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Stoiber versucht sich zu retten

Nach der Insolvenzmeldung des Kirch-Konzerns gerät Bayerns Ministerpräsident zusehends in Bedrängnis. Im Landtag macht er Schröders Wirtschaftspolitik für die Pleite mitverantwortlich. Doch Stoibers Image als Wirtschaftspolitiker ist beschädigt

aus München OLIVER HINZ

Für Edmund Stoiber ist die Lage ernst, aber nicht aussichtslos. Bisher wirkt sich die Pleite von KirchMedia vor allem auf seine Terminplanung aus. Eigentlich wollte der Unions-Kanzlerkandidat sich gestern in Berlin mit Chinas Staatspräsident Jiang Zemin treffen. Aber Stoiber besaß so viel Machtinstinkt, die Sondersitzung des bayerischen Landtags zur Kirch-Krise vorzuziehen. Dort wies er die Kritik von Bundeskanzler Gerhard Schröder an Bayerns Medienpolitik im Falle Kirchs zurück.

Weil Schröder Deutschland beim Wirtschaftswachstum auf den letzten Platz in Europa geführt habe, habe er „das Recht verloren, Bayern in dieser Art und Weise zu kritisieren“, sagte Stoiber. Die Pleite gehe nicht nur auf Fehler des Kirch-Managements zurück, sondern auch auf die Rezession, die Folge von Schröders „Politik der ruhigen Hand“ sei. Die Region um München zähle zu den bedeutendsten Medienstandorten der Welt und sei trotz der Pleite nicht in Gefahr, so Stoiber. Dies sei auch durch „kluge Politik“ möglich geworden. Er sprach sich gegen von Schröder ins Gespräch gebrachte staatlichen Hilfen für KirchMedia aus. Er äußerte Zuversicht, dass ein Großteil der betroffenen Arbeitsplätze gerettet werden könnten. „Das Involvenzverfahren bedeutet einen Neubeginn.“

Der bayerische SPD-Faktionschef Franz Maget warf Stoiber und seiner Staatsregierung vor, immer wieder Warnungen vor weiteren Krediten für Kirch in den Wind geschlagen zu haben. Maget sprach von Beihilfe zu „unverantwortlicher Zockerei“.

Stoiber war seinem Freund Leo Kirch fast blind in die Pleite gefolgt. Er persönlich förderte dessen Expansionswahn, traf sich dazu eigens mit dem Medienmogul Rupert Murdoch in Los Angeles. Er überredete Murdoch erfolgreich, bei Kirch zu investieren. Der Australier und US-Passbesitzer hält nun 2,5 Prozent an KirchMedia, zu der direkt das Deutsche Sportfernsehen (DSF) und Stadtsender in Berlin, Hamburg und München gehören, und 22 Prozent an Kirch PayTV mit dem Abosender Premiere. Stoiber brach mit dem Engagement der halbstaatlichen Landesbank bei Kirch alle Rekorde. Die von der Regierung kontrollierte Bayerische Landesbank lieh dem Medienkonzern offiziell 2,02 Milliarden Euro. Einen so hohen Kredit hat noch nie ein Unternehmen von einer Landesbank erhalten. Nun ist KirchMedia zahlungsunfähig und die Landesbank kann am meisten Geld verlieren, weil sie die waghalsigsten Kredite vergab.

Stoiber hat die Kredite allerdings nicht selbst beschlossen. Die Feinarbeit überließ er Finanzminister Kurt Faltlhauser und seinem Staatskanzleichef Erwin Huber im Verwaltungsrat, dem das halbe Kabinett angehört. Im Kreditausschuss der Landesbank sitzt als Vertreter der Kommunen ebenfalls der Münchner Wirtschaftsreferent Reinhard Wieczorek von der SPD. „Das Scheitern Kirchs ist in gewissem Sinn auch ein Scheitern der Medienpolitik Stoibers“, gibt auch er gegenüber der taz dem CSU-Chef die Schuld. Stoiber habe Kirchs schwieriges Engagement in der Formel 1 mitgetragen. Zu seiner eigenen Verantwortung sagte Wieczorek unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht nichts.

SPD und Grüne werfen Stoiber „Spezlwirtschaft“ vor und drohen mit einem Untersuchungsausschuss. Der kommt aber nur, falls die CSU-Regierung nächste Woche im Haushaltsausschuss nicht die Fragen der Opposition beantwortet. Bis zur Bundestagswahl wird Stoiber wahrscheinlich davonkommen. Erst danach dürfte feststehen, ob die Landesbank ins Minus rutscht und so den Freistaat zur Kasse bitten muss.

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