■ Straßmanns kleine Warenkunde: Die Paranoid-Kamera
Die Paranoid-Kamera ängstigt schon durch ihre Ausmaße. Sie türmt sich in der Hand. Auf weiß lasierten Nußbaumtischchen, im Halogenlicht von schräg rechts, wirkt die Paranoid-Kamera wie ein Meteoriteneinschlag. Ach der martialische Blickschacht! Ach die Auslösetaste, die an den Knopf erinnert, mit dem man Interkontinentalraketen auf den Weg schickt! Wir halten drauf auf Fräulein Lauff und drücken ab und zap und wrschschsch-bsssst-tack – streckt uns die Paranoid-Kamera das Foto raus.
Paranoid-Fotos braucht man, wenn man schlechte Fotos braucht. Will man zum Beispiel einen Erlkönig fotografieren, also ein Auto, das es noch gar nicht gibt, dann muß das Foto aussehen, als hätte man es aus 1500 Metern Entfernung mit einem Messer im Rücken geschossen. Oder Fräulein Lauff und Prince Charles. Dafür braucht der Profi die Paranoid-Kamera.
Der Laie braucht die Paranoid-Kamera für eine frische Liebe oder ein frisches Baby. Immer dann also, wenn das Glück garnicht zu fassen und also unbedingt verdoppelt werden muß. Damit man vollends wahnsinnig und verrückt wird. Die Paranoid-Kamera verdoppelt in einer Minute.
Die Paranoid-Kamera hat Eingang in die griechische Sprache gefunden, wie man am Wort „neua“ (Torheit) erkennt. „Para“ wanderte ein in die Fachsprache der Mediziner, wo Paraphimose die Einklemmung der zu engen Vorhaut in der Eichelkranzfurche bezeichnet.
Alte Paranoid-Hasen brüten das sich langsam entwickelnde Bild in der Achselhöhle aus. Wir alle kennen den Anblick und konnten ihn uns bis heute nicht erklären: Hände an der Hosennaht, ein Lächeln ins Nichts, und der ganze Körper krümmt sich wie der eines Mannes, der das Wasser nicht halten konnte. Das mag allerdings Fräulein Lauff gar nicht, sie nimmt Reißaus. Als Beweis der Existenz einer Erlkönigin bleibt ein unscharfes Paranoid-Foto.
Burkhard Straßmann
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