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Streikstimmung am FlughafenViel Spaß, wenig Geld

Beschäftigte eines Dienstleisters am Hamburger Flughafen verlangen 1,50 Euro mehr pro Stunde – und drohen mit Streik. Die Arbeitgeber verweisen auf Kostendruck und Konkurrenz.

Vier Stunden Warnstreik: Warteschlangen beim Check-in in Hamburg-Fuhlsbüttel Anfang August. Bild: dpa

Bei den Beschäftigten der „Aviation Handling Service“ am Hamburger Airport rumort es: Wenn es am heutigen Donnerstag bei den Tarifgesprächen nicht zu einem neuen Angebot für die 300 Beschäftigten kommt, steht womöglich dem Flughafen erneut ein Arbeitskampf im Abfertigungssektor bevor. Im Winter hatten bereits die Sicherheits-Assistenten der Passagierkontrolle durch Streiks den Airport für Tage lahmgelegt und eine 15-prozentige Lohnerhöhung durchgesetzt.

„Wir suchen nicht den Konflikt“, sagt die Luftverkehr-Sekretärin der Gewerkschaft Ver.di, Irene Hatzidimou der taz. „Aber wir sind an einem Punkt angekommen, dass wir auf der Grundlage eines Angebots von einem Prozent mehr Lohn nicht weiter verhandeln können.“

Als Horst Müller* den ersten Tag in seinem neuen Job am Fuhlsbüttler Flughafen angetreten hatte und bei strömendem Regen vor einem großen Flieger bei der Gepäckverladung auf dem Rollfeld stand, atmete er, „frische Luft“, wie er sagt. „Das ist eine Welt, die ich mir erträumt hatte“, sagt er. Zuvor hatte er mehrere Jahre einen Büro-Job am Rechner. Auch seine Kollegin Sabine Meier* sagt: „Der Job macht Spaß, das merkt man an der täglichen Arbeit mit den Kollegen.“ Doch an einem hapert es: am Geld. Die AHS zahlt als Dienstleister in der Vorfeldabfertigung des Airports Löhne ab 8,25 Euro pro Stunde, die Verträge garantieren nur 40 Arbeitsstunden im Monat. Viele Betroffene arbeiten zwar mehr, aber trotz 120 Stunden pro Monat bei Schicht-, Feiertags- und Wochenenddiensten reicht es im Jahresdurchschnitt immer noch nicht.

Die Aufgabe der AHS

Die "Aviation Handling Service" (AHS) ist eine Holding, die an deutschen Flughäfen im Bund mit den Flughafengesellschaften Dienstleistungen rund um das Rollfeld anbieten.

Zu AHS-Dienstleistungen gehören: Ticket-Verkauf, Check-in am Terminal, die Überwachung der Abfertigungsvorgänge, Verladung der Gepäckstücke im Flieger und Enteisung von Flugzeugen.

Firmensitz ist Hamburg, vertreten ist die AHS aber auch in Bremen, Hannover und Münster/Osnabrück. In Hamburg hält die städtische Flughafen Hamburg GmbH 51 Prozent an der Fuhlsbüttler AHS-GmbH.

„Niemand spricht gerne darüber, aber ich habe viele Kolleginnen, die am Monatsende mit Hartz IV aufstocken müssen“, sagt Ver.di-Akivistin Aynur Dogan, die seit sechs Jahren am Check-in arbeitet und Mitglied der Ver.di-Tarifkommission ist. „Es gibt Kollegen, die nach der Arbeit Flaschen sammeln. Das finde ich unerträglich.“ Auch Hasim Bafcarl ist enttäuscht. „Seit fast 30 Jahren arbeite ich am Flughafen bei der AHS. Seit ich angefangen habe, hat sich mein Lohn um rund einen Euro pro Stunde erhöht“, sagt Bafcar. Er fordert nun 1,50 Euro mehr die Stunde.

Das lehnt die AHS als nicht finanzierbar ab. Die Unternehmensleitung begründet dies mit der prekären Lage und dem Kostendruck durch die Konkurrenz. Die AHS ist bestenfalls bereit, wenn 2013 schwarze Zahlen geschrieben werden, eine Einmalzahlung auszuschütten und in den folgenden Jahren eine Lohnerhöhung von einem Prozent zu zahlen. Das wären acht Cent.

Verdianerin Hatzidimou fordert ein Umdenken. „Die Kunden der AHS, wie zum Beispiel Air France, KLM, Condor oder Tui haben mit ihrer Niedrigpreispolitik auch die Niedriglöhne bei der AHS mit zu verantworten“, sagt Hatzidimou. Es sei Aufgabe des AHS-Konzerns und der Gesellschafter, zu denen der Flughafen Hamburg gehört, Verträge mit den Fluggesellschaften auszuhandeln, die eine positive Lohnentwicklung bei den Beschäftigten der AHS ermöglichen.

*Name geändert

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Themen #Streik

1 Kommentar

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  • D
    DerGastkommentator

    Leider ist dieser Fall, so traurig er auch ist, mal wieder ein Beispiel, wo im sog. "Niedriglohnsektor" das Kernproblem ignoriert und stattdessen unverhältnismäßige Lohnforderungen in den Vordergrund gerückt werden.

    Sicher ist nach Jahrelangen Nullrunden auch eine Lohnerhöhung angebracht. Allerdings wird dies bei dem erwähnten Arbeitszeitmodell auch niemanden retten, denn bei 40 Stunden im Monat kann man dann immer noch nicht Überleben.

    Hier wird durch die Flexibilisierung das gesamte unternehmerische Risiko auf den Mitarbeiter abgewälzt, und das auf mehreren ebenen. Die Airline bezahlt pro Fluggast an den Dienstleister, weil sie sich scheut, eine pauschale Einlastungszusage zu geben. Der wiederum legt dies durch Verträge mit "ab 40 Stunden im Monat" 1:1 auf den Mitarbeiter um, damit er die Preise pro Fluggast für die Airline so niedrig wie möglich halten kann.

     

    Wir brauchen im Niedriglohnsektor keine höheren Löhne(jedenfalls nicht bei denen, die die 8 EUR-Marke geknackt haben), wir brauchen Planungssicherheit. Und wir brauchen Unternehmen und Unternehmer, die diese Bezeichnung auch verdienen. Hierum sollten die Gewerkschaften sich als erstes kümmern. Aber auch sie sind bereits hoffnungslos der flexiblen Kurzfristplanung verfallen, und versuchen, durch unverhältnismäßige Lohnforderungen ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Helfen wird es ihren Mitgliedern nicht viel. Bei 330 EUR Monatseinkommen mögen 60 EUR zwar nach viel aussehen, Wohnung und Essen bekommt dafür trotzdem niemand. Die Politik springt mit dem Mindestlohn auf den selben Zug auf. Auch 20 EUR die Stunde reichen nicht, wenn mich mein Arbeitgeber nur 10 Stunden im Monat beschäftigt.