Stipendien aus der Wirtschaft: Auf Promille-Niveau
Als an deutschen Unis Gebühren eingeführt wurden, hat die Wirtschaft Stipendien versprochen. Passiert ist wenig. Der BDI tut nun so, als ob er nie eine Förderung in Aussicht gestellt hätte.
Als vor drei Jahren die Verfassungsrichter Studiengebühren erlaubten, gleichzeitig aber forderten, dass die "Belange der Einkommensschwachen" berücksichtigt werden, tönten Gebührenbefürworter in Politik und Wirtschaft: Alles kein Problem! Wir bauen die Stipendien für Studenten aus! Der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, kündigte gar ein milliardenschweres Programm an: "Wir wollen eine Stipendienkultur aufbauen, und dafür wird die Wirtschaft Geld in die Hand nehmen."
Drei Jahre später hat sich nur wenig getan. Die Zahlen sind ernüchternd. Das Bildungsministerium rühmt sich damit, das Geld für Stipendien in den elf Begabtenförderungswerken, darunter die sechs parteinahen Stiftungen, von 80,5 Millionen im Jahr 2004 auf 113,2 Millionen Euro im Jahr 2008 angehoben zu haben. Doch von dem Geld profitieren nach wie vor nur wenige: Statt wie bisher 0,7 Prozent der Studierenden erhalten inzwischen 0,9 Prozent der Studierenden ein Stipendium über die Förderwerke. Etwas mehr als 1 weiteres Prozent erhält ein Stipendium aus anderen Quellen. Insgesamt sind das rund 40.000 Studis mit Stipendium - und das bei rund 2 Millionen Studierenden in Deutschland.
Trauriger sieht die Bilanz noch auf Seiten der Wirtschaft aus. Hier und da gibt es neue Programme. Die Vodafone-Stiftung fördert 29 Studierende mit Migrationshintergrund. In Sachsen-Anhalt finanzieren zehn zumeist mittelständische Unternehmen vom kommenden Semester an 22 Studis ein Studium in Ingenieurswissenschaften.
Schön für die Auserwählten - aber die Masse an Studenten geht leer aus. "Von der Wirtschaft ist in der Breite nichts gekommen", sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks. "Sie hat viel versprochen und nichts gehalten."
Dem BDI ist es inzwischen unangenehm, auf seine im März 2005 verkündete Stipendienoffensive angesprochen zu werden. Dort tut man so, als hätte es eine solche Ankündigung nie gegeben. "Es gibt kein Stipendienprogramm und auch keine solchen Pläne", sagte Sprecher Thomas Hüne der taz.
Lediglich beim Begabtenförderungswerk der Wirtschaft, der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (SDW), gibt es einen klitzekleinen Anstieg: Statt 920 Studis wie im Jahr 2003 wurden im vergangenen Jahr 959 Studis gefördert, dazu kommen seit neuestem 59 angehende Lehrer.
Bezahlt werden die Stipendien in Höhe von 5,6 Millionen Euro pro Jahr allerdings nicht von den im Förderverein vertretenen Konzernen wie BMW, RWE, Siemens oder der Telekom, sondern: vom Bildungsministerium. Die Unternehmen finanzieren lediglich die immaterielle Unterstützung: Seminare, Mentoren, Trainings. 2,5 Millionen Euro kostet das jährlich. Das macht umgelegt 31.250 Euro für jedes der 80 Unternehmen im Förderverein. In deren Kategorien: noch nicht einmal Peanuts.
WOLF SCHMIDT
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