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Strahlung nach Fukushima-KatastropheJapaner messen lieber selbst

Wie hoch ist die Strahlenbelastung durch die Atomkatastrophe? Immer mehr Japaner misstrauen ihrer Regierung. Und nehmen die Sache selbst in die Hand.

In Bewegung: Der japanische Anti-Atom-Aktivist Tomoyuki Takada. Bild: dapd

BERLIN taz | Sie haben das Vertrauen in ihre Regierung längst verloren: In der Stadt Fukshima, 60 Kilometer entfernt von den havarierten Reaktoren, hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die selbst messen will, wie hoch die Strahlenbelastung für die Bevölkerung ist.

Die Organisatoren lassen wenig Gutes am japanischen Krisenmanagement: "Wir wollen nicht warten, bis unsere Kinder durch die Strahlenbelastung Krebs bekommen", gaben die Vertreter der Citizens Radioactivity Measuring Station (CRMS) gestern in Berlin bekannt. Sie wollen die Bevölkerung zudem unabhängig von staatlichen Stellen beraten.

Zusammen mit der atomkritische Ärzteorganisation IPPNW und der Gesellschaft für Strahlenschutz kritisieren sie vor allem die Grenzwerte der japanischen Behörden. Eine zusätzliche durch die Atomkatastrophe verursachte Strahlendosis von 20 Millisievert pro Jahr soll demnach selbst für Kinder unbedenklich sein. Umstritten ist auch der Strahlenschutzexperte Shunichi Yamashita, der die Belastung der Bevölkerung offiziell untersuchen soll. Er hält selbst 100 Millisievert für akzeptabel - eine Dosis, die statistisch gesehen bei einem Prozent der Betroffenen Krebs verursacht.

Nach Angaben der CRMS übernimmt selbst die japanische Ärztekammer diese Ansicht - und berät die Bevölkerung entsprechend. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Grenzwert bei einem Millisievert. Durch natürliche und künstliche Strahlen wird jeder Bundesbürger im Schnitt mit 3,9 Millisievert pro Jahr belastet, 20 sind lediglich für Mitarbeiter in Atomkraftwerke erlaubt. Wer jedoch in Japan aus der Region Fukushima wegziehen will, erhält keine Unterstützung, weder von der Regierung noch von Tepco, dem Betreiber der AKWs.

Kinder sind stärker gefährdet

Als "völlig unverantwortbar" bezeichnet Winfried Eisenberg, Kinderarzt und IPPNW-Atomexperte, diese Politik. "Kinder sind ein Vielfaches strahlensensibler als Erwachsene", sagte er. Er verweist darauf, dass selbst wesentlich geringere Strahlendosen zu Krebs führen können. Das hätten Untersuchungen im heutigen Weißrussland und der Ukraine nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ergeben. Demnach gab es bei einigen Krebsarten über doppelt so viele Erkrankte in den Jahren nach der Katastrophe als normal.

Die Gesellschaft für Strahlenschutz hat sich nach Tschernobyl gegründet, um die Auswirkung des radioaktiven Fallouts unabhängig zu untersuchen. Ähnliches kündigt sich nun in Japan an, entsprechend will die Organisation die Japaner mit Spenden auch aus Deutschland unterstützen. Die erste unabhängige Strahlenmessstation ist vor Kurzem in Betrieb gegangen. 46 weitere, eine in jeder Präfektur, sollen folgen.

Das japanische Kabinett reagiert unterdessen auf die Kritik im Land: Die Atomaufsichtsbehörde soll dem Umweltministerium unterstellt werden. Bisher gehörte sie zum Handelsministerium, das viele als verlängerten Arm der Atomindustrie sehen.

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4 Kommentare

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  • C
    Clarissa

    @ R. Säckler Ich kann ihnen da nur teilweise recht geben, so ein "Schätzeisen" ist besser als gar nichts. Natürlich ist es dumm, wenn man die Werte nicht richtig interpretieren kann aber es gibt auch genug Menschen die sich recht gut damit auskennen und auch hochwertige Messgeräte verwenden. Ich wurde durch meine Arbeit gezwungen mich damit sehr intensiv zu beschäftigen und kann daher von mir behaupten das ich da doch relativ fit bin.

  • RS
    R. Säckler

    Schön zu erleben, dass Japaner (manche Japaner...!) genauso dämlich sind wie wir Michels. Ich kann mich gut erinnern, wie damals 'nach Chernobyl', die Ahnungslosen sich massenhaft völlig ungeeignete 'Heimwerker-Messgeräte' gekauft haben. Der einzige Effekt: Versandhändler wie C***** oder dergl. haben sich dumm und dämlich verdient daran.

  • SM
    Selber Messen

    Japan ist das Land der Bringdienste und jeder Haushalt hat im Schnitt eine Zeitung abonniert.

     

    Man hätte also die Möglichkeit, ohne Abmahnungen wie hier, die Daten mobil "überall" zu erfassen und near-time ins Internet zu stellen. Falls die Messmethoden das sinnvoll zulassen.

     

    Datacrowding ist Zersetzung von Desinformation.

  • MF
    M. Fritsch

    Grenzwerte sind doch frei erfundene "Beschlichtiger" für die "dumme" Bevölkerung, die Nachts ruhig schlafen soll. Die Grenzwerte sind bei einen GAU hoch, wenn der Gau vorbei ist, werden sie wieder runtergeschraubt.

    Mit welcher Logik dürfen in Deutschland Menschen, die in einem AKW arbeiten einer höheren Belastung ausgesetz sein, als alle anderen? Da sieht man doch wie frei variabel diese Werte sind und benutzt werden.

    Abschalten!!