piwik no script img

■ Straßmanns kleine WarenkundeDer Zettelspießer

Wollen Sie mal Herrn Kochler lachen hören? „Hahahaha-hihi.“ So lacht Herr Kochler, wenn man ihn auf den Zettelspießer anspricht. Herr Kochler leitet den Verkauf im namhaften Büromaterialhandel Plate („Ein guter Name seit 1871“), und der Zettelspießer ist sein marginalster Artikel. Vier Mark siebzig. Plus Emmewe. Ist da ein leises Bedauern in seiner Stimme? Wenn er sagt: „Völlig unbedeutend geworden.“

Fleischtheke Allkauf. Drei Viertel Gehacktes halbehalbe. Die Waage spuckt zwei Zettel aus, einer kommt in die Tüte, einer wird draußen angetackert. An der Kasse wird der angetackerte Fleischzettel abgerissen und mit einer hastigen Bewegung auf den Zettelspieß geschlagen. Dieselbe hastige Schlagbewegung beobachten wir in Gaststätten, wenn der abgerechnete Kassenbon erledigt wird: Kellner Nr.1 auf Zettelspießer Nr.1. So sehen endgültige Erledigungen aus: geschlagen, gestochen, erledigt. Pick!

Besonders wenn der Kunde ein Arschloch war.

Ich und Herr Kachler weinen jetzt etwas dem Zettelspießer mit Holzfuß nach: „Huhuhuhuhu.“ Heute dominiert der Eisenfuß mit Schraubspieß. Wo's ihn noch gibt. Feinde des Zettelspießers sind der Ablagekorb, den man mit Glück schon für 2,80 Mark plus Emmewe kriegt. Und die elektronische Kasse. Gegen letztere sprechen Strahlenbelastung und Stromausfall. Gegen ersteren Durchzug. Gegen den Zettelspießer spricht die Unumkehrbarkeit der Zettelordnung. Der Zugriff ist kompliziert: ein Zettelgrab.

Hastige, gewalttätige Bewegungen führen in Verbindung mit einem spitzen Spieß nicht selten zu Verletzungen. Berufsrisiko. „Nix da“, schreit die Berufsgenossenschaft, „wir haben eine Schutzkappe vorgeschrieben!“ Da kichert die Branche. Welch abstruse Idee: vor dem Zettelstechen erst die Schutzkappe abnehmen! Zeit ist Geld, die Pflichtkappe hat in Wahrheit noch nie jemand gesehen.

Denn noch was spricht für den entsicherten Zettelspießer: die Waffenfähigkeit. Herr Kochler: „Vielleicht wäre das eine Zukunft für den Zettelspießer in unsere kriminellen Zeit: eine Selbstverteidigungswaffe für die Kassierein.“ Als Räuberspießer. Zur Erledigung. Burkhard Straßmann

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen