Stipendiaten sollen spenden: Büchergeld für Bildungsprojekte
Seit April bekommen Stipendiaten mehr Büchergeld – unabhängig vom Einkommen der Eltern. Eine Initiative aus Begünstigten fordert dazu auf, das Geld zu spenden.
BERLIN taz | Stipendien spenden! Dazu ruft seit Dienstag eine Initiative von StipendiatInnen der Studienstiftung des Deutschen Volkes und der Stiftung der Deutschen Wirtschaft auf ihrer gleichnamigen Internetseite auf. "Wir möchten durch die Umverteilung an weniger Privilegierte die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland fördern", sagt die Stipendiatin und Sprecherin der Initiative Ines Burckhardt.
Die Initiatoren wünschen sich, dass viele ihrer Mitbegünstigten die Anfang des Jahres erfolgte Erhöhung des Büchergeldes an eines von drei ausgewählten Projekten spenden. Seit April erhalten die Stipendiaten der zwölf etablierten Begabtenförderungswerke in Deutschland monatlich 150 Euro Büchergeld statt wie bisher 80 Euro.
Die Initiatoren des Spendenaufrufes waren von Anfang an dagegen, da der Betrag unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt wird. "Erhebungen zur finanziellen Lage der Geförderten zeigen, dass längst nicht alle auf die Erhöhung angewiesen sind, um gut leben und studieren zu können", erklärt Burckhardt. So erhalten von den derzeit 10.000 Stipendiaten der Studienstiftung mehr als die Hälfte nur Büchergeld, weil ihre Eltern sie ausreichend unterstützen können. "Gleichzeitig haben Kinder aus sozial schwierigeren Verhältnissen nachweislich schlechtere Bildungschancen", so Buckhardt weiter.
Die einkommensunabhängige Erhöhung des Büchergeldes sei daher eine "Verschwendung von Fördergeldern" und ein Schritt in die falsche Richtung, weil sie die soziale Schieflage im deutschen Bildungssystem zusätzlich verschärfe. Mehr als 2000 Stidpendiaten sahen dies im vergangenen Jahr ähnlich und unterzeichneten eine Petition gegen die Aufstockung – ohne Erfolg. Nun sollen andere von dem zusätzlichen Geld profitieren.
Spende direkt an die Organisation
Die Initiative hat sich für drei Projekte entschieden, die Kinder aus sozial benachteiligten Familien auf ihren unterschiedlichen Bildungswegen unterstützen. So motiviert "Arbeiterkind" OberstufenschülerInnen aus nichtakademischen Familien zur Aufnahme eines Hochschulstudiums und bietet "Plan MSA" kostenlose Nachhilfe zur Vorbereitung auf die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss. Das Projekt "Rock your Life" stellt hingegen HauptschülerInnen Studierende als Coaches zur Seite, die sie beim Übergang in das Berufsleben unterstützen.
Auf der Internetseite der Initiative kann man sich über die Projekte informieren und seine Spende direkt an die Organisationen weiterleiten. "Auf der Website sollen sich die Stipendiaten aber auch darüber austauschen, wie man die Begabtenförderung zukünftig sinnvoll gestalten kann", sagt Burckhardt. Immerhin sei der ursprüngliche Plan von Bundesbildungsministerin Schavan (CDU), das Büchergeld auf 300 Euro anzuheben, längst nicht von Tisch, so die Stipendiatin.
Der Ausbau der Begabtenförderung ist für Schavan ein Ausdruck von "Solidarität mit unseren Hochschulen". Zu diesem Zweck hat die schwarz-gelbe Regierung zu Beginn des Sommersemesters 2011 das Deutschlandstipendium eingeführt: ein einkommensunabhängiges, leistungsorientiertes "nationales Stipendium" in Höhe von 300 Euro monatlich. Die Hälfte der Summe müssen die Hochschulen bei Unternehmen einwerben, den Rest zahlt der Bund.
Nicht alle glauben an den Erfolg der Initiative
Im Zuge der Einführung des Deutschlandstipendiums erfolgte auch die Anhebung des Büchergeldes für die StipentiatInnen der zwölf Begabtenförderungswerke. Der Leiter des Institus für Begabtenförderung der Hans-Seidel-Stiftung, Hans-Peter Niedermeier, hält diese Erhöhung im Gegensatz zu den Initiatoren des Spendenaufrufes für "bildungs- und sozialpolitisch richtig und wichtig", zumal es in den letzten Jahrzehnten keine Anpassung gegeben hätte.
Er äußert sich zudem skeptisch über den Erfolg der Initiative. "Ich glaube für die allermeisten Stipendiaten wird kaum finanzieller Spielraum bestehen, sich an Spenden zu beteiligen", erklärte er gegenüber der taz. Ob sich seine StipendiatInnen daran beteiligen würden, ließ er zwar offen, doch: "Wir werden sie nicht vor den Karren einer falschen politischen Diskussion spannen", so Niedermeier.
Anders sehen dies die Geförderten der Heinrich-Böll-Stiftung (hbs). "Die Diskussion über das erhöhte Büchergeld ist auch unter unseren StipendiatInnen geführt worden und dabei wurde überlegt, was mit dem Mehr an Geld gemacht werden kann", sagte die Pressesprecherin der hbs, Vera Lorenz. Bislang sei zwar die Förderung von stiftungsinternen Projekten favorisiert worden, doch auf dem derzeit in Bad Bevesen (Niedersachsen) stattfinden Sommer-Campus des Studienwerkes der hbs wird die Idee, mit dem Geld Bildungsprojekte zu unterstützen, von den Stipendiaten auch diskutiert werden, so Lorenz.
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