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Stoppuhr & TV-Reklame

■ Die Kommerzsender haben Angst um ihren Werbe-Profit

Mit der Stoppuhr in der Hand sitzen die amtlichen Medienwächter vor dem Fernseher. Wenn andere Zuschauer wegschalten, sehen sie äußerst genau hin: Werbesendungen in den privaten Kanälen werden derzeit auf Häufigkeit, Dauer und Plazierung besonders überprüft. Das forderten die Privatsender heraus, als sie ankündigten, sie wollten bewußt gegen die seit 1. Oktober geltenden Werberichtlinien verstoßen, da ihnen sonst Verluste in dreistelliger Millionenhöhe drohten.

Der Streit dreht sich um zwei Neuerungen: Spielfilme mit einer Laufzeit bis 90 Minuten dürfen nur noch einmal von Werbung unterbrochen werden. Sponsoren dürfen nicht mehr im Werbeteil der von ihnen gesponserten Sendungen auftauchen. Bisher legten die Landesmedienanstalten die Werbevorschriften des Rundfunkstaatsvertrags großzügiger aus: Die Minuten für An- und Abmoderation eines Spielfilms und für die darin ausgestrahlte Werbung wurden zur Spielfilmlänge hinzugerechnet, und 90-Minuten-Filme durften zweimal von Werbeblöcken unterbrochen werden.

Die neue Lesart der Landesmedienanstalten läßt die Privatsender rote Zahlen sehen: Die „Knebelung des privaten Fernsehens“ werde zu Einnahmeverlusten von mindestens 500 Millionen Mark im Jahr führen, klagte der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Er rief seine Mitglieder, nahezu alle Privatsender, zum Ungehorsam auf. Falls sie darauf wegen Ordnungswidrigkeit zu Bußgeldern herangezogen würden, will der Verband dagegen „mit allen juristischen Möglichkeiten“ vorgehen.

Entschlossen zeigen sich auch die Landesmedienanstalten. Sie wollen „unnachgiebig dem Grundsatz Geltung verschaffen, daß niemand Gesetze übertreten darf, weil er sie nicht für sachgerecht hält“, erklärte der Direktor der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter, Reiner Hochstein. „Die Videorecorder sind programmiert“, sagte sein Mitarbeiter Thomas Schmied. Er glaubt nicht, daß die Privatsender die neuen Werberichtlinien einfach ignorieren und so weitermachen wie bisher. „Das kostet sehr viel Geld“, sagte Schmied. „Sie werden einen exemplarischen Fall durchziehen.“

Der Spielfilmkanal Pro 7 sucht offenbar nicht die Auseinandersetzung. „Wir versuchen, uns an die Werberichtlinien zu halten“, sagte Unternehmenssprecherin Angelika Cyllok. Ein Auftragsrückgang wegen der neuen Bestimmungen zeichne sich auch nicht ab. Auch bei RTL hieß es: „Wir wollen uns an die Regeln halten.“ Der Referent Michael Fingerling wies darauf hin, daß im Programm des Kölner Privatsenders Spielfilme „nicht mehr die Bedeutung wie früher“ hätten. Sat.1-Geschäftsführer Jürgen Doetz hat als Vizepräsident des VPRT den Ton zum „Aufschrei der Privaten“ angegeben. Das Sat.1-Programm wird deshalb vor allem in der Ludwigshafener Landesmedienanstalt besonders aufmerksam beobachtet.

Die Werbewirtschaft erwartet wegen der neuen Richtlinien eine Erhöhung der Spotpreise. „Die Leistung wird schlechter, aber teurer“, sagte Wolfgang Hainer vom Arbeitskreis Werbefernsehen der deutschen Wirtschaft. Mehr als 40 Prozent der in Privatkanälen ausgestrahlten Spielfilme seien zwischen 70 und 90 Minuten lang. „Wir können nicht einsehen, warum es für den Zuschauer besser sein soll, statt zweimal vier Minuten Werbung einmal acht Minuten zu senden.“ Hainer hält die Festlegung des Werberahmens auf 90 Minuten für „übern Daumen gepeilt“ und fordert, diese Zahl im Rundfunkstaatsvertrag nach unten zu korrigieren.

Das Sponsoring von Programmen wird nach Einschätzung Hainers mit der neuen Einschränkung „als Werbe- und Finanzierungsinstrument an Wert verlieren“. Politiker und Landesmedienanstalten hätten aber bereits signalisiert, daß es nicht bei der neuen Richtlinie bleiben soll.

Die Richtlinien regeln auch die Werbung vor und nach Kindersendungen. Im Staatsvertrag ist generell verboten, Sendungen für Kinder mit Werbung zu unterbrechen. Nach der neuen Auslegung darf aber auch „unmittelbar vor oder nach einer Kindersendung keine Werbung für Produkte geschaltet werden, die selbst Gegenstand von Kindersendungen sind“.

Eine weitere Verschärfung hält der nordrhein-westfälische Sozialminister Franz Müntefering für nötig. Der SPD-Politiker will Werbung auch vor und nach Kindersendungen grundsätzlich verbieten und eine Mindestdauer der Kinderprogramme festlegen. Inge Treichel

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