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Strategien gegen die Auto–Multis

■ Internationale Automobilarbeiterkonferenz in Bad Boll / Das vielgepriesene „japanische Modell“ ist nicht überall durchsetzbar / Unabhängiges Informationsnetzwerk für Automobilarbeiter leistet gute Dienste bei supranationalen Konflikten / „Geonet“ koordiniert Streiks und Solidarität / IG Metall in der Schmoll–Ecke

Von Dieter Maier

Das Management der Automultis hat keine Sprachprobleme und respektiert keine Grenzen. Zwischen den Chefetagen der einzelnen Niederlassungen gibt es längst ein effektives Rotationssystem. Anders die Arbeiter, die ihre internationalen Kontakte per Hand und manchmal an den Gewerkschaften vorbei organisieren müssen. Auf einer Automobilarbeiterkonferenz diskutierten vom 3.bis 6.März in Bad Boll etwa 40 Arbeiter aus zwölf Ländern über Strategien gegen die Internationale von Ford, General Motors, Mercedes Benz und VW. Das Treffen wurde vom Transnational Information Exchange (TIE) organisiert, einer kleinen, aber effizienten Organisation mit Sitz in Amsterdam. TIE wurde 1978 gegründet und hat das Ziel, Belegschaften weltweit operierender Konzerne miteinander in direkten Kontakt zu bringen. Der radikalste Ausdruck neuer Unternehmerstrategie ist NUMMI (New United Motors Manufacturing Inc.), eine Fusion von General Motors und Toyota in Fremont, Kalifornien. Das Management macht Toyota alleine. Die Technik ist alt, aber die Arbeitsorganisation ist neu. Nicht der Vorarbeiter kontrolliert, sondern die Arbeiter kontrollieren sich gegenseitig (“team concept“), alle Bauteile werden von außen angeliefert (junst–in–time–production), die Arbeiter können die Bandgeschwindigkeit bestimmen, ja das Band anhalten und organisieren die Ersetzung abwesender Kollegen unter sich. Ein konfliktfreier, fast paradiesischer Zustand, wäre er nicht mit Arbeitshetze, Verlusten an Arbeitsplätzen und Entqualifizierung verbunden. Die US–Automobilarbeitergewerkschaft UAW trägt den Versuch mit, um das ihre dazu beizutragen, gegen „die Japaner“ zu konkurrieren. Während der Tagung zeigte sich, daß Konzepte wie Team–Arbeit und Qualitätszirkel (gegenseitige Qualitätskontrolle der Ar beiter und flexibler Einsatz der Team–Mitglieder) nicht überall gleichermaßen durchsetzbar sind. Örtliche Bedingungen wie die Rechtslage, kulturelle Besonderheiten und vor allem die Stärke der Gewerkschaften stehen ihnen entgegen. In Südafrika wirkt die Rassentrennungspolitik so scharf bis in die Produktion hinein, daß alle Arbeitskonflikte davon geprägt sind. Die südafrikanischen Sicherheitskräfte nahmen sogar einen der eingeladenen Teilnehmer zwei Tage vor Konferenzbeginn fest, um seine Ausreise zu verhindern. Erst nach einer Soli daritätsaktion seiner Kollegen wurde er freigelassen. Arbeitszeitverkürzung, so stellte sich in Bad Boll heraus, ist kein gemeinsames Kampfziel. In den USA wollen allenfalls die Unternehmer von den 40 Wochenstunden runter, um Lohnkosten zu senken. Brasilien und die BRD sind die beiden Länder, in denen sich am heftigsten für Arbeitszeitverkürzung eingesetzt wird. Die brasilianischen Automobilarbeiter arbeiten 44 Stunden wöchentlich (gesetzlich sind 48 Stunden verankert), was den brasilianischen Unternehmen bei gleichem Automatisationsdruck wie in der BRD eine viel höhere Produktivität sichert. Brasilianische und deutsche Arbeiter werden dadurch objektiv zu Konkurrenten. Das Management nutzt diese Konkurrenzsituation aus und versucht, die Belegschaften gegeneinander auszuspielen, indem es mit Investitionsverlagerungen droht. Manchmal freilich werden die Unternehmen zu Gefangenen ihrer eigenen Strategien. Die just– in–time–Produktion ist streikanfällig. Ende 1987 gab Ford nach ungewöhnlich kurzer Zeit den Forderungen streikender britischer Arbeiter nach, die das ausgeklügelte System zeitlich präzis abgestimmter Zulieferungen zu den Werken und zwischen den Werken in verschiedenen Ländern bei möglichst geringer Lagerhaltung durcheinandergebracht hatten. Ein Arbeiter aus einem GM–Werk in Zaragoza berichtete, daß seine Gewerkschaft nach Kontakten mit Kollegen eines Zuliefererwerkes in Cadiz Zeitpunkt und Dauer eines Streiks festlegten. Dieser Informationsaustausch soll, so wurde beschlossen, verbessert werden. Es gab bereits einige Ausgaben einer internationalen Zeitung der Arbeiter von General Motors und Mercedes Benz. TIE arbeitet mit einem kostengünstigen Computernetzwerk Geonet mit Sitz in London zusammen, das bei Streiks und bei der Verhaftung eines Gewerkschafters in Malaysia schon gute Dienste getan hat. Auch bei der Tagung in Bad Boll gab es eine deutsche Besonderheit. Die Bundesrepublik stellte die einzige Delegation, die von der zuständigen Gewerkschaft, der IG Metall, ausdrücklich nicht akzeptiert wurde. Die vierte und voraussichtlich letzte internationale Automobilarbeiterkonferenz ist für 1989 vorgesehen. Eine Zeitung über die Konferenz in Bad Boll wird vorbereitet. Bezug: express, Postfach 102 062, 6050 Offenbach 1. Die Adresse von TIE: Paulus Potterstraat 20, NL 1071 Amsterdam.

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