: Storys von Tschechowschem Format
betr.: „Träumereien von Lust und Liebe“ (Rezension zu Peter Stamms „Blitzeis“) von Thomas Kraft, taz vom 13./14. 11. 99
Nicht nur die zwei Geschichten, die Kraft gefielen, sind meisterlich, auch noch drei andere erreichen ein erstaunliches Niveau, aber man muss sich als Leser ihre Langsamkeit, ihre Melancholie, ihre Unaufddringlichkeit erst erschließen.
Die leise Weihnachtsgeschichte („In den Außenbezirken“) ist die beste seit Bölls „Monolog eines Kellners“ (1963) – oder noch weiter zurückgefragt, seit Anton Tschechows Geschichte „Wanka“; und die heftige, aber unterkühlt erzählte Liebesgeschichte der Frau, die an Morbus Crohn leidet („Was wir können“), ist beispielhaft für Sehnsucht und Zurückgewiesenwerden sensibler Menschen im Einsamkeitsmilieu unserer Tage – wichtiger zum Beispiel als Bachmannsche (der Ingeborgenden) Verlautbarungen zu diesem Frauenthema. Stamms Storys sind von Tschechowschem Format; das sage ich ganz ohne materielle, nur mit lehrermäßigen Interessen: Storys, die die kontroverse Diskussion befördern. Rezensent Kraft müsste sich seine literarische Geschmacks- und Traditionsbildung noch einiges kosten lassen. Oder muss Lesermensch es als Sensation feiern, dass überhaupt ein nicht aufdringlicher Dichtertyp wie Stamm wahrgenommen wird in der taz? Also: mal weniger Dampf-Droste und Touché-Lärm-Konsorten, stattdessen ein paar intuitive Sensibelchen fördern, die das Kommunikative in den Gräben und Umleitungen auf der „Schmerzen & Herzen“-Baustelle zwischen Mann-Frau aufblitzen lassen! Anton Reyntjes, Recklinghausen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen