piwik no script img

Archiv-Artikel

Stimmige Bilder und lange Einstellungen

„Live and become“ – Die Geschichte eines äthiopischen Jungen in Israel wird auf dem Filmfestival Münster geehrt

Es sei ein „Abenteuer mit Überraschungen“ gewesen, lautete die Bilanz Barbara Fischer-Rittmeyer. Sie leitete die elfte Ausgabe des Filmfestivals Münster, das am Sonntag endete. Und überraschend waren tatsächlich auch einige Jury-Entscheidungen, wenn man sich ansieht, welche Filme nicht mit einem Preis dekoriert wurden – es aber verdient hätten.

Den europäischen Spielfilmwettbewerb gewann Radu Mihaileanus Streifen „Live and become“. Held des Films ist Schlomo, ein äthiopischer Junge, der sich in den Achtziger Jahren als schwarzer Jude ausgibt, um dem Hungertod in seinem Heimatland zu entkommen und im Zuge der „Operation Moses“ mit Hilfe Israels und den USA ins Heilige Land gelangt. Der Film erzählt von Schlomos Angst vor Entdeckung, von Rassismus und Ignoranz der israelischen Gesellschaft. Eine wichtige, kaum bekannte Geschichte. Nur wird der Stoff erstickt in Hollywood-kompatiblem Leinwandpathos und kitschigem Soundtrack.

Dabei waren Filme im Wettbewerb, die sich durch genaues Beobachten und höchst stimmige Bilder auszeichneten. So etwa Marina Razbezhkinas grandioser Film „Harvest Time“, der in langen Einstellungen von einer agrarischen „Heldin der Arbeit“ in den stalinistischen 50er Jahren erzählt. Nachvollziehbar ist die „Lobende Erwähnung“ der Jury für „Bluebird“ von Mijke de Jong, das subtile Porträt einer 12-jährigen Schülerin.

Den Hauptpreis des Kurzfilmwettbewerbs erhielt „Das Floß“. Jan Thürings ironische Puppen–animation über die Haifischnatur des Menschen ist handwerklich beeindruckend. Den Förderpreis des WDR teilten sich Thomas Wendrich mit „Zur Zeit verstorben“, eine bitter-lakonische Komödie mit Michael Gwisdek, und die Dokumentation „La vida dulce“ (Bettina Blümner/Rouven Rech) über die planwirtschaftliche Verteilung genormter Muttertagstorten auf Kuba. Den Publikumspreis erhielt Stephan Flint Müllers „Fliegenpflicht für Quadratköpfe“. MARCUS TERMEER