: „Ich war platt. Kein Mensch hatte mit mir gesprochen. Das Vertrauensverhältnis hat sich seitdem nicht verbessert“, stellte die 65-Jährige unmissverständlich klar.
Die Fraktion hatte beschlossen, künftig mit einer Doppelspitze zu arbeiten. Während die 26-jährige Abgeordnete Cansu Özdemir gewählt wurde, fiel Heyenn mit 5:6 Stimmen durch – und zog die Konsequenzen. Daraufhin wurde die Abgeordnete Sabine Boeddinghaus in die Doppelspitze gewählt. „Es war nicht die Absicht, Dora abzusägen“, sagte Boeddinghaus am Samstag und fügte hinzu: „Ich habe nun ein Amt, das ich nicht wollte.“
Vor dem Parteitag hatten mehr als hundert Mitglieder in einem offenen Brief die Rückkehr Heyenns gefordert. Ein Antrag, die Fraktion zur Neuwahl des Vorstandes aufzurufen, erreichte auf dem Parteitag aber nur 40 Stimmen, 73 Delegierte forderten von beiden Seiten „vertrauensbildende Maßnahmen, um eine Rückkehr zu ermöglichen“. Die Tür der Fraktion stehe für Heyenn weiter offen, sagte Boeddinghaus. Der Fraktionsvorstand und Heyenn wollen sich am Donnerstag zu einem Gespräch treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt