: Stoff des Glaubens
„Turban, altorientalische Bedeckung des Hauptes durch wulstartig geschlungene Tücher. Bei Hindus, Sikhs und Muslimen nachgewiesen. Im islamischen Raum wird der Schleierschal meist über bunter Kappe und darunter getragener kleiner Schweißkappe drapiert“, erfährt man aus dem Wörterbuch der Völkerkunde von 1999. Der Begriff kommt vom persischen „dolband“; die Türken übernahmen ihn als „tülbend“. Auf Arabisch heißt er „imamah“, bei den Sikhs „keski“.
Feste Wicklung: Turbane werden nicht auf- und abgesetzt, sondern morgens und bei Bedarf neu gebunden. Durch Stiche fixierte Turbane sind selten und meist Prachtexemplare. Die Tücher bestehen aus Baumwolle oder Baumwoll-Seide-Mischgewebe. Manche werden leicht eingeölt, z. B. mit Eiweiß, damit sie glänzen.
Längsformat:Die Stoffbahnen sind zwischen vier und sechs Meter lang und rund sechzig Zentimeter breit. Bei manchen Völkern werden zwei Tücher ineinander gewickelt. Dann brauchen selbst erfahrene Binder rund zehn Minuten.
Entwicklungshilfe aus dem Süden:Unsere Bezeichnungen für vielerlei Kleidungsstücke, Stoffe und mit Stoff bespannte Möbel, für Farben, Färbe- und Duftpflanzen wurzeln im Arabischen, Persischen und Türkischen. Eine Auswahl: Kutte, Kaftan, Wams, Jacke,Jackett, Joppe, Jupon (Unterrock),Sakko, Bluse, Kittel, Schal,Turban, Schador, Maske,Mütze, Sandale, Puschen,Gaze, Mull, Watte, Taft,Bombast (aufgebauschter Stoff),Barchent, Saffian(leder), Alpaka,Kattun, Musselin, Mohair, Chiffon, Satin, Moiré, Atlas,Damast, Alkoven, Diwan,Sofa, Matratze, Ottomane, Azur, Jasmin, Karmesin, Zimt, khaki, lila, matt, scharlachen, orange, Moos, Rhabarber, Spinat, Tee, Zinnober, Sandelholz, Lapislazuli, Narzisse, Pfirsich, Ambra, Safran, Anilin, Henna, Ingwer, Opal, Smaragd.
Sprichwörter: Lass dich nicht vom weißen Turban täuschen, die Seife ist auf Kredit genommen. (Aus dem Türkischen.)Nicht alle, die ihren Kopf in einen Turban hüllen, sind Mohammeds Jünger. (Aus dem Nubischen.)Wenn sich der Turban über eine Blähung beschwert, wie mag es dann den Unterhosen ergehen! (Aus dem Ägyptischen. Der Turban steht für die jammernden Bürger Kairos, die Unterhosen für die still leidenden Bauern auf dem Land.)
Sonderrechte, Sonderpflichten:
Eine Hand voll Motorradfahrer braucht sich in Deutschland keinen Helm aufzusetzen – die Sikhs. Sie weigern sich aus Glaubensgründen, je in der Öffentlichkeit ihren Turban abzulegen. Der Bund-Länder-Fachausschuss für Verkehr hat 1986 beschlossen, dass „eine Befreiung der Helmtragepflicht aus religiösen Gründen bei Ordensschwestern oder Sikhs möglich ist“. Noch nie hat aber eine Nonne beantragt, statt mit Helm mit Nonnenschleier über die Straßen zu brettern. Sikh-Bauarbeiter brauchen auch keinen Schutzhelm zu tragen, was auf britischen Baustellen oft wegen „positiver Diskriminierung“ Ärger mit den Kollegen gibt; in Großbritannien leben viele Angehörige dieser um 1.500 in Indien entstandenen Religion mit hinduistischen und islamischen Elementen. Als vermeintliche Araber sind Sikhs in den USA nach den Anschlägen vom 11. September angegriffen worden, mindestens einer wurde ermordet. BARTZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen