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■ Tour d'EuropeStraffreie Täter

Ginge es nur nach Zahlen und Daten, hätte die Tschechische Republik ihre Vergangenheit am besten „aufgearbeitet“. 75.000 Opfer des Totalitarismus wurden seit 1990 entschädigt, im Rahmen des „Durchleuchtungsgesetzes“ überprüfte das Innenministerium rund 250.000 Personen auf eine Tätigkeit für den tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst StB. In engen Grenzen hält sich dagegen die Zahl der Gerichtsverfahren gegen ehemalige hohe KP- und StB- Funktionäre. Im Juli 1990 wurde der frühere Prager KP-Chef Miroslav Štěpan wegen der gewaltsamen Beendigung einer Demonstration am 28. 10. 88 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Im Oktober 1992 verhängte ein Militärgericht „wegen der Verletzung der verfassungsmäßigen Bürgerrechte“ Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren über zwei Ex-Geheimdienstler und den früheren Innenminister František Kincl. Seine Strafe antreten mußte einer der beiden StBler freilich nie. Er setzte sich in die Slowakei ab, die dortigen Behörden erkennen das Urteil nicht an. Und auch Stepan ist wieder frei: Er leitet eine Organisation zum „Schutz des tschechischen Grenzlandes vor den Deutschen“. Im südböhmischen Tabor läuft zur Zeit ein Prozeß gegen zwei Soldaten, die 1984 einen Tschechen an der Grenze zu Österreich erschossen. Ihre Vorgesetzten wurden nur als Zeugen verhört.

Nicht viel beeindruckender ist die Bilanz der polnischen Justiz. Gegen den ehemaligen Innenminister General Czeslaw Kiszczak gibt es ein Verfahren wegen der Erstürmung der Grube Wujek 1981 in Kattowitz, bei der neun Bergleute durch Schüsse eines Sondereinsatzkommandos zu Tode gekommen waren. Gegen General Jaruzelski verhandelte der zuständige Ausschuß des polnischen Parlaments, um ihn wegen illegaler Aktenvernichtung vor dem Staatstribunal anzuklagen. Das Verfahren wurde vom zuständigen Ausschuß nach dem Wahlsieg der Ex-Kommunisten im vergangenen Jahr eingestellt. Zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde eine Gruppe von Geheimdienstlern, die in den 80er Jahren Oppositionelle entführt, in den Wald gefahren und dort gefoltert haben.

Aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde ein Verfahren gegen zwei Abteilungsleiter im Innenminsterium, die wegen der Ermordung des oppositionellen Priesters Popieluszko angeklagt worden waren. Abzuwarten bleibt jedoch, ob nicht ihre ganze Abteilung, die sich der Verfolgung von Priestern „widmete“, zur „kriminellen Vereinigung“ erklärt werden wird. Eingestellt wurde das Verfahren gegen den Vorwende-Regierungschef Mieczyslaw Rakowski wegen Verstoßes gegen das Devisengesetz. Er hatte 1989 einen von der Arbeiterpartei PVAP bei der KPdSU aufgenommenen Wahlkampfkredit unter Umgehung der vorgesehenen Prozeduren zurückbezahlt.her/kb

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