Stimmungsmache im Volksentscheid: Vattenfall wird ausgeschaltet
Der Energiekonzern positioniert sich in Hamburger Bahnen gegen den Rückkauf der Energienetze – dabei ist politische Werbung dort nicht erlaubt.
HAMBURG taz | In Hamburg läuft parallel zur Bundestagswahl der Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze – und inzwischen hat die Propagandaschlacht begonnen. Mit Plakaten, auf Monitoren in den U-Bahnhöfen und auf Bildschirmen in den U-Bahnen wirbt der schwedische Konzern Vattenfall dafür, weiter im Besitz der Strom- und Fernwärmenetze in Hamburg zu bleiben. „Gute Partner teilen alles – auch 27.000 Kilometer Stromnetz“, so der Werbeslogan. Auf einem der Plakate etwa sind Vater und Sohn zu sehen, die mit einem Schwan auf der Alster spielen.
Die „guten Partner“ sind Vattenfall und die Stadt Hamburg. Denn Vattenfall spielt mit der Kampagne darauf an, dass Hamburg im Mai 2012 für 544 Millionen Euro 25,1 Prozent an den Energienetzen der privaten Konzerne Vattenfall und Eon erworben hat. Der Slogan ist ein deutliches Votum gegen den Rückkauf der Energienetze, der Gegenstand des Volksentscheides „Unser Hamburg – Unser Netz“ am 22. September. „Die Werbung beeinflusst natürlich den Volksentscheid“, sagt auch Wiebke Hansen, Kampagnenleiterin der Volksinitiative. Dabei sei Vattenfall eigentlich nur „Player und Nutznießer“. Die Akteure gegen den Volksentscheid säßen laut Hansen im Senat.
Die Kölner Werbegruppe Ströer, die für die öffentlichen Unternehmen im Nahverkehr die Werbung in der Hansestadt verantwortet, hatte diesen Slogan zunächst durchgewinkt. Und dass, obwohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen politische Werbung untersagen.
Noch im August war Ströer da konsequenter. Der Verein „Unternehmen gegen Atomstrom“ schaltete einen Werbespot auf den Monitoren in der U-Bahn, um für Lesungen mit Autoren wie Rocko Schamoni, Rolf Becker und Wiglaf Droste zu werben. Gekennzeichnet waren die Lesungen als Benefiz-Event für die Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Nach nur einer einzigen Beschwerde bei der Hochbahn hatte Ströer die Werbung aus der U-Bahn genommen. Auf Anfrage der taz, wieso nun dieser Vattenfall-Spot gesendet werden dürfe, reagierte Hochbahn-Sprecherin Maja Weihgold prompt. „Die Kategorisierung liegt bei unserem Werbepartner Ströer“, sagte sie. „Wir haben den Vorgang weitergeleitet.“
Während die Grünen am Donnerstag bereits an einer Kleinen Anfrage arbeiteten und die Linkspartei ebenfalls bei der Hochbahn vorstellig geworden war, kam eine Entscheidung von Ströer. „Wir werden die Werbung vor Ablauf des Buchungstermins am Dienstag abschalten“, sagte Ströer-Sprecher Marc Sausen. „Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass es eindeutig politische Werbung ist“, sagt Sausen. Er begründet die Panne damit, dass der Werbeauftrag zentral in Berlin geschaltet worden sei. Dort habe man sich den Film zwar angesehen, ihn aber als harmlose Firmenwerbung klassifiziert, „weil man von den Umständen in Hamburg nichts gewusst“ habe, sagt Sausen. Im Gegensatz zu der lokal geschalteten Werbung des Vereins „Unternehmer gegen Atomstrom“ könne der Werbeauftritt erst Dienstag aus dem Programm genommen werden, so Sausen, „weil das ein anderes Format ist“.
Trotz der schnellen Reaktion von Ströer ist der Linkspartei-Landessprecher Bela Rogalla sauer. „Es ist ein handfester Skandal, dass die Hamburger Hochbahn und die Werbefirma Ströer einerseits der Volksinitiative eine Plakatwerbung verboten haben und anderseits die Konzerninteressen von Vattenfall hofieren.“ Auch Grünen sind irritiert. „Warum es bis Dienstag dauern soll, das Filmchen aus dem U-Bahn-TV zu nehmen, ist mir schleierhaft“, sagt Fraktionschef Jens Kerstan. „Diese Reklame sollte sofort entfernt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs