: Stolpe: Wahl statt Qual
■ Alle Brandenburger Fraktionen bis auf die FDP für Neuwahlen im Juni
Potsdam (taz) – In Brandenburg wird es im Juni zu Neuwahlen kommen – vorausgesetzt, die Mehrheit der Parlamentarier von SPD, CDU und PDS hält sich an die Vorgaben ihrer Fraktionen. Zwei Tage nach dem Bruch der Ampelkoalition in Brandenburg wurde gestern im Potsdamer Landtag auf Antrag der PDS- und CDU- Fraktion eine Sondersitzung für den 13. April festgesetzt. An diesem Tag werden die Abgeordneten zunächst darüber entscheiden, ob der Landtag aufgelöst wird. Die SPD hat bereits gestern beschlossen, daß sie sich einem solchem Antrag anschließen werde. Innerhalb von siebzig Tagen muß dann neu gewählt werden. Als möglicher Termin wird der 12. Juni, an dem die Wahlen zum europäischen Parlament stattfinden, gehandelt.
Noch unsicher ist, ob im Landtag die erforderliche Zweidrittelmehrheit für die vorzeitige Auflösung zustande kommt. Von 88 Abgeordneten müßten 59 dem Antrag zustimmen. SPD, CDU und PDS verfügen über 74 Stimmen, aber Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Vor allem die Abgeordneten, die keine Chance mehr haben, in den neuen Landtag einzuziehen, werden wohl der Sitzung fernbleiben. „Die SPD wird am 13. April auf einer namentlichen Abstimmung bestehen“, kündigte SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler gestern an.
Allein in der CDU-Fraktion werden wohl über die Hälfte der bisher 26 Mandate nach der Landtagswahl wegfallen. Auch SPD-Fraktionschef Birthler rechnet in den eigenen Reihen mit zahlreichen „Krankmeldungen“. Die PDS-Abgeordneten stehen geschlossen hinter Neuwahlen, die Bündnis-Fraktion offenbar auch. Lediglich die FDP, die auch in Brandenburg heftig mit der Fünfprozenthürde ringen muß, hängt an ihren Kabinettsposten.
Stolpes Idee einer Minderheitenregierung aus SPD und FDP scheint damit gescheitert zu sein. Nach dem Bruch der Ampelkoalition hatte er angekündigt, sein Kabinett nicht umzubilden. Stolpe wollte ohne parlamentarische Mehrheit die Legislaturperiode beenden.
Noch Mittwoch morgen lehnte Fraktionschef Birthler Neuwahlen ab. Erst am Nachmittag desselben Tages – als der Druck der Opposition immer stärker wurde – schwenkte die SPD um. Sie erreichten Signale von Bundesgeschäftsführer Verheugen (SPD), der sich klar für Neuwahlen aussprach. Um so erstaunlicher klingt dann die Aussage vom SPD- Landesvorsitzenden Steffen Reiche, der gestern sagte: „Die SPD wollte schon immer Neuwahlen, nur gab es dafür keine Mehrheiten.“ Auch Stolpe teilte mit, er bevorzuge jetzt „den klaren Weg der Neuwahlen“.
In einer persönlichen Erklärung teilte Lothar Bisky (PDS) zu Beginn der gestrigen Landtagssitzung mit, er werde Ende April vom Vorsitz des Stolpe-Untersuchungsausschusses zurücktreten. Ausschußmitglieder würden das Gremium zur „Erfüllung parteipolitischer Zielsetzungen im Wahlkampf“ benutzen, meinte Bisky. „Unter diesen Umständen kann ich als Vorsitzender kein objektives, faires und rechtsstaatliches Verfahren mehr gewährleisten.“ Die CDU-Fraktion kündigte an, in der für gestern nachmittag geplanten Sitzung des Untersuchungsausschusses eine kriminaltechnische Untersuchung des Terminkalenders von Christa Lewek zu veranlassen. Die CDU hat „den Eindruck, daß der Termineintrag, der Stolpe ein Alibi gibt, nachträglich eingefügt wurde“. Anja Sprogies
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