: Stolpe als IM bei der Stasi geführt
■ Angeblich „ohne sein Wissen“ geführt/ Deckname „Sekretär“/ Auch andere führende Kirchenleute betroffen
Potsdam (afp/taz) — Die DDR- Staatssicherheit hat offenbar in den 70er Jahren den heutigen Ministerpräsidenten von Brandenburg, Manfred Stolpe (SPD), als „Informellen Mitarbeiter“ (IM) geführt. Der früher für die Kirchen zuständige Abteilungsleiter im Stasi-Ministerium, Jochen Wiegand, räumte bei einem Gespräch mit Stolpe ein, daß unter dem Decknamen „Sekretär“ eine IM- Akte über ihn angelegt wurde. Dies erklärte der brandenburgische Regierungssprecher Thomas am Freitag in Potsdam. Danach wußte Stolpe selbst nichts von seiner IM-Akte. Nach Angaben Wiegands habe die Methode die „systematische ,Abschöpfung‘ und umfassende Überwachung“ Stolpes ermöglicht, der damals Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg war. Das Material sei im November 1989 vernichtet worden. Regierungssprecher Thomas zufolge wurden die auf verschiedensten Wegen erlangten Informationen über Stolpe in der Kirchenabteilung XX/4 des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zusammengeführt und in Vorlagen für „führende Stellen“ in Partei und Staat verarbeitet. Zu den Quellen gehörten danach Abhörmaßnahmen, Post- und Zollüberwachung, Hinweise Dritter sowie Gesprächsvermerke von Vertretern der Stasi und der SED. Die Staatssicherheit sei nach Angaben Wiegands davon ausgegangen, daß Stolpe über seine Gespräche mit MfS-Mitarbeitern kirchliche Stellen unterrichten würde.
Abgehört worden seien auch Telefonate Stolpes im Westen, etwa Gespräche aus West-Berlin mit verschiedenen Stellen in Bonn. Andere führende Personen aus beiden Kirchen sollen ebenso wie Stolpe behandelt worden sein. Auf Veranlassung Wiegands sei das in der Abteilung XX/4 gesammelte Material nach der DDR-Wende vernichtet worden.
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