piwik no script img

Strafbefehle wegen Cromme-Telefonat

Konsequenzen wegen Veröffentlichung des abgehörten Telefongespräches zwischen den Stahlbossen Cromme und Kriwet / Chefredakteur der DKP-Zeitung 'UZ‘ soll 5.000Mark zahlen  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Ein dreiviertel Jahr nach Veröffentlichung des illegal abgehörten Telefongespräches zwischen den Vorstandsvorsitzenden der Krupp-Stahl AG, Gerhard Cromme, und seinem Kollegen von Thyssen, Heinz Kriwet, zu der Schließung der Krupp-Hütte in Rheinhausen, sind nun die ersten Strafbefehle gegen die verantwortlichen Journalisten ergangen. Georg Polikeit, Chefredakteur der 'UZ‘, Zeitung der DKP, soll nach einem Beschluß des Neusser Amtsgerichtes vom 22.12.88 5.000Mark zahlen. Die 'UZ‘ veröffentlichte am 29.4.88 unter der Überschrift, „Neue Einzelheiten aus Telefongespächen Crommes mit Kriwet...“, Teile der Gespräche im Wortlaut.

Knapp drei Wochen vorher, am 9.4., hatte die taz die wichtigsten Passagen der Gespräche in Auszügen dokumentiert. Vor allem die Cromme-Behauptung, daß die Düsseldorfer Landesregierung in vertraulichen Gesprächen gefordert habe, das Stahlwerk in Rheinhausen „möglichst schnell“ zu schließen, weil dann der „Krach“ endlich weg sei, führte zu heftigen Reaktionen seitens der Stahlkocher. Nach Blockaden und Demonstrationen in Düsseldorf sah sich seinerzeit NRW -Ministerpräsident Johannes Rau, der die Cromme-Äußerungen scharf dementierte, gezwungen, eine Vermittlerrolle zwischen Vorstand und Krupp-Betriebsrat zu übernehmen. Die Reaktionen auf die taz-Veröffentlichung zeigten, daß an der Verbreitung des Telefongespräches ein besonderes öffentliches Interesse bestand.

Ob unter diesen Umständen die Wiedergabe illegal abgehörter Gespräche zu strafrechtlichen Konsequenzen führen muß, ist äußerst umstritten. Gegen die taz selbst erging bisher kein Strafbefehl. Nach Auskunft der Berliner Justizbehörden, „dauern die Ermittlungen gegen die taz noch an“.

Abgeschlossen hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hingegen die Ermittlungen gegen den WDR. In der regionalen Fernsehsendung „Aktuelle Stunde“ war am 10.4. die entscheidende Passage live abgespielt worden. Der dadurch ausgelöste Riesenkrach innerhalb des WDR hat sich inzwischen zwar gelegt, die Justiz will es aber dabei nicht belassen. Gegen den verantwortlichen Redakteur und die beiden Moderatoren der Sendung beantragte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Strafbefehle in Höhe von insgesamt 16.000Mark. Unter dem Aktenzeichen 615 CS 236/88 schlummert der Vorgang zur Zeit beim Vorsitzenden des Kölner Amtsgerichtes. Eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet.

Die Gerichte wird die Veröffentlichung in jedem Fall weiter beschäftigen. 'UZ'-Chef Polikeit will „selbstverständlich“ gegen den Strafbefehl Widerspruch einlegen. Der Krupp -Vorstand wolle, so schrieb die 'UZ‘, „durch Einschaltung von Staatsanwaltschaft und Justiz offenbar Rache an der UZ nehmen“.

Wer die Gespräche abgehört hat, blieb für die Staatsanwaltschaft bis heute im dunkeln. Mehrere Durchsuchungen, unter anderem bei Theo Steegmann, dem 2.Vorsitzenden des Rheinhausener Betriebsrates, und bei Pfarrer Dieter Kelp, Sprecher des Bürgerkomitees, entpuppten sich als vollständige Fehlschläge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen