: Stille Post
Brot statt Böller? Brot knallt ja bekanntlich nicht. Was die Mehrzahl der zur Silvesteroffensive Angetretenen natürlich wußte und ihr gehortetes Pulver gern schon vor der Zeit verschoß. War ja genug da. Alle anderen müssen in der Nacht der Nächte im Lagerhaus gewesen sein. Wo ein breitschultriger Einlasser die Tür zum nachmitternächtlichen Sylvester-Tanz freigab, nachdem die zehn Mark Eintritt entrichtet sind. Charmant-insistierendem Protest aus geschminkten Lippen kann offenbar auch der alternativste Lagerhäusler nicht widerstehen. Die beiden Kassierer, die sich am Eingang mit einer Progangasheizung gegen die Minusgrade schützen, geben Festtags-Rabatt. Die Frauen-Fraktion an der überfüllten Garderobe macht hingegen keine bourgeoisen Kompromisse: „Das ist wie im Weserstadion: Wenn es voll ist, ist es voll!“ Und hereingereichte Bügel können nicht akzeptiert werden.Drinnen brennt die Luft; jedenfalls erinnern dicke Rauchschwaden in der Lagerhaus-Discothek daran. Abiturjahrgänge der frühen 80er zappeln dicht an dicht zu rauhen Rhythmen der Hits aus ebenjener Zeit. Launige Ausgelassenheit allenthalben und auf den Rängen ein paar Unbehauste, die für '96 allerlei Vorsätze gefaßt haben, von denen sie natürlich wissen, daß sie sie nicht einlösen werden. Womit sich leben läßt. Denn die kleine Welt des Lagerhauses fängt alle auf. taz
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