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Straftatbestand SuizidbeihilfeSterbehilfe soll verboten werden

Der Bundesrat stimmt über einen aussichtsreichen Antrag ab: Sterbehilfevereine wie Dignitate sollen künftig mit einer Strafvorschrift von der Beihilfe zum Suizid abgeschreckt werden.

Kommt der Paragraph durch, drohen für "gewerbliche und organisierte Suizidbeihilfe" bis zu drei Jahren Haft. Bild: ap

Kommerzielle und organisierte Hilfe zum Selbstmord soll künftig bestraft werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, der heute mit guten Chancen im Bundesrat abgestimmt wird. Die Initiative wendet sich gegen Vereine wie die Dr. Roger Kusch Sterbehilfe oder Dignitate, den deutschen Ableger der Schweizer Vereinigung Dignitas.

Selbstmord ist in Deutschland straflos, auch die Beihilfe dazu. Deshalb machte sich auch der Hamburger Exjustizsenator Roger Kusch nicht strafbar, als er vorige Woche einer 79-jährigen Frau aus Würzburg beim Selbstmord half. Dies hat inzwischen auch die Würzburger Staatsanwaltschaft festgestellt.

Einige Bundesländer unter der Führung von Bayern und Baden-Württemberg wollen dies nun ändern. Im Strafgesetzbuch soll ein neuer Paragraph 217 die "gewerbliche und organisierte Suizidbeihilfe" mit bis zu drei Jahren Haft bedrohen. Konkret wollen sie verbieten, "anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen". Es dürfen also weder geeignete Orte noch Tötungsmittel zur Verfügung gestellt werden. Auch die bloße Vermittlung - etwa in die Schweiz - soll strafbar sein.

Als gewerblich gilt eine Handlung, wenn sie auf Gewinne abzielt. Eine Profitabsicht dürfte jedoch bei Kusch und Dignitate kaum nachzuweisen sein. Auch die entsprechenden Schweizer Vereine gelten als nicht-gewerblich.

Relevant ist deshalb vor allem das Verbot "organisierter" Suizidbeihilfe. Hiervon sind alle Vereinigungen betroffen, die sich vor allem zu diesem Zweck zusammengeschlossen haben. Krankenhäuser und Hospize haben andere Zwecke und könnten nicht nach dieser Vorschrift bestraft werden, selbst wenn dort vereinzelt auch Beihilfe zum Selbstmord geleistet würde.

Erforderlich ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Personen, es genügt ein lockerer informeller Rahmen. Bei bereits bestehenden Organisationen soll nur "das Führungspersonal" bestraft werden, also nicht das einfache Dignitate-Mitglied.

Der Gesetzentwurf hat eine längere Vorgeschichte. Ursprünglich wurde er bereits 2006 von Thüringen, Hessen und dem Saarland im Bundesrat eingebracht. Damals hatte Dignitate gerade in Hannover ein Büro eröffnet. Dann blieb der Antrag aber lange liegen, vermutlich weil in der Bevölkerung die Liberalisierung von Sterbehilfe populärer ist als die Einführung neuer Straftatbestände.

Erst als letzten Herbst der von Dignitas arrangierte Selbstmord von zwei Deutschen auf Schweizer Parkplätzen für Empörung sorgte, unternahmen die Länder einen neuen Vorstoß, jetzt mit einem etwas präziseren Entwurf von Bayern und Baden-Württemberg. Die Mehrheit im Bundesrat ist noch nicht sicher, doch nachdem zuletzt auch der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) der Verbotsfront beitrat, stehen die Chancen gut, dass der Gesetzentwurf beschlossen und eingebracht wird.

Im Bundestag sprach sich bisher aber nur die CDU/CSU für eine entsprechende Regelung aus. Die SPD als Regierungspartner ist noch skeptisch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach am Mittwoch, eine Verschärfung der Gesetze "zu prüfen". Sie sei "gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe, in welchem Gewand sie auch immer daherkommt".

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15 Kommentare

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  • M
    Meral

    Ich finde das Thema "Sterbehilfe" sehr schwierig. Ich habe keinen Verwandten der schwer krank, jedoch mache ich mir trotzdem einige, viele Gedanken zu diesem Thema. Ich habe vor kurzem eine schriftliche Arbeit über Sterbehilfe verfasst, weil ich das Thema wichtig und interessant finde. Bevor ich dies geschrieben hatte, war ich der Meinung, dass es nicht richtig sein kann, dass Menschen die Erlaubnis und die Hilfe bekommen zu sterben. Ich habe relativ schnell begriffen, dass diese Menschen, die sich für eine aktive oder passive Sterbehilfe entscheiden an einer unheilbaren Krankheit leiden und für den Menschen wichtig ist, dass das Leiden aufhört.

    Es sollte nicht die Politik, die Religion oder eine Drittpersonen über den Tod entscheiden dürfen. Der Mensch, so lange er bei klarem Verstand ist, kann es für sich entscheiden. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es für denjenigen eine leichte Entscheidung ist und dann sollen diese Menschen sich noch mit der Frage beschäftigten ob die Politiker das wollen oder nicht? Wieso wird dies Fremdbestimmt? Kann ich nicht mein eigener Herr sein und mein Tod selber bestimmen?! o bleibt die Selbstbestimmung? Klar müssen Regeln aufgestellt werden, damit kein Missbrauch begangen wird. Entscheident jedoch soll es sein, für welchen Personenkreis diese Entscheidung getroffen wird. Ich jedenfalls möchte nicht leiden müssen, jedoch weiß ich nicht wie ich mich entscheiden würde. Eins weiß ich, ich könnte KEINER Person den Wunsch erfüllen ihm zu helfen.

    Vielleicht muss diesen Menschen anders geholfen werden, indem die Palliativmedizin bestärkt wird oder Hospize ausgebaut werden... Ich kenne da keine Lösung....

  • A
    alex

    Ich bekomme seit vielen, vielen Jahren den Alterungsprozess meiner Großmutter mit. Sie lebt in einem Alten/Pflegeheim und wird sehr, sehr gut betreut. Ich habe dort aber auch mitbekommen, wie es aussieht wenn man über Monate stirbt. Ich möchte für mich das auf keinen, keinen Fall. Was ich gesehen habe hatte mit Würde rein gar nichts zu tun. (Das hat mit der Pflegeeinrichtung oder den Pflegern nichts zu tun. Diese geben ihr Bestes.)

     

    Es ist eine gesellschaftlich idealisierte Wunschvorstellung, dass alle in Würde altern und sterben. Ich kann nur jedem raten mal kontinuierlich über Jahre ein Pflegeheim zu besuchen. Das tun aber die Wenigsten, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Die meisten flüchten und besuchen ihre zu pflegenden Angehörigen selten. Das Pflegeheim meiner GM bekommt ja noch nicht mal eine Angehörigenversammlung bei wichtigen Themen zustande, so groß ist das Desinteresse der Angehörigen.

     

    Sobald es ums Altern und Sterben geht, driften die meisten Menschen in eine große Illusion ab, die in etwa den Hochglanzprospekten von Seniorenheimen der Oberklasse ähneln: zugewandte Pfleger und Verwandte, beschauliche Parkanlagen, ein herzlicher Arzt, gemeinsame Ausflüge rüstiger dauerlächelnder Senioren...

    In diesem Bild kommt nicht vor wie die Alten tuscheln: der ist ein Selbstzahler und der/die ein Sozialhilfeempfänger...

     

    Es kommt auch nicht vor, wie man als Sterbender, gewaschen, gewickelt, gefüttert, röchelnd, stöhnen, rufend, schreiend am Tropf hängend, mit Psychopharmaka und Schmerzmitteln vollgepumpt dahin siecht.

     

    Ich mag alte Menschen und mir sind schon mehr als ein mal die Tränen in die Augen getreten wie zb. bei der alten Frau, die im Krankenhaus zur Morphiumbehandlung (Krebspatientin) war wo keiner sie besucht hat - auch nicht der von ihr idealisierte Sohn, der keine 5 km entfernt wohnte.

     

    Ich persönlich bin für mich zu dem Schluß gekommen, lieber begleitenden Suicid am Lebensende in Anspruch zu nehmen als dahin zu siechen. Auch nicht in einem Hospiz! Jedem sollte das Recht freigestellt sein, darüber selbst zu entscheiden.

     

    In der Schweiz ist das möglich und hat nicht dazu geführt, dass die Schweizer ein moralisch verkommenes Volk geworden sind, die ihre Angehörigen samt und sonders in den Tot treiben.

     

    Die deutsche Bundesregierung hat ein großes Problem: ihre Bürger als mündige Wesen zu begreifen.

  • JB
    Jana Berger

    Die Kanzlerin ist also "gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe, in welchem Gewand sie auch immer daher kommt." Dann hat die gute Frau nie miterleben muessen, wie jemand an Altersschwaeche oder unheilbarer Krankheit stirbt. Wenn der eigene Koerper sich gegen einen wendet und man zum Wundliegen verurteilt ist. Wenn man keine Nahrung mehr aufnehmen, geschweige denn bei sich behalten kann. Wenn man vor Schwerzen nicht mehr weiss, wo man ist. Wenn man aber in den wenigen lichten Momenten, die man ab und zu noch hat, realisiert, dass das nicht besser wird. Und man alles dafuer geben wuerde, es so schnell wie moeglich zu beenden. In Wuerde.

    Eine Frage tun sich da auf: Wenn schon "zwei Personen im informellen lockeren Rahmen" genuegen, um als "organisiert" im Sinne des Paragraphen zu gelten, dann heisst das, dass sich der Sterbende selbst nicht mal mehr an einen Vertrauten wenden kann, ohne sich strafbar zu machen. Jeder, mit dem er/sie spricht, wird zur zweiten Person, das ganze zur kriminellen Machenschaft. Soll der Sterbende nicht nur zum sinnlosen Leiden, sondern jetzt auch noch zur Einsamkeit verurteilt werden?

  • JB
    Joachim Bovier

    Warum sollte Sterbehilfe denn keine angebotene Dienstleistung sein dürfen?

     

    Leider ist für uns Deutsche aufgrund der historischen Lasten des Holocausts alles im Zusammenhang mit dem Tod immer problematischer als anderswo. Bei differenzierter Betrachtung ist aber die freiwillige Beendigung des eigenen Lebens, also Suizid, etwas grundlegend anderes als die systematische Ermordung politisch, rassisch oder sonstwie Missliebiger von Staats wegen.

     

    Was in Belgien oder der Schweiz selbstverständlich ist, muss auch in Deutschland möglich sein. Selbstmord ist auch hier keineswegs verboten, sondern Grundgesetz und europäisches Recht garantieren jedem, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens selbst zu entscheiden. Persönlich andere Moralvorstellungen dürfen keinem aufgezwungen werden. Genau das wird aber faktisch getan, wenn alles unternommen wird, es dem potentiellen Selbstmörder so schwer wie irgend möglich zu machen und ihn in Fragen der technischen Umsetzung allein zu lassen und mit verheerenden körperlichen Folgen eines gescheiterten Versuchs zu bedrohen.

     

    In einer diversifizierten Gesellschaft gibt es für alles Dienstleister, warum also nicht auch fürs sterben? Das wird nicht umsonst zu haben sein. Das Wissen um einen leichten Tod wäre mir jedenfalls ein lohnendes, geldwertes Investment.

  • J
    Joachim

    Wenn die Sterbehilfe verboten wird, hoffe ich, dass die Versorgung und Behandlung von unheilbar Kranken und Sterbenden verbessert wird. Dazu gehört z.B. dass ausreichend Schmerzmittel zur Verfügung gestellt werden und dass ein menschenwürdiges Sterben außerhalb kalter Klinikroutine im eigenen Haushalt oder im Hospiz gewährleistet wird. Menschliche Zuwendung darf nicht zu kurz kommen.

  • M
    Meral

    Ich finde das Thema "Sterbehilfe" sehr schwierig. Ich habe keinen Verwandten der schwer krank, jedoch mache ich mir trotzdem einige, viele Gedanken zu diesem Thema. Ich habe vor kurzem eine schriftliche Arbeit über Sterbehilfe verfasst, weil ich das Thema wichtig und interessant finde. Bevor ich dies geschrieben hatte, war ich der Meinung, dass es nicht richtig sein kann, dass Menschen die Erlaubnis und die Hilfe bekommen zu sterben. Ich habe relativ schnell begriffen, dass diese Menschen, die sich für eine aktive oder passive Sterbehilfe entscheiden an einer unheilbaren Krankheit leiden und für den Menschen wichtig ist, dass das Leiden aufhört.

    Es sollte nicht die Politik, die Religion oder eine Drittpersonen über den Tod entscheiden dürfen. Der Mensch, so lange er bei klarem Verstand ist, kann es für sich entscheiden. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es für denjenigen eine leichte Entscheidung ist und dann sollen diese Menschen sich noch mit der Frage beschäftigten ob die Politiker das wollen oder nicht? Wieso wird dies Fremdbestimmt? Kann ich nicht mein eigener Herr sein und mein Tod selber bestimmen?! o bleibt die Selbstbestimmung? Klar müssen Regeln aufgestellt werden, damit kein Missbrauch begangen wird. Entscheident jedoch soll es sein, für welchen Personenkreis diese Entscheidung getroffen wird. Ich jedenfalls möchte nicht leiden müssen, jedoch weiß ich nicht wie ich mich entscheiden würde. Eins weiß ich, ich könnte KEINER Person den Wunsch erfüllen ihm zu helfen.

    Vielleicht muss diesen Menschen anders geholfen werden, indem die Palliativmedizin bestärkt wird oder Hospize ausgebaut werden... Ich kenne da keine Lösung....

  • A
    alex

    Ich bekomme seit vielen, vielen Jahren den Alterungsprozess meiner Großmutter mit. Sie lebt in einem Alten/Pflegeheim und wird sehr, sehr gut betreut. Ich habe dort aber auch mitbekommen, wie es aussieht wenn man über Monate stirbt. Ich möchte für mich das auf keinen, keinen Fall. Was ich gesehen habe hatte mit Würde rein gar nichts zu tun. (Das hat mit der Pflegeeinrichtung oder den Pflegern nichts zu tun. Diese geben ihr Bestes.)

     

    Es ist eine gesellschaftlich idealisierte Wunschvorstellung, dass alle in Würde altern und sterben. Ich kann nur jedem raten mal kontinuierlich über Jahre ein Pflegeheim zu besuchen. Das tun aber die Wenigsten, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Die meisten flüchten und besuchen ihre zu pflegenden Angehörigen selten. Das Pflegeheim meiner GM bekommt ja noch nicht mal eine Angehörigenversammlung bei wichtigen Themen zustande, so groß ist das Desinteresse der Angehörigen.

     

    Sobald es ums Altern und Sterben geht, driften die meisten Menschen in eine große Illusion ab, die in etwa den Hochglanzprospekten von Seniorenheimen der Oberklasse ähneln: zugewandte Pfleger und Verwandte, beschauliche Parkanlagen, ein herzlicher Arzt, gemeinsame Ausflüge rüstiger dauerlächelnder Senioren...

    In diesem Bild kommt nicht vor wie die Alten tuscheln: der ist ein Selbstzahler und der/die ein Sozialhilfeempfänger...

     

    Es kommt auch nicht vor, wie man als Sterbender, gewaschen, gewickelt, gefüttert, röchelnd, stöhnen, rufend, schreiend am Tropf hängend, mit Psychopharmaka und Schmerzmitteln vollgepumpt dahin siecht.

     

    Ich mag alte Menschen und mir sind schon mehr als ein mal die Tränen in die Augen getreten wie zb. bei der alten Frau, die im Krankenhaus zur Morphiumbehandlung (Krebspatientin) war wo keiner sie besucht hat - auch nicht der von ihr idealisierte Sohn, der keine 5 km entfernt wohnte.

     

    Ich persönlich bin für mich zu dem Schluß gekommen, lieber begleitenden Suicid am Lebensende in Anspruch zu nehmen als dahin zu siechen. Auch nicht in einem Hospiz! Jedem sollte das Recht freigestellt sein, darüber selbst zu entscheiden.

     

    In der Schweiz ist das möglich und hat nicht dazu geführt, dass die Schweizer ein moralisch verkommenes Volk geworden sind, die ihre Angehörigen samt und sonders in den Tot treiben.

     

    Die deutsche Bundesregierung hat ein großes Problem: ihre Bürger als mündige Wesen zu begreifen.

  • JB
    Jana Berger

    Die Kanzlerin ist also "gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe, in welchem Gewand sie auch immer daher kommt." Dann hat die gute Frau nie miterleben muessen, wie jemand an Altersschwaeche oder unheilbarer Krankheit stirbt. Wenn der eigene Koerper sich gegen einen wendet und man zum Wundliegen verurteilt ist. Wenn man keine Nahrung mehr aufnehmen, geschweige denn bei sich behalten kann. Wenn man vor Schwerzen nicht mehr weiss, wo man ist. Wenn man aber in den wenigen lichten Momenten, die man ab und zu noch hat, realisiert, dass das nicht besser wird. Und man alles dafuer geben wuerde, es so schnell wie moeglich zu beenden. In Wuerde.

    Eine Frage tun sich da auf: Wenn schon "zwei Personen im informellen lockeren Rahmen" genuegen, um als "organisiert" im Sinne des Paragraphen zu gelten, dann heisst das, dass sich der Sterbende selbst nicht mal mehr an einen Vertrauten wenden kann, ohne sich strafbar zu machen. Jeder, mit dem er/sie spricht, wird zur zweiten Person, das ganze zur kriminellen Machenschaft. Soll der Sterbende nicht nur zum sinnlosen Leiden, sondern jetzt auch noch zur Einsamkeit verurteilt werden?

  • JB
    Joachim Bovier

    Warum sollte Sterbehilfe denn keine angebotene Dienstleistung sein dürfen?

     

    Leider ist für uns Deutsche aufgrund der historischen Lasten des Holocausts alles im Zusammenhang mit dem Tod immer problematischer als anderswo. Bei differenzierter Betrachtung ist aber die freiwillige Beendigung des eigenen Lebens, also Suizid, etwas grundlegend anderes als die systematische Ermordung politisch, rassisch oder sonstwie Missliebiger von Staats wegen.

     

    Was in Belgien oder der Schweiz selbstverständlich ist, muss auch in Deutschland möglich sein. Selbstmord ist auch hier keineswegs verboten, sondern Grundgesetz und europäisches Recht garantieren jedem, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens selbst zu entscheiden. Persönlich andere Moralvorstellungen dürfen keinem aufgezwungen werden. Genau das wird aber faktisch getan, wenn alles unternommen wird, es dem potentiellen Selbstmörder so schwer wie irgend möglich zu machen und ihn in Fragen der technischen Umsetzung allein zu lassen und mit verheerenden körperlichen Folgen eines gescheiterten Versuchs zu bedrohen.

     

    In einer diversifizierten Gesellschaft gibt es für alles Dienstleister, warum also nicht auch fürs sterben? Das wird nicht umsonst zu haben sein. Das Wissen um einen leichten Tod wäre mir jedenfalls ein lohnendes, geldwertes Investment.

  • J
    Joachim

    Wenn die Sterbehilfe verboten wird, hoffe ich, dass die Versorgung und Behandlung von unheilbar Kranken und Sterbenden verbessert wird. Dazu gehört z.B. dass ausreichend Schmerzmittel zur Verfügung gestellt werden und dass ein menschenwürdiges Sterben außerhalb kalter Klinikroutine im eigenen Haushalt oder im Hospiz gewährleistet wird. Menschliche Zuwendung darf nicht zu kurz kommen.

  • M
    Meral

    Ich finde das Thema "Sterbehilfe" sehr schwierig. Ich habe keinen Verwandten der schwer krank, jedoch mache ich mir trotzdem einige, viele Gedanken zu diesem Thema. Ich habe vor kurzem eine schriftliche Arbeit über Sterbehilfe verfasst, weil ich das Thema wichtig und interessant finde. Bevor ich dies geschrieben hatte, war ich der Meinung, dass es nicht richtig sein kann, dass Menschen die Erlaubnis und die Hilfe bekommen zu sterben. Ich habe relativ schnell begriffen, dass diese Menschen, die sich für eine aktive oder passive Sterbehilfe entscheiden an einer unheilbaren Krankheit leiden und für den Menschen wichtig ist, dass das Leiden aufhört.

    Es sollte nicht die Politik, die Religion oder eine Drittpersonen über den Tod entscheiden dürfen. Der Mensch, so lange er bei klarem Verstand ist, kann es für sich entscheiden. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es für denjenigen eine leichte Entscheidung ist und dann sollen diese Menschen sich noch mit der Frage beschäftigten ob die Politiker das wollen oder nicht? Wieso wird dies Fremdbestimmt? Kann ich nicht mein eigener Herr sein und mein Tod selber bestimmen?! o bleibt die Selbstbestimmung? Klar müssen Regeln aufgestellt werden, damit kein Missbrauch begangen wird. Entscheident jedoch soll es sein, für welchen Personenkreis diese Entscheidung getroffen wird. Ich jedenfalls möchte nicht leiden müssen, jedoch weiß ich nicht wie ich mich entscheiden würde. Eins weiß ich, ich könnte KEINER Person den Wunsch erfüllen ihm zu helfen.

    Vielleicht muss diesen Menschen anders geholfen werden, indem die Palliativmedizin bestärkt wird oder Hospize ausgebaut werden... Ich kenne da keine Lösung....

  • A
    alex

    Ich bekomme seit vielen, vielen Jahren den Alterungsprozess meiner Großmutter mit. Sie lebt in einem Alten/Pflegeheim und wird sehr, sehr gut betreut. Ich habe dort aber auch mitbekommen, wie es aussieht wenn man über Monate stirbt. Ich möchte für mich das auf keinen, keinen Fall. Was ich gesehen habe hatte mit Würde rein gar nichts zu tun. (Das hat mit der Pflegeeinrichtung oder den Pflegern nichts zu tun. Diese geben ihr Bestes.)

     

    Es ist eine gesellschaftlich idealisierte Wunschvorstellung, dass alle in Würde altern und sterben. Ich kann nur jedem raten mal kontinuierlich über Jahre ein Pflegeheim zu besuchen. Das tun aber die Wenigsten, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Die meisten flüchten und besuchen ihre zu pflegenden Angehörigen selten. Das Pflegeheim meiner GM bekommt ja noch nicht mal eine Angehörigenversammlung bei wichtigen Themen zustande, so groß ist das Desinteresse der Angehörigen.

     

    Sobald es ums Altern und Sterben geht, driften die meisten Menschen in eine große Illusion ab, die in etwa den Hochglanzprospekten von Seniorenheimen der Oberklasse ähneln: zugewandte Pfleger und Verwandte, beschauliche Parkanlagen, ein herzlicher Arzt, gemeinsame Ausflüge rüstiger dauerlächelnder Senioren...

    In diesem Bild kommt nicht vor wie die Alten tuscheln: der ist ein Selbstzahler und der/die ein Sozialhilfeempfänger...

     

    Es kommt auch nicht vor, wie man als Sterbender, gewaschen, gewickelt, gefüttert, röchelnd, stöhnen, rufend, schreiend am Tropf hängend, mit Psychopharmaka und Schmerzmitteln vollgepumpt dahin siecht.

     

    Ich mag alte Menschen und mir sind schon mehr als ein mal die Tränen in die Augen getreten wie zb. bei der alten Frau, die im Krankenhaus zur Morphiumbehandlung (Krebspatientin) war wo keiner sie besucht hat - auch nicht der von ihr idealisierte Sohn, der keine 5 km entfernt wohnte.

     

    Ich persönlich bin für mich zu dem Schluß gekommen, lieber begleitenden Suicid am Lebensende in Anspruch zu nehmen als dahin zu siechen. Auch nicht in einem Hospiz! Jedem sollte das Recht freigestellt sein, darüber selbst zu entscheiden.

     

    In der Schweiz ist das möglich und hat nicht dazu geführt, dass die Schweizer ein moralisch verkommenes Volk geworden sind, die ihre Angehörigen samt und sonders in den Tot treiben.

     

    Die deutsche Bundesregierung hat ein großes Problem: ihre Bürger als mündige Wesen zu begreifen.

  • JB
    Jana Berger

    Die Kanzlerin ist also "gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe, in welchem Gewand sie auch immer daher kommt." Dann hat die gute Frau nie miterleben muessen, wie jemand an Altersschwaeche oder unheilbarer Krankheit stirbt. Wenn der eigene Koerper sich gegen einen wendet und man zum Wundliegen verurteilt ist. Wenn man keine Nahrung mehr aufnehmen, geschweige denn bei sich behalten kann. Wenn man vor Schwerzen nicht mehr weiss, wo man ist. Wenn man aber in den wenigen lichten Momenten, die man ab und zu noch hat, realisiert, dass das nicht besser wird. Und man alles dafuer geben wuerde, es so schnell wie moeglich zu beenden. In Wuerde.

    Eine Frage tun sich da auf: Wenn schon "zwei Personen im informellen lockeren Rahmen" genuegen, um als "organisiert" im Sinne des Paragraphen zu gelten, dann heisst das, dass sich der Sterbende selbst nicht mal mehr an einen Vertrauten wenden kann, ohne sich strafbar zu machen. Jeder, mit dem er/sie spricht, wird zur zweiten Person, das ganze zur kriminellen Machenschaft. Soll der Sterbende nicht nur zum sinnlosen Leiden, sondern jetzt auch noch zur Einsamkeit verurteilt werden?

  • JB
    Joachim Bovier

    Warum sollte Sterbehilfe denn keine angebotene Dienstleistung sein dürfen?

     

    Leider ist für uns Deutsche aufgrund der historischen Lasten des Holocausts alles im Zusammenhang mit dem Tod immer problematischer als anderswo. Bei differenzierter Betrachtung ist aber die freiwillige Beendigung des eigenen Lebens, also Suizid, etwas grundlegend anderes als die systematische Ermordung politisch, rassisch oder sonstwie Missliebiger von Staats wegen.

     

    Was in Belgien oder der Schweiz selbstverständlich ist, muss auch in Deutschland möglich sein. Selbstmord ist auch hier keineswegs verboten, sondern Grundgesetz und europäisches Recht garantieren jedem, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens selbst zu entscheiden. Persönlich andere Moralvorstellungen dürfen keinem aufgezwungen werden. Genau das wird aber faktisch getan, wenn alles unternommen wird, es dem potentiellen Selbstmörder so schwer wie irgend möglich zu machen und ihn in Fragen der technischen Umsetzung allein zu lassen und mit verheerenden körperlichen Folgen eines gescheiterten Versuchs zu bedrohen.

     

    In einer diversifizierten Gesellschaft gibt es für alles Dienstleister, warum also nicht auch fürs sterben? Das wird nicht umsonst zu haben sein. Das Wissen um einen leichten Tod wäre mir jedenfalls ein lohnendes, geldwertes Investment.

  • J
    Joachim

    Wenn die Sterbehilfe verboten wird, hoffe ich, dass die Versorgung und Behandlung von unheilbar Kranken und Sterbenden verbessert wird. Dazu gehört z.B. dass ausreichend Schmerzmittel zur Verfügung gestellt werden und dass ein menschenwürdiges Sterben außerhalb kalter Klinikroutine im eigenen Haushalt oder im Hospiz gewährleistet wird. Menschliche Zuwendung darf nicht zu kurz kommen.