: Störungen nicht ausgeschlossen
Schauspielerinnen, Regisseure und Techniker wollen in Cannes für ihr Sozialsystem demonstrieren
Der Chef der Schauspielergewerkschaft der CGT, Jean-François Pujol, sagt: „Eine Provokation.“ – „Eine Gefahr für die Festivalsaison“, meint die sozialdemokratische Politikerin Anne Hidalgo. Und sogar die rechtsliberale Partei UDF, die einen Minister in der Regierung hat, spricht von einer „Enttäuschung“.
Die Kritik richtet sich gegen den neuen französischen Kulturminister Renaud Donnedieu de Vabres. Eine Woche vor der geplanten Eröffnung der Filmfestspiele von Cannes hat der ein Programm und einen provisorischen Hilfsfonds vorgelegt, um den seit zehn Monaten währenden Konflikt mit den Intermittents du spéctacle, wie die rund 140.000 Schauspieler, Filmemacher und Techniker in Frankreich genannt werden, zu entschärfen.
Auf Druck des Unternehmerverbandes Medef war die Sozialversicherung für sie im vergangenen Juni radikal zusammengestrichen worden. Tausende von ihnen sind bereits aus jedem Versorgungssystem herausgefallen. Nachdem die Unternehmer das Abkommen mit einer Gewerkschaft (CFDT) unterzeichnet hatten, die nicht einmal 10 Prozent der Beschäftigten der Branche repräsentiert, gingen die anderen auf die Barrikaden.
Ihre Proteste und Streiks sorgten im vergangenen Sommer dafür, dass erstmals in der Geschichte das Theaterfestival von Avignon und andere internationale Kulturtreffen platzten. Doch der Kulturminister hält am Abkommen fest und versucht jetzt lediglich, besondere Härten zu glätten.
Dazu hat er einen mit 20 Millionen Euro ausgestatteten Sonderfonds angekündigt, der an Künstler und Techniker gehen soll, die aus jeder Sozialversicherung herausgefallen sind. Nach Rechnung der „Intermittents“ würde das für jene 18.000 Personen, die bereits jede Sozialversorgung verloren haben, monatlich eine Unterstützung von 92 Euro bedeuten. „Ein Hohn“, sagt die „nationale Koordination der Intermittents“.
Zu den Filmfestspielen von Cannes droht darum ein offener Konflikt. Zwar beschäftigen die Festival-Organisatoren nach eigener Auskunft keine „Intermittents“; damit ist ein Streik unwahrscheinlich. Doch haben die „Intermittents“ bereits zu Demonstrationen in Cannes mobilisiert. Wenn die Regierung in den nächsten Tagen keine Zugeständnisse macht, wollen sie das Festival stören.
Unterstützung dürfen sie unter anderem von Roman Polanski, Agnès Jaoui und anderen prominenten Filmemachern erwarten. Sie haben sich schon früher für die Beibehaltung des weltweit einmaligen Sozialsystems für „Intermittents“ in Frankreich eingesetzt, das dafür sorgt, dass die Schauspieler und Techniker in auftrittslosen Zeiten einen Unterhalt aus der Arbeitslosenkasse bekommen. „An Cannes 2004“, so erklärten die „Intermittents“ gestern in Paris, „wird man sich lange erinnern“.
DOROTHEA HAHN