Strahlende Verlierer: Pendeln für den Aufschwung
Koalitionspolitiker reden sich das Karlsruher Urteil als Konjunkturprogramm schön. Wie es weitergeht, wissen auch sie nicht. Jubel bei der CSU.
BERLIN taz Vor Gericht sah man selten Verlierer, die bessere Miene machten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) begrüßten am Dienstag das Scheitern ihres eigenen Gesetzes - und deuteten die erzwungene Steuerrückzahlung prompt zu jenem Konjunkturprogramm um, das sie bislang strikt abgelehnt hatten. Die Beibehaltung der alten Pendlerpauschale sei "die richtige Antwort auf die jetzige Wirtschaftssituation", sagte Merkel in Warschau. Steinbrück erklärte in Berlin, die Bürger sollten nach dem Urteil zu viel gezahlte Steuern bereits im ersten Vierteljahr 2009 zurückerstattet bekommen. "Ich halte es für absolut richtig, das wir das Geld angesichts der Wirtschaftslage jetzt den Menschen direkt zurückgeben."
Es geht um rund 7,5 Milliarden Euro, die für die Jahre 2007 bis 2009 insgesamt erstattet werden und den Haushalt 2009 zusätzlich belasten. "Wir werden uns das Geld nicht an anderer Stelle zurückholen", sagte Steinbrück. "Das verträgt die derzeitige Konjunkturlage nicht." Nach den Worten von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder wird die Summe in das Investitions- und Konjunkturprogramm aufgenommen. "Dort wird es dann auch finanziert werden müssen", sagte Kauder.
Unklar ist dagegen, wie es mit der Pendlerpauschale ab dem Jahr 2010 weitergehen soll. Kauder wollte sich am Dienstag nicht festlegen, ob es noch vor der Bundestagswahl im September 2009 zu einer Neuregelung kommt. Mit solch einem Urteil sei nicht zu rechnen gewesen, sagte Kauder. Auch Steinbrück ließ offen, wie eine neue Regelung aussehen könnte. "Das werden wir nicht übers Knie brechen", sagte der Minister.
Geradezu in Jubel brach nach dem Urteil die CSU aus. Sie hatte in ihrem Landtagswahlkampf die Wiedereinführung der Pauschale gefordert und war damit bei der CDU auf taube Ohren gestoßen. CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte die abwartende Haltung von Merkel und Steinbrück. "Es ist bedenklich, dass erneut die Politik in wichtigen Grundsatzfragen auf Gerichte warten muss, statt selbst zu handeln und zu gestalten", sagte er. (RAB)
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