Streit bei den Piraten: Ein Gespräch gegen den Zoff
Der Streit zwischen dem Berliner Landesverband und dem Bundesvorstand der Piraten ist eskaliert. Nun soll ein Gespräch vor dem Parteitag eine Klärung herbeiführen.
BERLIN dpa | Vier Wochen vor der Wahl eines neuen Bundesvorstands bemüht sich die Piratenpartei um eine Beilegung ihrer internen Querelen. Nach einer weiteren Zuspitzung im Dauerstreit zwischen Bundesvorstand und Berliner Landesverband sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz am Mittwoch, er habe mit dem Berliner Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum ein Gespräch vereinbart, das vermutlich noch vor dem Bundesparteitag am letzten April-Wochenende in Neumünster stattfinden werde.
Baum hatte sich am Dienstag im Blog der Piratenfraktion Berlin gegen eine E-Mail von Nerz gewandt und sich beschwert, er lasse sich nicht für Äußerungen einzelner Fraktionsmitglieder verantwortlich machen. Nerz erläuterte im Gespräch, Anlass seiner Mail seien öffentliche Vorwürfe von Abgeordneten gegen den Bundesvorstand und einzelne Beauftragte gewesen. Er würde sich „wünschen, dass die Fraktion einmal thematisiert, wie die Abgeordneten mit ihrer besonderen Öffentlichkeit umgehen sollen“.
Das Verhältnis zwischen beiden Seiten sei seit etwa einem halben Jahr sehr kompliziert, heißt es bei Berliner Piraten. Ein Streitpunkt sei die Haltung gegenüber der Software Liquid Feedback, mit der die Piraten Parteitage vorbereiten und Meinungsbildungsprozesse transparent machen. Ansonsten gebe es kaum inhaltliche Differenzen. Umso mehr aber persönliche Abneigungen.
„Es ist belastend genug, wenn von einzelnen Parteimitgliedern gegen Beauftragte des Bundesvorstands geschossen wird“, sagte Nerz. „Wenn das von Abgeordneten kommt, hat das eine ganz andere Streuwirkung.“ In jüngster Zeit habe es auf unterschiedlichen Ebenen der Partei eine ganze Reihe von Rücktritten oder Entscheidungen gegeben, nicht wieder für ein Amt zu kandidieren.
„Das sollte durchaus zum Nachdenken anregen“, sagte Nerz. Auf die Frage, ob der Streit den Aufwärtstrend der Piratenpartei bei Wahlen und in Umfragen gefährden könnte, antwortete der Vorsitzende: „Da werden andere Punkte entscheidender sein. Aber das ist für das Parteiklima nicht gut.“
„Wilde aus Urzeiten“
Selbstkritisch schrieb der Berliner Abgeordnete Martin Delius in seinem Blog: „Wir gerieren uns auf öffentlichen Medien oftmals wie Wilde aus Urzeiten, ohne auch nur geringe Spuren von anerzogener Höflichkeit erkennen zu lassen.“ Eine besondere Dynamik entfaltet immer wieder der Kurzmitteilungsdienst Twitter, die Mutter aller „Shitstorms“.
„Twitter hat die Verlockung, dass es bei den meisten ständig offen ist“, sagt Nerz. Er denke, dass die meisten sehr gut damit umgehen könnten. Es werde nur manchmal unterschätzt, „wie schwierig und belastend ständige Sticheleien sein können“. Am Mittwoch telefonierte Nerz mit Delius //twitter.com/#!/tirsales/status/187497052643663872:und twitterte anschließend: „Sehr ruhiges Telefonat mit @martindelius. Sachliche Kritik in beide Richtungen vorgebracht“.
Mit ihrem Wahlsieg im September 2011 haben die Berliner Piraten den Beginn der gegenwärtigen Erfolgswelle für die junge Partei markiert, die wie keine andere zuvor das Internet zum politischen Thema macht. Nerz wurde im Mai vergangenen Jahres zum Bundesvorsitzenden gewählt und setzte sich damals gegen den Berliner Piraten Christopher Lauer durch, der jetzt einer von 15 Abgeordneten ist.
Am 28. und 29. April wählt die Partei einen neuen Bundesvorstand. Dabei tritt Nerz erneut an. Zurzeit liegt die Partei nach jüngsten Umfragen zwischen acht und zwölf Prozent und könnte so mit einem sicheren Einzug in den nächsten Bundestag rechnen.
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