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Strahlenbelastung nach Fukushima"Im besten Fall ist es Inkompetenz"

Wie hoch ist die Strahlung in Japan nach Fukushima? Welchen Daten kann man trauen? Ein Gespräch mit einem Kartendesigner über schlechte Grafiken und unsinnige Mittelwerte.

Pinke Dramatik: Die Grafik zeigt die Strahlenbelastung rings um Fukushima. Bild: IIDJ
Martin Fritz
Interview von Martin Fritz

taz: Worin unterscheiden sich Ihre Strahlenkarten von offiziellen Darstellungen?

Andreas Schneider: Es gibt inzwischen sehr viele Daten. Leider in den unterschiedlichsten Formaten, aus unterschiedlichsten Quellen, und keinen Standard zur Umsetzung. Wir bringen alle Daten auf ein gemeinsames Format und benutzen eine durchgängige Farbskala, um die Werte vergleichbar zu halten. Wir stellen die Werte in Listen, auf 2-D-Karten und interaktiv räumlich dar. Erst so wird das Ausmaß der Strahlung verständlich.

Was sind Ihre Quellen für die Strahlenwerte?

Wir nehmen nur offizielle Daten, auch wenn wir es nicht richtig finden, dass ein wesentlicher Teil immer noch vom Verursacher Tepco stammt. Diese ziehen wir mit einer eigenen Software aus dem Internet. Wir aktualisieren stündlich 430 Stationen aus 23 Quellen.

Was ist denn mit Daten von Freiwilligen-Initiativen wie Safecast?

Das finden wir sehr positiv. Leider ist es bei diesen Crowd-Sourcing-Initiativen nicht einfach, die Konsistenz der Daten - wer hat wie wo gemessen, wie sind die Geräte kalibriert – zu sichern. Daten aus unterschiedlichen Zeiträumen werden gemischt angezeigt, Aktualisierung ist nicht gewährleistet. Schade, dass es nicht besser ist.

Bild: Martin Fritz
Im Interview: Der Interviewte

Der Informationsdesigner Andreas Schneider lebt seit 1991 in Japan und unterrichtet an der Universität Waseda in Tokio. Am Tokioter "Institute for Information Design Japan" ist er verantwortlich für Design-Strategien.

Wie ist die Strahlung in Fukushima heute?

In den Medien zeigt keine einzige Karte den aktuellen Wert am Reaktor in Fukushima. Tepco veröffentlicht Messungen, aber versteckt sie in einem File, das nicht automatisiert ausgelesen werden kann. Das müssen wir täglich von Hand eingeben. Unglaublich! Am Südtor haben wir immer noch 280 Mikro-Sievert pro Stunde - das ist mehr als das 3000-fache des Normalwerts.

Die Zahlen

Acht Prozent der Landfläche von Japan sind laut Wissenschaftsministerium mit mehr als 10.000 Becquerel Cäsium kontaminiert. In Fukushima und sieben weiteren Präfekturen erreicht die jährliche zusätzliche Strahlendosis mindestens 1 Millisievert. Grundsätzlich gilt eine Einzeldosis von 6.000 Millisievert als tödlich. Trotz dieser Zahlen fehlen bisher brauchbare Strahlenkarten für die Bevölkerung.

Was ist mit dem dichten Netzwerk, das die Regierung aufgebaut hat?

Ich glaube, das sind erst noch Pläne. Im Juli und August wurden sehr detailierte Messungen in der Provinz Fukushima vorgenommen. Ähnliche Daten werden schrittweise in allen Provinzen erhoben. Die Messdaten aus Fukushima wurden uns zur Verfügung gestellt, alle Folgedaten nicht mehr. Das sei technisch schwierig, hören wir vom Ministerium.

Was halten Sie von den offiziellen Strahlenkarten?

Sie sind leider sehr chaotisch. Hohe Werte etwa werden in den Farben Gelb und Grün angezeigt, die man emotional als harmlos wahrnimmt. Es gibt keine kontinuierliche Skalierung der Farbwerte. Manche Karten zeigen einen Mittelwert für jede Präfektur. Das ist Unsinn.

Haben Sie für diese Methoden eine Erklärung?

Im besten Fall ist es Inkompetenz. Alle sind besorgt, was zu tun ist, nicht nur im engeren Bereich um Fukushima, die Eltern, die Kindergärten und Schulen. Da finden wir diese Art der Kommunikation fahrlässig.

Wie lässt sich Ihr eigenes Angebot noch verbessern?

Wir würden gerne detailierte personalisierte Dienste anbieten, also Informationen für den täglichen Gebrauch, etwa für Kindergärten und Schulen. Die Leute haben Angst und wenn man ihnen die nehmen könnte, wäre schon viel geholfen.

Andreas Schneider war anlässlich der "Berliner Gazette"-Konferenz "Learning from Fukushima" in Berlin

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5 Kommentare

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  • DL
    Der lachende Baum

    Apropos Genauigkeit der Zahlen: im Kasten steht, dass 8 Prozent der Fläche mit mehr als 10.000 Becquerel Cäsium belastet sind - da fehlt mir noch ein Verhältnis, um das richtig einschätzen zu können - auf 8 Prozent der Fläche Japans bezogen sind 10.000 Becquerel meines Wissens nicht viel, pro Quadratmeter vermutlich schon.

  • BF
    besten Fall

    @Luther-Blisset: Die Formulierung hat mich auch gestört. Die taz hatte hier sogar einen Workshop oder Anleitung für die Data-Extraktion mit irgendeinem Tool auf Niveau für motivierte Anfänger vorgestellt.

    Unschön sind speziall Captchas aber auch unleserliche URLs falls man diese schlecht automatisieren kann.

     

    Zitat eines Bekannten: "Hier schlagen Medieninformatiker fürs Praktikum ein die dann kein SQL können.". Es gibt auch Leute die Fachinformatikern erzählen, was sie abliefern sollen, es aber selber nicht können. Das ist Arbeitsteilung und Fachspezifizierung. Wenn Psychologen testen, wie Grafiken am besten wirken, müssen die auch nicht unbedingt Linux nachprogrammieren können.

     

    Die Gnu-Foundation will ja keine anonymen Demokratie-Programmierer für legale und konstruktive Demokratisierungs-Projekte (wie diese Transparentisierung) unterstützen. Man muss seinen Namen nennen, wegen Trivialpatenten auf Milliarden verklagt werden und seine Doktoranden-Stelle verlieren oder schikaniert werden und nie wieder einen Auftrag bekommen. Nur weil man die Demokratie und Transparenz programmiert... .

    Für Kontakt mit ihm kommt man vielleicht auf schwarze Anti-Atom-Listen. Ob man dann wegen Sicherheits-Problemen bei Siemens-Zulieferern oder anderen russischen Firmen keine Aufträge mehr bekommt, kann man sich dann ja fragen wenn man als Informatiker die brandneu eingeführten 48.000-Euro-Jobs vom Arbeitsamt angeboten kriegt.

     

    Solche Grafiken würde ich gerne für Schulden pro Steuerzahler u.ä. aufbauen. An Abmahnungen und Existenzvernichtung bin ich aber nicht interessiert. Danke Presse.

    Ich kann niemandem raten, Informatik zu studieren.

    Daten könnten aufwecken. Aber die Presse schläft vielleicht lieber.

  • V
    vic

    Die Grafik sieht echt beängstigend aus.

    Wenn die Quelle wirklich TEPCO ist, lässt das Böses ahnen.

     

    Hey Luther, du liest das automatisiert aus?

    Ganz prima.

  • T
    Tux

    @Luther_Blisett (00:43 Uhr)

     

    Da bin ich aber Froh, dass ich nicht der einzige Computer-Nerd bin der das Ende vom Wochenende noch ein Stückchen hinauszögert...

     

    PS: Aber wiso denn Perl-Skript?

    Mit awk und ein paar pipes bekommst du das bestimmt in eine Zeile.

  • L
    Luther_Blissett

    Andreas Schneider: "Tepco veröffentlicht Messungen, aber versteckt sie in einem File, das nicht automatisiert ausgelesen werden kann. Das müssen wir täglich von Hand eingeben. Unglaublich!"

     

    Nicht im Ernst, oder?

    Okay, nicht gerade nett, dass Tepco nur PDFs veröffentlicht (http://www.tepco.co.jp/en/nu/fukushima-np/f1/index-e.html).

    Aber ein Informationsdesigner, der offensichtlich nicht in der Lage ist, sich mit pdftotext und einem simplen Perl-Skript die Daten in ein CSV zu greppen? -- peinlich.

    (Und ja, hab ich grad ausprobiert, geht einwandfrei...)